Musäus, Johann Karl August: Grandison der Zweite, Oder Geschichte des Herrn v. N*** in Briefen entworfen. [Erster Theil.] Eisenach, 1760.XXXIV. Brief. Das Fräulein v. W. an Fräulein Amalien. Wilmershausen den 16 Septembr. Ich kann Ihnen die zween Anschlüsse Ihres Briefes unmöglich zurück schicken, ohne meinen Dank für die Mittheilung derselben abzustatten, und zugleich Ihnen diejenige Beleidigung abzubitten, wozu mich eine gottlose Leidenschaft, der ich mich ganz und gar nicht fähig glaubte, verleitet hat. In der That, der Argwohn ist so eine schlimme Sache, daß diejenigen, welche damit behaftet sind, so sehr dadurch bestrafet werden, daß man nicht Ursache hat, Ihnen deswegen Vorwürfe zu machen, oder eine andere Gnugthuung für geschehene Beleidigungen zu verlangen: man sollte nur ein gerechtes Mitleiden mit den Unglückseligen haben. XXXIV. Brief. Das Fräulein v. W. an Fräulein Amalien. Wilmershausen den 16 Septembr. Ich kann Ihnen die zween Anschlüsse Ihres Briefes unmöglich zurück schicken, ohne meinen Dank für die Mittheilung derselben abzustatten, und zugleich Ihnen diejenige Beleidigung abzubitten, wozu mich eine gottlose Leidenschaft, der ich mich ganz und gar nicht fähig glaubte, verleitet hat. In der That, der Argwohn ist so eine schlimme Sache, daß diejenigen, welche damit behaftet sind, so sehr dadurch bestrafet werden, daß man nicht Ursache hat, Ihnen deswegen Vorwürfe zu machen, oder eine andere Gnugthuung für geschehene Beleidigungen zu verlangen: man sollte nur ein gerechtes Mitleiden mit den Unglückseligen haben. <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0247" n="232"/> <div type="letter" n="1"> <head> <hi rendition="#fr">XXXIV. Brief.</hi><lb/> </head> <head> <hi rendition="#fr">Das Fräulein v. W. an Fräulein Amalien.</hi><lb/> </head> <opener> <dateline>Wilmershausen den 16 Septembr.</dateline> </opener> <p>Ich kann Ihnen die zween Anschlüsse Ihres Briefes unmöglich zurück schicken, ohne meinen Dank für die Mittheilung derselben abzustatten, und zugleich Ihnen diejenige Beleidigung abzubitten, wozu mich eine gottlose Leidenschaft, der ich mich ganz und gar nicht fähig glaubte, verleitet hat. In der That, der Argwohn ist so eine schlimme Sache, daß diejenigen, welche damit behaftet sind, so sehr dadurch bestrafet werden, daß man nicht Ursache hat, Ihnen deswegen Vorwürfe zu machen, oder eine andere Gnugthuung für geschehene Beleidigungen zu verlangen: man sollte nur ein gerechtes Mitleiden mit den Unglückseligen haben.</p> </div> </body> </text> </TEI> [232/0247]
XXXIV. Brief.
Das Fräulein v. W. an Fräulein Amalien.
Wilmershausen den 16 Septembr. Ich kann Ihnen die zween Anschlüsse Ihres Briefes unmöglich zurück schicken, ohne meinen Dank für die Mittheilung derselben abzustatten, und zugleich Ihnen diejenige Beleidigung abzubitten, wozu mich eine gottlose Leidenschaft, der ich mich ganz und gar nicht fähig glaubte, verleitet hat. In der That, der Argwohn ist so eine schlimme Sache, daß diejenigen, welche damit behaftet sind, so sehr dadurch bestrafet werden, daß man nicht Ursache hat, Ihnen deswegen Vorwürfe zu machen, oder eine andere Gnugthuung für geschehene Beleidigungen zu verlangen: man sollte nur ein gerechtes Mitleiden mit den Unglückseligen haben.
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