Müller, Wilhelm: Sieben und siebzig Gedichte aus den hinterlassenen Papieren eines reisenden Waldhornisten. Dessau, 1821.Morgengruß. Guten Morgen, schöne Müllerin! Wo steckst du gleich das Köpfchen hin, Als wär' dir was geschehen? Verdrießt dich denn mein Gruß so schwer? Verstört dich denn mein Blick so sehr? So muß ich wieder gehen. O laß mich nur von ferne stehn, Nach deinem lieben Fenster sehn, Von ferne, ganz von ferne! Du blondes Köpfchen, komm hervor! Hervor aus eurem runden Thor, Ihr blauen Morgensterne! Ihr schlummertrunknen Aeugelein,
Ihr thaubetrübten Blümelein, Was scheuet ihr die Sonne? Hat es die Nacht so gut gemeint, Daß ihr euch schließt und bückt und weint, Nach ihrer stillen Wonne? Morgengruß. Guten Morgen, ſchoͤne Muͤllerin! Wo ſteckſt du gleich das Koͤpfchen hin, Als waͤr' dir was geſchehen? Verdrießt dich denn mein Gruß ſo ſchwer? Verſtoͤrt dich denn mein Blick ſo ſehr? So muß ich wieder gehen. O laß mich nur von ferne ſtehn, Nach deinem lieben Fenſter ſehn, Von ferne, ganz von ferne! Du blondes Koͤpfchen, komm hervor! Hervor aus eurem runden Thor, Ihr blauen Morgenſterne! Ihr ſchlummertrunknen Aeugelein,
Ihr thaubetruͤbten Bluͤmelein, Was ſcheuet ihr die Sonne? Hat es die Nacht ſo gut gemeint, Daß ihr euch ſchließt und buͤckt und weint, Nach ihrer ſtillen Wonne? <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0034" n="22"/> </div> <div n="2"> <head> <hi rendition="#g">Morgengruß.</hi><lb/> </head> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l><hi rendition="#in">G</hi>uten Morgen, ſchoͤne Muͤllerin!</l><lb/> <l>Wo ſteckſt du gleich das Koͤpfchen hin,</l><lb/> <l>Als waͤr' dir was geſchehen?</l><lb/> <l>Verdrießt dich denn mein Gruß ſo ſchwer?</l><lb/> <l>Verſtoͤrt dich denn mein Blick ſo ſehr?</l><lb/> <l>So muß ich wieder gehen.</l><lb/> </lg> <lg n="2"> <l>O laß mich nur von ferne ſtehn,</l><lb/> <l>Nach deinem lieben Fenſter ſehn,</l><lb/> <l>Von ferne, ganz von ferne!</l><lb/> <l>Du blondes Koͤpfchen, komm hervor!</l><lb/> <l>Hervor aus eurem runden Thor,</l><lb/> <l>Ihr blauen Morgenſterne!</l><lb/> </lg> <lg n="3"> <l>Ihr ſchlummertrunknen Aeugelein,</l><lb/> <l>Ihr thaubetruͤbten Bluͤmelein,</l><lb/> <l>Was ſcheuet ihr die Sonne?</l><lb/> <l>Hat es die Nacht ſo gut gemeint,</l><lb/> <l>Daß ihr euch ſchließt und buͤckt und weint,</l><lb/> <l>Nach ihrer ſtillen Wonne?</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [22/0034]
Morgengruß.
Guten Morgen, ſchoͤne Muͤllerin!
Wo ſteckſt du gleich das Koͤpfchen hin,
Als waͤr' dir was geſchehen?
Verdrießt dich denn mein Gruß ſo ſchwer?
Verſtoͤrt dich denn mein Blick ſo ſehr?
So muß ich wieder gehen.
O laß mich nur von ferne ſtehn,
Nach deinem lieben Fenſter ſehn,
Von ferne, ganz von ferne!
Du blondes Koͤpfchen, komm hervor!
Hervor aus eurem runden Thor,
Ihr blauen Morgenſterne!
Ihr ſchlummertrunknen Aeugelein,
Ihr thaubetruͤbten Bluͤmelein,
Was ſcheuet ihr die Sonne?
Hat es die Nacht ſo gut gemeint,
Daß ihr euch ſchließt und buͤckt und weint,
Nach ihrer ſtillen Wonne?
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Zitationshilfe: | Müller, Wilhelm: Sieben und siebzig Gedichte aus den hinterlassenen Papieren eines reisenden Waldhornisten. Dessau, 1821, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_waldhornist_1821/34>, abgerufen am 23.02.2025. |