Daß es den politischen Systemen unserer Zeit an Bewegung mangle, und daher die Theorie mit der Praxis in Widerspruch sey.
Die Zusammensetzung eines Staates ist et- was so Großes, Mannichfaltiges und Unergründ- liches, daß die Eilfertigkeit und der Leichtsinn, womit das Studium desselben gegenwärtig, be- sonders in Deutschland, getrieben wird, billig be- fremden muß. Käme es bloß darauf an, die äußere Maschinerie, das Gerüst des erhabenen, nie zu vollendenden Baues zu beobachten und zu kennen, so möchte immerhin ein geübtes Auge, eine gewisse leicht zu gewinnende Fertigkeit in Einsammlung von Kenntnissen, auch ein gutes Gedächtniß hinreichen, einen Meister der Staats- kunde zu Stande zu bringen. Aber wer nennt den Staat eine Maschine, und seine Glieder todtes Räderwerk! wer vergleicht ihn mit einem Bau, und seine zarten empfindlichen Bestandtheile
Erſte Vorleſung.
Daß es den politiſchen Syſtemen unſerer Zeit an Bewegung mangle, und daher die Theorie mit der Praxis in Widerſpruch ſey.
Die Zuſammenſetzung eines Staates iſt et- was ſo Großes, Mannichfaltiges und Unergruͤnd- liches, daß die Eilfertigkeit und der Leichtſinn, womit das Studium deſſelben gegenwaͤrtig, be- ſonders in Deutſchland, getrieben wird, billig be- fremden muß. Kaͤme es bloß darauf an, die aͤußere Maſchinerie, das Geruͤſt des erhabenen, nie zu vollendenden Baues zu beobachten und zu kennen, ſo moͤchte immerhin ein geuͤbtes Auge, eine gewiſſe leicht zu gewinnende Fertigkeit in Einſammlung von Kenntniſſen, auch ein gutes Gedaͤchtniß hinreichen, einen Meiſter der Staats- kunde zu Stande zu bringen. Aber wer nennt den Staat eine Maſchine, und ſeine Glieder todtes Raͤderwerk! wer vergleicht ihn mit einem Bau, und ſeine zarten empfindlichen Beſtandtheile
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0037"n="[3]"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="3"><head><hirendition="#b"><hirendition="#g">Erſte Vorleſung</hi>.</hi></head><lb/><argument><p><hirendition="#c">Daß es den politiſchen Syſtemen unſerer Zeit an Bewegung<lb/>
mangle, und daher die Theorie mit der Praxis in<lb/>
Widerſpruch ſey.</hi></p></argument><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p><hirendition="#in">D</hi>ie Zuſammenſetzung eines Staates iſt et-<lb/>
was ſo Großes, Mannichfaltiges und Unergruͤnd-<lb/>
liches, daß die Eilfertigkeit und der Leichtſinn,<lb/>
womit das Studium deſſelben gegenwaͤrtig, be-<lb/>ſonders in Deutſchland, getrieben wird, billig be-<lb/>
fremden muß. Kaͤme es bloß darauf an, die<lb/>
aͤußere Maſchinerie, das Geruͤſt des erhabenen,<lb/>
nie zu vollendenden Baues zu beobachten und zu<lb/>
kennen, ſo moͤchte immerhin ein geuͤbtes Auge,<lb/>
eine gewiſſe leicht zu gewinnende Fertigkeit in<lb/>
Einſammlung von Kenntniſſen, auch ein gutes<lb/>
Gedaͤchtniß hinreichen, einen Meiſter der <choice><sic>Staats<lb/>
kunde</sic><corr>Staats-<lb/>
kunde</corr></choice> zu Stande zu bringen. Aber wer nennt<lb/>
den Staat eine Maſchine, und ſeine Glieder<lb/>
todtes Raͤderwerk! wer vergleicht ihn mit einem<lb/>
Bau, und ſeine zarten empfindlichen Beſtandtheile<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[[3]/0037]
Erſte Vorleſung.
Daß es den politiſchen Syſtemen unſerer Zeit an Bewegung
mangle, und daher die Theorie mit der Praxis in
Widerſpruch ſey.
Die Zuſammenſetzung eines Staates iſt et-
was ſo Großes, Mannichfaltiges und Unergruͤnd-
liches, daß die Eilfertigkeit und der Leichtſinn,
womit das Studium deſſelben gegenwaͤrtig, be-
ſonders in Deutſchland, getrieben wird, billig be-
fremden muß. Kaͤme es bloß darauf an, die
aͤußere Maſchinerie, das Geruͤſt des erhabenen,
nie zu vollendenden Baues zu beobachten und zu
kennen, ſo moͤchte immerhin ein geuͤbtes Auge,
eine gewiſſe leicht zu gewinnende Fertigkeit in
Einſammlung von Kenntniſſen, auch ein gutes
Gedaͤchtniß hinreichen, einen Meiſter der Staats-
kunde zu Stande zu bringen. Aber wer nennt
den Staat eine Maſchine, und ſeine Glieder
todtes Raͤderwerk! wer vergleicht ihn mit einem
Bau, und ſeine zarten empfindlichen Beſtandtheile
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809, S. [3]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809/37>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.