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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809.

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befördern und den inneren Verband der Staaten
zu befestigen.

Ich habe oben hinreichend bewiesen, daß die-
ser permanente Hintergrund des Krieges allen
Staaten zu ihrer Entwickelung und Erhaltung
nothwendig ist, daß neben dem Staate nothwen-
dig wieder andre Staaten stehen müssen, damit
auch hier noch unendliche Gegenseitigkeit und Par-
theiung möglich sey. Jeder Staat wird zum gro-
ßen Europäischen Gemeinwesen sich wieder ver-
halten, wie die einzelne Zunft zur Stadt. Jeder
Staat, nach Maßgabe seiner Localität und sei-
ner Bewohner, prägt die große, allen gemein-
schaftliche, Idee des Rechtes auf seine Weise aus;
und damit auch Europa, die große Stadt, in
dem Geschäft ihrer inneren Organisation nie ra-
ste, hat das Schicksal sie allenthalben, beson-
ders gegen Osten hin, mit Barbaren und fern
drohenden Völkerwanderungen umstellt, ja in ih-
rem Innern, unter der Maske des Rechts, ein
viel furchtbareres Faustrecht sich bilden lassen,
als jenes durch Religion, Sitte, Treue und Che-
valerie gemilderte des Mittelalters. Unser Frie-
denstraum, unser Wahn von einem rechtlichen
Zustande ist uns theuer zu stehen gekommen; wir
haben das lebendige Recht und den lebendigen
Frieden dafür hingegeben: indeß geschieht alles

befoͤrdern und den inneren Verband der Staaten
zu befeſtigen.

Ich habe oben hinreichend bewieſen, daß die-
ſer permanente Hintergrund des Krieges allen
Staaten zu ihrer Entwickelung und Erhaltung
nothwendig iſt, daß neben dem Staate nothwen-
dig wieder andre Staaten ſtehen muͤſſen, damit
auch hier noch unendliche Gegenſeitigkeit und Par-
theiung moͤglich ſey. Jeder Staat wird zum gro-
ßen Europaͤiſchen Gemeinweſen ſich wieder ver-
halten, wie die einzelne Zunft zur Stadt. Jeder
Staat, nach Maßgabe ſeiner Localitaͤt und ſei-
ner Bewohner, praͤgt die große, allen gemein-
ſchaftliche, Idee des Rechtes auf ſeine Weiſe aus;
und damit auch Europa, die große Stadt, in
dem Geſchaͤft ihrer inneren Organiſation nie ra-
ſte, hat das Schickſal ſie allenthalben, beſon-
ders gegen Oſten hin, mit Barbaren und fern
drohenden Voͤlkerwanderungen umſtellt, ja in ih-
rem Innern, unter der Maske des Rechts, ein
viel furchtbareres Fauſtrecht ſich bilden laſſen,
als jenes durch Religion, Sitte, Treue und Che-
valerie gemilderte des Mittelalters. Unſer Frie-
denstraum, unſer Wahn von einem rechtlichen
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[146/0154] befoͤrdern und den inneren Verband der Staaten zu befeſtigen. Ich habe oben hinreichend bewieſen, daß die- ſer permanente Hintergrund des Krieges allen Staaten zu ihrer Entwickelung und Erhaltung nothwendig iſt, daß neben dem Staate nothwen- dig wieder andre Staaten ſtehen muͤſſen, damit auch hier noch unendliche Gegenſeitigkeit und Par- theiung moͤglich ſey. Jeder Staat wird zum gro- ßen Europaͤiſchen Gemeinweſen ſich wieder ver- halten, wie die einzelne Zunft zur Stadt. Jeder Staat, nach Maßgabe ſeiner Localitaͤt und ſei- ner Bewohner, praͤgt die große, allen gemein- ſchaftliche, Idee des Rechtes auf ſeine Weiſe aus; und damit auch Europa, die große Stadt, in dem Geſchaͤft ihrer inneren Organiſation nie ra- ſte, hat das Schickſal ſie allenthalben, beſon- ders gegen Oſten hin, mit Barbaren und fern drohenden Voͤlkerwanderungen umſtellt, ja in ih- rem Innern, unter der Maske des Rechts, ein viel furchtbareres Fauſtrecht ſich bilden laſſen, als jenes durch Religion, Sitte, Treue und Che- valerie gemilderte des Mittelalters. Unſer Frie- denstraum, unſer Wahn von einem rechtlichen Zuſtande iſt uns theuer zu ſtehen gekommen; wir haben das lebendige Recht und den lebendigen Frieden dafuͤr hingegeben: indeß geſchieht alles

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Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst02_1809/154>, abgerufen am 26.04.2024.