Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Müller, Wilhelm: Sieben und siebzig Gedichte aus den hinterlassenen Papieren eines reisenden Waldhornisten. Dessau, 1821.

Bild:
<< vorherige Seite
Des Finken Abschied.

Es saß ein Fink auf grünem Zweig,
Der war so frisch und blätterreich,
Und sang wohl Dies und Jenes:
Durch Lenz und Sommer und Herbst er sang,
Hätt' da gesungen sein Lebelang,
Wär' nicht der Winter kommen.
Der Winter kam mit Saus und Braus:
"Ihr Müßiggänger, zum Reich heraus,
"Ihr Flattrer und Sänger und Horcher!
"Herab vom Baum, du grünes Blatt!
"Zum Bauen und zum Brennen hat
"Der Herr das Holz erschaffen."
Da geht im Hain das Schütteln los,
Und flugs steht Alles blank und bloß,
Bis auf den Zweig des Finken.
Jetzt, naseweises Vöglein, flieh!
Mit solcher Staatsökonomie
Da ist nicht viel zu spaßen.
Des Finken Abſchied.

Es ſaß ein Fink auf gruͤnem Zweig,
Der war ſo friſch und blaͤtterreich,
Und ſang wohl Dies und Jenes:
Durch Lenz und Sommer und Herbſt er ſang,
Haͤtt' da geſungen ſein Lebelang,
Waͤr' nicht der Winter kommen.
Der Winter kam mit Saus und Braus:
„Ihr Muͤßiggaͤnger, zum Reich heraus,
„Ihr Flattrer und Saͤnger und Horcher!
„Herab vom Baum, du gruͤnes Blatt!
„Zum Bauen und zum Brennen hat
„Der Herr das Holz erſchaffen.“
Da geht im Hain das Schuͤtteln los,
Und flugs ſteht Alles blank und bloß,
Bis auf den Zweig des Finken.
Jetzt, naſeweiſes Voͤglein, flieh!
Mit ſolcher Staatsoͤkonomie
Da iſt nicht viel zu ſpaßen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0168" n="156"/>
        </div>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#g">Des Finken Ab&#x017F;chied.</hi><lb/>
          </head>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l><hi rendition="#in">E</hi>s &#x017F;aß ein Fink auf gru&#x0364;nem Zweig,</l><lb/>
              <l>Der war &#x017F;o fri&#x017F;ch und bla&#x0364;tterreich,</l><lb/>
              <l>Und &#x017F;ang wohl Dies und Jenes:</l><lb/>
              <l>Durch Lenz und Sommer und Herb&#x017F;t er &#x017F;ang,</l><lb/>
              <l>Ha&#x0364;tt' da ge&#x017F;ungen &#x017F;ein Lebelang,</l><lb/>
              <l>Wa&#x0364;r' nicht der Winter kommen.</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="2">
              <l>Der Winter kam mit Saus und Braus:</l><lb/>
              <l>&#x201E;Ihr Mu&#x0364;ßigga&#x0364;nger, zum Reich heraus,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Ihr Flattrer und Sa&#x0364;nger und Horcher!</l><lb/>
              <l>&#x201E;Herab vom Baum, du gru&#x0364;nes Blatt!</l><lb/>
              <l>&#x201E;Zum Bauen und zum Brennen hat</l><lb/>
              <l>&#x201E;Der Herr das Holz er&#x017F;chaffen.&#x201C;</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="3">
              <l>Da geht im Hain das Schu&#x0364;tteln los,</l><lb/>
              <l>Und flugs &#x017F;teht Alles blank und bloß,</l><lb/>
              <l>Bis auf den Zweig des Finken.</l><lb/>
              <l>Jetzt, na&#x017F;ewei&#x017F;es Vo&#x0364;glein, flieh!</l><lb/>
              <l>Mit &#x017F;olcher Staatso&#x0364;konomie</l><lb/>
              <l>Da i&#x017F;t nicht viel zu &#x017F;paßen.</l><lb/>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[156/0168] Des Finken Abſchied. Es ſaß ein Fink auf gruͤnem Zweig, Der war ſo friſch und blaͤtterreich, Und ſang wohl Dies und Jenes: Durch Lenz und Sommer und Herbſt er ſang, Haͤtt' da geſungen ſein Lebelang, Waͤr' nicht der Winter kommen. Der Winter kam mit Saus und Braus: „Ihr Muͤßiggaͤnger, zum Reich heraus, „Ihr Flattrer und Saͤnger und Horcher! „Herab vom Baum, du gruͤnes Blatt! „Zum Bauen und zum Brennen hat „Der Herr das Holz erſchaffen.“ Da geht im Hain das Schuͤtteln los, Und flugs ſteht Alles blank und bloß, Bis auf den Zweig des Finken. Jetzt, naſeweiſes Voͤglein, flieh! Mit ſolcher Staatsoͤkonomie Da iſt nicht viel zu ſpaßen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_waldhornist_1821
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_waldhornist_1821/168
Zitationshilfe: Müller, Wilhelm: Sieben und siebzig Gedichte aus den hinterlassenen Papieren eines reisenden Waldhornisten. Dessau, 1821, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_waldhornist_1821/168>, abgerufen am 22.12.2024.