2229. Um verjähren zu können, muß man sich in einem fortwährenden und ununterbrochenen, ruhigen, öffentlichen, unzweydeutigen Besitze, und zwar als Eigenthümer, befun- den haben.
2230. Man hat stets die Vermuthung für sich, daß man in eigenem Namen und als Eigenthümer besitze, so lange nicht erwiesen wird, daß man im Anfange für einen Andern besessen habe.
2231. Hat man anfänglich für einen Andern besessen, so wird stets, und so lange nicht das Gegentheil erwiesen ist, vermuthet, daß man noch aus demselben Rechtsgrunde besitze.
2232. Handlungen der freyen Willkühr, wie auch die der bloßen Nachgiebigkeit, können weder Besitz, noch Ver- jährung begründen.
2233. Gewaltsame Handlungen können eben so wenig einen zur Verjährung tauglichen Besitz bewirken. Erst mit dem Aufhören der Gewalt ist der Besitz dazu geeignet.
2234. Der gegenwärtige Besitzer, welcher, ehedem be- sessen zu haben, darthut, hat, in Ermangelung eines entgegen- stehenden Beweises, die Vermuthung des Besitzes während der Zwischenzeit für sich.
2235. Um die Verjährung zu vollenden, kann man den Besitz seines Vorgängers mit zu dem seinigen rechnen, auf welche Weise man auch, sey es nun unentgeltlich oder gegen Vergeltung, aus einem allgemeinen oder besondern Rechts- grunde, an dessen Stelle getreten seyn mag.
Drittes Capitel. Von den Ursachen, welche die Verjährung verhindern.
2236. Wer für einen Andern besitzt, verjährt nie, wie lange auch sein Besitz gedauert haben mag.
III. Buch. 20. Titel. 3. Cap.
2229. Um verjaͤhren zu koͤnnen, muß man ſich in einem fortwaͤhrenden und ununterbrochenen, ruhigen, oͤffentlichen, unzweydeutigen Beſitze, und zwar als Eigenthuͤmer, befun- den haben.
2230. Man hat ſtets die Vermuthung fuͤr ſich, daß man in eigenem Namen und als Eigenthuͤmer beſitze, ſo lange nicht erwieſen wird, daß man im Anfange fuͤr einen Andern beſeſſen habe.
2231. Hat man anfaͤnglich fuͤr einen Andern beſeſſen, ſo wird ſtets, und ſo lange nicht das Gegentheil erwieſen iſt, vermuthet, daß man noch aus demſelben Rechtsgrunde beſitze.
2232. Handlungen der freyen Willkuͤhr, wie auch die der bloßen Nachgiebigkeit, koͤnnen weder Beſitz, noch Ver- jaͤhrung begruͤnden.
2233. Gewaltſame Handlungen koͤnnen eben ſo wenig einen zur Verjaͤhrung tauglichen Beſitz bewirken. Erſt mit dem Aufhoͤren der Gewalt iſt der Beſitz dazu geeignet.
2234. Der gegenwaͤrtige Beſitzer, welcher, ehedem be- ſeſſen zu haben, darthut, hat, in Ermangelung eines entgegen- ſtehenden Beweiſes, die Vermuthung des Beſitzes waͤhrend der Zwiſchenzeit fuͤr ſich.
2235. Um die Verjaͤhrung zu vollenden, kann man den Beſitz ſeines Vorgaͤngers mit zu dem ſeinigen rechnen, auf welche Weiſe man auch, ſey es nun unentgeltlich oder gegen Vergeltung, aus einem allgemeinen oder beſondern Rechts- grunde, an deſſen Stelle getreten ſeyn mag.
Drittes Capitel. Von den Urſachen, welche die Verjaͤhrung verhindern.
2236. Wer fuͤr einen Andern beſitzt, verjaͤhrt nie, wie lange auch ſein Beſitz gedauert haben mag.
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III. Buch. 20. Titel. 3. Cap.
2229. Um verjaͤhren zu koͤnnen, muß man ſich in einem
fortwaͤhrenden und ununterbrochenen, ruhigen, oͤffentlichen,
unzweydeutigen Beſitze, und zwar als Eigenthuͤmer, befun-
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2230. Man hat ſtets die Vermuthung fuͤr ſich, daß
man in eigenem Namen und als Eigenthuͤmer beſitze,
ſo lange nicht erwieſen wird, daß man im Anfange fuͤr
einen Andern beſeſſen habe.
2231. Hat man anfaͤnglich fuͤr einen Andern beſeſſen,
ſo wird ſtets, und ſo lange nicht das Gegentheil erwieſen iſt,
vermuthet, daß man noch aus demſelben Rechtsgrunde beſitze.
2232. Handlungen der freyen Willkuͤhr, wie auch die
der bloßen Nachgiebigkeit, koͤnnen weder Beſitz, noch Ver-
jaͤhrung begruͤnden.
2233. Gewaltſame Handlungen koͤnnen eben ſo wenig
einen zur Verjaͤhrung tauglichen Beſitz bewirken.
Erſt mit dem Aufhoͤren der Gewalt iſt der Beſitz dazu
geeignet.
2234. Der gegenwaͤrtige Beſitzer, welcher, ehedem be-
ſeſſen zu haben, darthut, hat, in Ermangelung eines entgegen-
ſtehenden Beweiſes, die Vermuthung des Beſitzes waͤhrend
der Zwiſchenzeit fuͤr ſich.
2235. Um die Verjaͤhrung zu vollenden, kann man den
Beſitz ſeines Vorgaͤngers mit zu dem ſeinigen rechnen, auf
welche Weiſe man auch, ſey es nun unentgeltlich oder gegen
Vergeltung, aus einem allgemeinen oder beſondern Rechts-
grunde, an deſſen Stelle getreten ſeyn mag.
Drittes Capitel.
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2236. Wer fuͤr einen Andern beſitzt, verjaͤhrt nie, wie
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Napoléon, Hieronymus: Napoleons Gesetzbuch. Code Napoléon. Straßburg, 1808, S. 970. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/napoleon_code_1808/982>, abgerufen am 21.11.2024.
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