Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809.

Bild:
<< vorherige Seite

Gegengewichte gedient haben mag: so würde ich
noch heute, und gewiß nicht ohne Erfolg, einem
jungen, in unedler Schwärmerei und Mystik be-
fangenen Gemüth das Studium des Römischen
Rechtes verschreiben. Dessen ungeachtet -- da
sich in unsern Staaten noch keine Spur von
Mystik, vielmehr die ausschließendste, verderb-
lichste Vorliebe für alles Weltliche, Sächliche
und dem Calcul zu Unterwerfende zeigt -- muß
sich die ganze, echt-republikanische Kraft, und
alles Streben des wahren Gelehrten, dem Rö-
mischen Recht, seiner Schärfe und seiner Con-
sequenz zum Trotz, auf die Seite der geistigen
Anschauung des Rechtes, und auf die Betrachtung
der Gesetzgebungen werfen, die dem Gemüthe
so nahe liegen, wie die Römische dem Verstande,
nehmlich auf die Betrachtung der Mosaischen
Gesetzgebung, des sittlichen Lebens der Griechen,
des Lehnsrechtes, des Kirchenrechtes und der
Sitten der Chevalerie. In allen diesen Gesetz-
gebungen liegen die Elemente des politischen Le-
bens zerstreuet. Wem es um eine vollständige
Anschauung, um eine Idee des Staates und
des Rechtes zu thun ist, der hält sich an alle;
einzeln sind sie nur dem Handwerke brauchbar. --

In den Griechischen Gesetzgebungen tritt das
Staatsrecht besonders ausgebildet hervor; in

Gegengewichte gedient haben mag: ſo wuͤrde ich
noch heute, und gewiß nicht ohne Erfolg, einem
jungen, in unedler Schwaͤrmerei und Myſtik be-
fangenen Gemuͤth das Studium des Roͤmiſchen
Rechtes verſchreiben. Deſſen ungeachtet — da
ſich in unſern Staaten noch keine Spur von
Myſtik, vielmehr die ausſchließendſte, verderb-
lichſte Vorliebe fuͤr alles Weltliche, Saͤchliche
und dem Calcul zu Unterwerfende zeigt — muß
ſich die ganze, echt-republikaniſche Kraft, und
alles Streben des wahren Gelehrten, dem Roͤ-
miſchen Recht, ſeiner Schaͤrfe und ſeiner Con-
ſequenz zum Trotz, auf die Seite der geiſtigen
Anſchauung des Rechtes, und auf die Betrachtung
der Geſetzgebungen werfen, die dem Gemuͤthe
ſo nahe liegen, wie die Roͤmiſche dem Verſtande,
nehmlich auf die Betrachtung der Moſaiſchen
Geſetzgebung, des ſittlichen Lebens der Griechen,
des Lehnsrechtes, des Kirchenrechtes und der
Sitten der Chevalerie. In allen dieſen Geſetz-
gebungen liegen die Elemente des politiſchen Le-
bens zerſtreuet. Wem es um eine vollſtaͤndige
Anſchauung, um eine Idee des Staates und
des Rechtes zu thun iſt, der haͤlt ſich an alle;
einzeln ſind ſie nur dem Handwerke brauchbar. —

In den Griechiſchen Geſetzgebungen tritt das
Staatsrecht beſonders ausgebildet hervor; in

