Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772.

Bild:
<< vorherige Seite



"dem Aufrichtigen gelingen. Wohl dem Menschen in
"des Geist kein Falsch ist! Nur lerne dich in deinem
"Verderben recht fühlen, und komme als ein verfluch-
"ter Sünder, zu dem, der auch für dich ein Fluch
"geworden ist. Dein Vater und ich werden fortfahren
"für dich um Erbarmung zu Gott zu schreyen, und
"ich ins besondere verharre deine schmerzlich betrübte
"Mutter. " Rendsburg d. 17 März 1772.

Der Herr Probst Hee kam heute wieder zu dem
Grafen, und brachte ihm die Nachricht, daß sich der
Graf Brandt sehr über seine Bekehrung erfreue, daß er
mit ihm allein in der Religion Trost suche, daß er nie
das Gefühl derselben gänzlich verlohren gehabt habe, und
ihm von ganzen Herzen seine Schuld an seinem Unglücke
vergebe. Graf Struensee antwortete mit vieler Rüh-
rung, und der Herr Probst Hee nahm mit einem christ-
lichen Wunsche von ihm Abschied.

Achtzehende Unterredung, den 31sten März.

Der Graf Struensee hatte schon, wie meine Lesern sich
erinnern werden, die Lehre von der Versöhnung der
Welt duch Christum angenommen, und war also ein
Christ. Er war auch völlig geneigt, die übrigen mit
dieser Lehre verbundenen Geheimnisse der Religion für
göttliche Wahrheiten zu erkennen: ich hielt es aber doch
für meine Pflicht ihm die Vernunftmäßigkeit und den
Nutzen derselben zu zeigen, damit ihn keine Zweifel dar-
über beunruhigen, und er sie mit desto gegründeterm
Beyfall annehmen möchte. Jch machte in dieser Absicht
zuerst folgende allgemeine Anmerkungen über die Geheim-
nisse der Religion.

Hat
K 4



“dem Aufrichtigen gelingen. Wohl dem Menſchen in
“des Geiſt kein Falſch iſt! Nur lerne dich in deinem
“Verderben recht fuͤhlen, und komme als ein verfluch-
“ter Suͤnder, zu dem, der auch fuͤr dich ein Fluch
“geworden iſt. Dein Vater und ich werden fortfahren
“fuͤr dich um Erbarmung zu Gott zu ſchreyen, und
“ich ins beſondere verharre deine ſchmerzlich betruͤbte
“Mutter. „ Rendsburg d. 17 Maͤrz 1772.

Der Herr Probſt Hee kam heute wieder zu dem
Grafen, und brachte ihm die Nachricht, daß ſich der
Graf Brandt ſehr uͤber ſeine Bekehrung erfreue, daß er
mit ihm allein in der Religion Troſt ſuche, daß er nie
das Gefuͤhl derſelben gaͤnzlich verlohren gehabt habe, und
ihm von ganzen Herzen ſeine Schuld an ſeinem Ungluͤcke
vergebe. Graf Struenſee antwortete mit vieler Ruͤh-
rung, und der Herr Probſt Hee nahm mit einem chriſt-
lichen Wunſche von ihm Abſchied.

Achtzehende Unterredung, den 31ſten Maͤrz.

Der Graf Struenſee hatte ſchon, wie meine Leſern ſich
erinnern werden, die Lehre von der Verſoͤhnung der
Welt duch Chriſtum angenommen, und war alſo ein
Chriſt. Er war auch voͤllig geneigt, die uͤbrigen mit
dieſer Lehre verbundenen Geheimniſſe der Religion fuͤr
goͤttliche Wahrheiten zu erkennen: ich hielt es aber doch
fuͤr meine Pflicht ihm die Vernunftmaͤßigkeit und den
Nutzen derſelben zu zeigen, damit ihn keine Zweifel dar-
uͤber beunruhigen, und er ſie mit deſto gegruͤndeterm
Beyfall annehmen moͤchte. Jch machte in dieſer Abſicht
zuerſt folgende allgemeine Anmerkungen uͤber die Geheim-
niſſe der Religion.

