Das Gepräge des japanischen Missionsfeldes ist eigentümlicher Natur. Wir haben es hier nicht mit rohen "Wilden" zu thun, sondern mit einem in seiner Art gebildeten Kulturvolk, welches zudem mit Riesen- schritten sich auf europäischen Boden stellt. Daß ein japanischer Kulturmensch, vielleicht gar ein Schüler oder Lehrer der Hochschule, anders zu behandeln ist als ein menschenfressender Südseeinsulaner, versteht sich wohl von selbst. Man behandelt ja auch einen sechzehnjährigen Gymnasiasten anders als ein sechsjähriges Kind; und wiederum, von einem Gymnasialprofessor fordert man anderes als von einer Kindergärtnerin. Nicht jeder Missionar, der für Afrika vortrefflich paßt, ist auch in Japan zu gebrauchen, während ich andererseits wieder der ehrlichen Überzeugung bin, daß wenige von denen, die ich in Japan kennen lernte, in Afrika recht an ihrem Platze wären.
Man macht sich hierzulande kaum einen Begriff, welche Ansprüche an das Wissen eines Missionars in Japan gestellt werden. Wollten unsere Missionsgesell- schaften nur Leute aussenden, welche mit Bezug auf wissenschaftliche Qualifikation allen Anforderungen voll und ganz entsprächen, sie könnten lange suchen. Der Japaner ist mitunter zu naiv. Er ist im stande zu denken: "Der Missionar ist ja ein Europäer, oder er ist gar ein Deutscher; er hat eine deutsche Hochschule
X. Die Einzelbekehrung.
Das Gepräge des japaniſchen Miſſionsfeldes iſt eigentümlicher Natur. Wir haben es hier nicht mit rohen „Wilden“ zu thun, ſondern mit einem in ſeiner Art gebildeten Kulturvolk, welches zudem mit Rieſen- ſchritten ſich auf europäiſchen Boden ſtellt. Daß ein japaniſcher Kulturmenſch, vielleicht gar ein Schüler oder Lehrer der Hochſchule, anders zu behandeln iſt als ein menſchenfreſſender Südſeeinſulaner, verſteht ſich wohl von ſelbſt. Man behandelt ja auch einen ſechzehnjährigen Gymnaſiaſten anders als ein ſechsjähriges Kind; und wiederum, von einem Gymnaſialprofeſſor fordert man anderes als von einer Kindergärtnerin. Nicht jeder Miſſionar, der für Afrika vortrefflich paßt, iſt auch in Japan zu gebrauchen, während ich andererſeits wieder der ehrlichen Überzeugung bin, daß wenige von denen, die ich in Japan kennen lernte, in Afrika recht an ihrem Platze wären.
Man macht ſich hierzulande kaum einen Begriff, welche Anſprüche an das Wiſſen eines Miſſionars in Japan geſtellt werden. Wollten unſere Miſſionsgeſell- ſchaften nur Leute ausſenden, welche mit Bezug auf wiſſenſchaftliche Qualifikation allen Anforderungen voll und ganz entſprächen, ſie könnten lange ſuchen. Der Japaner iſt mitunter zu naiv. Er iſt im ſtande zu denken: „Der Miſſionar iſt ja ein Europäer, oder er iſt gar ein Deutſcher; er hat eine deutſche Hochſchule
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X. Die Einzelbekehrung.
Das Gepräge des japaniſchen Miſſionsfeldes iſt
eigentümlicher Natur. Wir haben es hier nicht mit
rohen „Wilden“ zu thun, ſondern mit einem in ſeiner
Art gebildeten Kulturvolk, welches zudem mit Rieſen-
ſchritten ſich auf europäiſchen Boden ſtellt. Daß ein
japaniſcher Kulturmenſch, vielleicht gar ein Schüler oder
Lehrer der Hochſchule, anders zu behandeln iſt als ein
menſchenfreſſender Südſeeinſulaner, verſteht ſich wohl
von ſelbſt. Man behandelt ja auch einen ſechzehnjährigen
Gymnaſiaſten anders als ein ſechsjähriges Kind; und
wiederum, von einem Gymnaſialprofeſſor fordert man
anderes als von einer Kindergärtnerin. Nicht jeder
Miſſionar, der für Afrika vortrefflich paßt, iſt auch in
Japan zu gebrauchen, während ich andererſeits wieder
der ehrlichen Überzeugung bin, daß wenige von denen,
die ich in Japan kennen lernte, in Afrika recht an ihrem
Platze wären.
Man macht ſich hierzulande kaum einen Begriff,
welche Anſprüche an das Wiſſen eines Miſſionars in
Japan geſtellt werden. Wollten unſere Miſſionsgeſell-
ſchaften nur Leute ausſenden, welche mit Bezug auf
wiſſenſchaftliche Qualifikation allen Anforderungen voll
und ganz entſprächen, ſie könnten lange ſuchen. Der
Japaner iſt mitunter zu naiv. Er iſt im ſtande zu
denken: „Der Miſſionar iſt ja ein Europäer, oder er
iſt gar ein Deutſcher; er hat eine deutſche Hochſchule
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Munzinger, Carl: Die Japaner. Berlin, 1898, S. [302]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/munzinger_japaner_1898/316>, abgerufen am 21.11.2024.
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