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0064" n="56"/>
Gegengewichte gedient haben mag: &#x017F;o wu&#x0364;rde ich<lb/>
noch heute, und gewiß nicht ohne Erfolg, einem<lb/>
jungen, in unedler Schwa&#x0364;rmerei und My&#x017F;tik be-<lb/>
fangenen Gemu&#x0364;th das Studium des Ro&#x0364;mi&#x017F;chen<lb/>
Rechtes ver&#x017F;chreiben. De&#x017F;&#x017F;en ungeachtet &#x2014; da<lb/>
&#x017F;ich in un&#x017F;ern Staaten noch keine Spur von<lb/>
My&#x017F;tik, vielmehr die aus&#x017F;chließend&#x017F;te, verderb-<lb/>
lich&#x017F;te Vorliebe fu&#x0364;r alles Weltliche, Sa&#x0364;chliche<lb/>
und dem Calcul zu Unterwerfende zeigt &#x2014; muß<lb/>
&#x017F;ich die ganze, echt-republikani&#x017F;che Kraft, und<lb/>
alles Streben des wahren Gelehrten, dem Ro&#x0364;-<lb/>
mi&#x017F;chen Recht, &#x017F;einer Scha&#x0364;rfe und &#x017F;einer Con-<lb/>
&#x017F;equenz zum Trotz, auf die Seite der gei&#x017F;tigen<lb/>
An&#x017F;chauung des Rechtes, und auf die Betrachtung<lb/>
der Ge&#x017F;etzgebungen werfen, die dem Gemu&#x0364;the<lb/>
&#x017F;o nahe liegen, wie die Ro&#x0364;mi&#x017F;che dem Ver&#x017F;tande,<lb/>
nehmlich auf die Betrachtung der Mo&#x017F;ai&#x017F;chen<lb/>
Ge&#x017F;etzgebung, des &#x017F;ittlichen Lebens der Griechen,<lb/>
des Lehnsrechtes, des Kirchenrechtes und der<lb/>
Sitten der Chevalerie. In allen die&#x017F;en Ge&#x017F;etz-<lb/>
gebungen liegen die Elemente des politi&#x017F;chen Le-<lb/>
bens zer&#x017F;treuet. Wem es um eine voll&#x017F;ta&#x0364;ndige<lb/>
An&#x017F;chauung, um eine Idee des Staates und<lb/>
des Rechtes zu thun i&#x017F;t, der ha&#x0364;lt &#x017F;ich an <hi rendition="#g">alle</hi>;<lb/>
einzeln &#x017F;ind &#x017F;ie nur dem Handwerke brauchbar. &#x2014;</p><lb/>
            <p>In den Griechi&#x017F;chen Ge&#x017F;etzgebungen tritt das<lb/>
Staatsrecht be&#x017F;onders ausgebildet hervor; in<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[56/0064] Gegengewichte gedient haben mag: ſo wuͤrde ich noch heute, und gewiß nicht ohne Erfolg, einem jungen, in unedler Schwaͤrmerei und Myſtik be- fangenen Gemuͤth das Studium des Roͤmiſchen Rechtes verſchreiben. Deſſen ungeachtet — da ſich in unſern Staaten noch keine Spur von Myſtik, vielmehr die ausſchließendſte, verderb- lichſte Vorliebe fuͤr alles Weltliche, Saͤchliche und dem Calcul zu Unterwerfende zeigt — muß ſich die ganze, echt-republikaniſche Kraft, und alles Streben des wahren Gelehrten, dem Roͤ- miſchen Recht, ſeiner Schaͤrfe und ſeiner Con- ſequenz zum Trotz, auf die Seite der geiſtigen Anſchauung des Rechtes, und auf die Betrachtung der Geſetzgebungen werfen, die dem Gemuͤthe ſo nahe liegen, wie die Roͤmiſche dem Verſtande, nehmlich auf die Betrachtung der Moſaiſchen Geſetzgebung, des ſittlichen Lebens der Griechen, des Lehnsrechtes, des Kirchenrechtes und der Sitten der Chevalerie. In allen dieſen Geſetz- gebungen liegen die Elemente des politiſchen Le- bens zerſtreuet. Wem es um eine vollſtaͤndige Anſchauung, um eine Idee des Staates und des Rechtes zu thun iſt, der haͤlt ſich an alle; einzeln ſind ſie nur dem Handwerke brauchbar. — In den Griechiſchen Geſetzgebungen tritt das Staatsrecht beſonders ausgebildet hervor; in

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst02_1809
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst02_1809/64
Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst02_1809/64>, abgerufen am 26.04.2024.