Hat
K 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0163" n="151"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
&#x201C;dem Aufrichtigen gelingen. Wohl dem Men&#x017F;chen in<lb/>
&#x201C;des Gei&#x017F;t kein Fal&#x017F;ch i&#x017F;t! Nur lerne dich in deinem<lb/>
&#x201C;Verderben recht fu&#x0364;hlen, und komme als ein verfluch-<lb/>
&#x201C;ter Su&#x0364;nder, zu dem, der auch fu&#x0364;r dich ein Fluch<lb/>
&#x201C;geworden i&#x017F;t. Dein Vater und ich werden fortfahren<lb/>
&#x201C;fu&#x0364;r dich um Erbarmung zu Gott zu &#x017F;chreyen, und<lb/>
&#x201C;ich ins be&#x017F;ondere verharre deine &#x017F;chmerzlich betru&#x0364;bte<lb/>
&#x201C;Mutter. &#x201E; Rendsburg d. 17 Ma&#x0364;rz 1772.</p><lb/>
        <p>Der Herr Prob&#x017F;t Hee kam heute wieder zu dem<lb/>
Grafen, und brachte ihm die Nachricht, daß &#x017F;ich der<lb/>
Graf Brandt &#x017F;ehr u&#x0364;ber &#x017F;eine Bekehrung erfreue, daß er<lb/>
mit ihm allein in der Religion Tro&#x017F;t &#x017F;uche, daß er nie<lb/>
das Gefu&#x0364;hl der&#x017F;elben ga&#x0364;nzlich verlohren gehabt habe, und<lb/>
ihm von ganzen Herzen &#x017F;eine Schuld an &#x017F;einem Unglu&#x0364;cke<lb/>
vergebe. Graf Struen&#x017F;ee antwortete mit vieler Ru&#x0364;h-<lb/>
rung, und der Herr Prob&#x017F;t Hee nahm mit einem chri&#x017F;t-<lb/>
lichen Wun&#x017F;che von ihm Ab&#x017F;chied.</p>
      </div><lb/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Achtzehende Unterredung, den 31&#x017F;ten Ma&#x0364;rz.</hi> </head><lb/>
        <p><hi rendition="#in">D</hi>er Graf Struen&#x017F;ee hatte &#x017F;chon, wie meine Le&#x017F;ern &#x017F;ich<lb/>
erinnern werden, die Lehre von der Ver&#x017F;o&#x0364;hnung der<lb/>
Welt duch Chri&#x017F;tum angenommen, und war al&#x017F;o ein<lb/>
Chri&#x017F;t. Er war auch vo&#x0364;llig geneigt, die u&#x0364;brigen mit<lb/>
die&#x017F;er Lehre verbundenen Geheimni&#x017F;&#x017F;e der Religion fu&#x0364;r<lb/>
go&#x0364;ttliche Wahrheiten zu erkennen: ich hielt es aber doch<lb/>
fu&#x0364;r meine Pflicht ihm die Vernunftma&#x0364;ßigkeit und den<lb/>
Nutzen der&#x017F;elben zu zeigen, damit ihn keine Zweifel dar-<lb/>
u&#x0364;ber beunruhigen, und er &#x017F;ie mit de&#x017F;to gegru&#x0364;ndeterm<lb/>
Beyfall annehmen mo&#x0364;chte. Jch machte in die&#x017F;er Ab&#x017F;icht<lb/>
zuer&#x017F;t folgende allgemeine Anmerkungen u&#x0364;ber die Geheim-<lb/>
ni&#x017F;&#x017F;e der Religion.</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="sig">K 4</fw>
        <fw place="bottom" type="catch">Hat</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[151/0163] “dem Aufrichtigen gelingen. Wohl dem Menſchen in “des Geiſt kein Falſch iſt! Nur lerne dich in deinem “Verderben recht fuͤhlen, und komme als ein verfluch- “ter Suͤnder, zu dem, der auch fuͤr dich ein Fluch “geworden iſt. Dein Vater und ich werden fortfahren “fuͤr dich um Erbarmung zu Gott zu ſchreyen, und “ich ins beſondere verharre deine ſchmerzlich betruͤbte “Mutter. „ Rendsburg d. 17 Maͤrz 1772. Der Herr Probſt Hee kam heute wieder zu dem Grafen, und brachte ihm die Nachricht, daß ſich der Graf Brandt ſehr uͤber ſeine Bekehrung erfreue, daß er mit ihm allein in der Religion Troſt ſuche, daß er nie das Gefuͤhl derſelben gaͤnzlich verlohren gehabt habe, und ihm von ganzen Herzen ſeine Schuld an ſeinem Ungluͤcke vergebe. Graf Struenſee antwortete mit vieler Ruͤh- rung, und der Herr Probſt Hee nahm mit einem chriſt- lichen Wunſche von ihm Abſchied. Achtzehende Unterredung, den 31ſten Maͤrz. Der Graf Struenſee hatte ſchon, wie meine Leſern ſich erinnern werden, die Lehre von der Verſoͤhnung der Welt duch Chriſtum angenommen, und war alſo ein Chriſt. Er war auch voͤllig geneigt, die uͤbrigen mit dieſer Lehre verbundenen Geheimniſſe der Religion fuͤr goͤttliche Wahrheiten zu erkennen: ich hielt es aber doch fuͤr meine Pflicht ihm die Vernunftmaͤßigkeit und den Nutzen derſelben zu zeigen, damit ihn keine Zweifel dar- uͤber beunruhigen, und er ſie mit deſto gegruͤndeterm Beyfall annehmen moͤchte. Jch machte in dieſer Abſicht zuerſt folgende allgemeine Anmerkungen uͤber die Geheim- niſſe der Religion. Hat K 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/muenter_bekehren_1772
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/muenter_bekehren_1772/163
Zitationshilfe: Münter, Balthasar: Bekehrungsgeschichte des vormaligen Grafen [...] Johann Friederich Struensee. Kopenhagen, 1772, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/muenter_bekehren_1772/163>, abgerufen am 21.12.2024.