Musäus, Johann Karl August: Grandison der Zweite, Oder Geschichte des Herrn v. N*** in Briefen entworfen. [Erster Theil.] Eisenach, 1760.XXXII. Brief. Fräulein Juliane an Fräulein Amalien. Wilmershausen den 14 Septembr. Haben Sie Mitleiden mit mir, liebste Amalia; ich stehe im Begriff, eine sehr unglückliche Person zu werden. Sie wissen es unfehlbar. Was soll ich daraus machen, daß Sie mir keinen Wink davon gegeben haben? Sie müssen es wissen, daß ihr Oncle für sich selbst, bei meinem Vater, um mich geworben hat. Sind Sie so grausam, daß Sie nebst Ihren Freunden in Schönthal sich wider mich verschworen haben? Ist es um deswillen geschehen, daß Sie mir nicht eine Silbe von dem Vorhaben ihres Vetters entdeckt haben, damit man mich desto geschwinder überraschen, und das, was man will, aus mir machen könnte? Ich will Ihnen noch nichts Schuld geben; vielleicht hat Ihr Oncle Ihnen selbst noch XXXII. Brief. Fräulein Juliane an Fräulein Amalien. Wilmershausen den 14 Septembr. Haben Sie Mitleiden mit mir, liebste Amalia; ich stehe im Begriff, eine sehr unglückliche Person zu werden. Sie wissen es unfehlbar. Was soll ich daraus machen, daß Sie mir keinen Wink davon gegeben haben? Sie müssen es wissen, daß ihr Oncle für sich selbst, bei meinem Vater, um mich geworben hat. Sind Sie so grausam, daß Sie nebst Ihren Freunden in Schönthal sich wider mich verschworen haben? Ist es um deswillen geschehen, daß Sie mir nicht eine Silbe von dem Vorhaben ihres Vetters entdeckt haben, damit man mich desto geschwinder überraschen, und das, was man will, aus mir machen könnte? Ich will Ihnen noch nichts Schuld geben; vielleicht hat Ihr Oncle Ihnen selbst noch <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0229" n="214"/> <div type="letter" n="1"> <head> <hi rendition="#fr">XXXII. Brief.</hi><lb/> </head> <head> <hi rendition="#fr">Fräulein Juliane an Fräulein Amalien.</hi><lb/> </head> <opener> <dateline>Wilmershausen den 14 Septembr.</dateline> </opener> <p>Haben Sie Mitleiden mit mir, liebste Amalia; ich stehe im Begriff, eine sehr unglückliche Person zu werden. Sie wissen es unfehlbar. Was soll ich daraus machen, daß Sie mir keinen Wink davon gegeben haben? Sie müssen es wissen, daß ihr Oncle für sich selbst, bei meinem Vater, um mich geworben hat. Sind Sie so grausam, daß Sie nebst Ihren Freunden in Schönthal sich wider mich verschworen haben? Ist es um deswillen geschehen, daß Sie mir nicht eine Silbe von dem Vorhaben ihres Vetters entdeckt haben, damit man mich desto geschwinder überraschen, und das, was man will, aus mir machen könnte?</p> <p>Ich will Ihnen noch nichts Schuld geben; vielleicht hat Ihr Oncle Ihnen selbst noch </p> </div> </body> </text> </TEI> [214/0229]
XXXII. Brief.
Fräulein Juliane an Fräulein Amalien.
Wilmershausen den 14 Septembr. Haben Sie Mitleiden mit mir, liebste Amalia; ich stehe im Begriff, eine sehr unglückliche Person zu werden. Sie wissen es unfehlbar. Was soll ich daraus machen, daß Sie mir keinen Wink davon gegeben haben? Sie müssen es wissen, daß ihr Oncle für sich selbst, bei meinem Vater, um mich geworben hat. Sind Sie so grausam, daß Sie nebst Ihren Freunden in Schönthal sich wider mich verschworen haben? Ist es um deswillen geschehen, daß Sie mir nicht eine Silbe von dem Vorhaben ihres Vetters entdeckt haben, damit man mich desto geschwinder überraschen, und das, was man will, aus mir machen könnte?
Ich will Ihnen noch nichts Schuld geben; vielleicht hat Ihr Oncle Ihnen selbst noch
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