Wir haben hier noch eine andere Eintheilung der Bürger Sparta's zu erwähnen, welche den Unter- schied des Ranges betrifft. Zwar sind in gewisser Hin- sicht alle Dorier an Recht und Würde gleich, aber es gab doch mannigfache Abstufungen, die, wenn sie sich einmal gebildet hatten, der aristokratische Sinn der Nation festhielt. Erstens das durch die gesammte Na- tion vorherrschende Ansehn der Heraklidengeschlechter 1, und damit zusammenhängend ein gewisser Vorzug der Hyllischen Phyle, der sich auch bei Pindar ausspricht. Dann werden in den Zeiten des Peloponnesischen Krie- ges öfter "Männer vom ersten Range" zu Sparta er- wähnt, die auch, ohne Magistrate zu sein, bedeuten- den Einfluß auf den Staat üben 2. Besonders aber kommt hier der Unterschied der Gleichen (Omoioi) und Geringern (pomeiones) in Betracht, der den Ausdrücken selbst nach nicht sehr bedeutend war, und nie bei Darstellung der Lykurgischen Verfassung ange- geben wird, aber doch später nicht ohne Einwirkung auf die Verfassung blieb. Nach Demosthenes 3 erlangte, wer zum Geron erwählt wurde, der Tugend Preis, indem er des Staates Herr wurde mit den Gleichen. Wer eine bürgerliche Pflicht verletzte, verlor nach Xe- nophon 4 seinen Rang unter den Gleichen. Kinadon wollte den Staat umwälzen, weil er nicht, obgleich von starkem und thätigem Geiste, zu den Gleichen ge-
1 Doch hatten sie in Sp. kein wesentliches Vorrecht, Plut. Lys. 24.
2 oi protoi andres Thuk. 4, 108. 5, 15. aristot Plut. Lys. 30. Die kaloi kagathoi bei Aristot. Pol. 2, 9. sind überhaupt Leute von Auszeichnung; es kann folche allerdings auch unter den Periöken geben, Xen. Hell. 5, 3, 9., die aber doch in jener Stelle des Aristot. nicht in Betracht kommen.
3 Leptin. S. 489 R. vgl. Wolf.
4 Staat der Lak. 10, 7.
6 *
7.
Wir haben hier noch eine andere Eintheilung der Buͤrger Sparta’s zu erwaͤhnen, welche den Unter- ſchied des Ranges betrifft. Zwar ſind in gewiſſer Hin- ſicht alle Dorier an Recht und Wuͤrde gleich, aber es gab doch mannigfache Abſtufungen, die, wenn ſie ſich einmal gebildet hatten, der ariſtokratiſche Sinn der Nation feſthielt. Erſtens das durch die geſammte Na- tion vorherrſchende Anſehn der Heraklidengeſchlechter 1, und damit zuſammenhaͤngend ein gewiſſer Vorzug der Hylliſchen Phyle, der ſich auch bei Pindar ausſpricht. Dann werden in den Zeiten des Peloponneſiſchen Krie- ges oͤfter “Maͤnner vom erſten Range” zu Sparta er- waͤhnt, die auch, ohne Magiſtrate zu ſein, bedeuten- den Einfluß auf den Staat uͤben 2. Beſonders aber kommt hier der Unterſchied der Gleichen (Ὅμοιοι) und Geringern (̔πομείονες) in Betracht, der den Ausdruͤcken ſelbſt nach nicht ſehr bedeutend war, und nie bei Darſtellung der Lykurgiſchen Verfaſſung ange- geben wird, aber doch ſpaͤter nicht ohne Einwirkung auf die Verfaſſung blieb. Nach Demoſthenes 3 erlangte, wer zum Geron erwaͤhlt wurde, der Tugend Preis, indem er des Staates Herr wurde mit den Gleichen. Wer eine buͤrgerliche Pflicht verletzte, verlor nach Xe- nophon 4 ſeinen Rang unter den Gleichen. Kinadon wollte den Staat umwaͤlzen, weil er nicht, obgleich von ſtarkem und thaͤtigem Geiſte, zu den Gleichen ge-
1 Doch hatten ſie in Sp. kein weſentliches Vorrecht, Plut. Lyſ. 24.
2 οἱ πϱῶτοι ἄνδϱες Thuk. 4, 108. 5, 15. ἄϱιστοτ Plut. Lyſ. 30. Die καλοὶ καγαϑοὶ bei Ariſtot. Pol. 2, 9. ſind uͤberhaupt Leute von Auszeichnung; es kann folche allerdings auch unter den Perioͤken geben, Xen. Hell. 5, 3, 9., die aber doch in jener Stelle des Ariſtot. nicht in Betracht kommen.
3 Leptin. S. 489 R. vgl. Wolf.
4 Staat der Lak. 10, 7.
6 *
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0089"n="83"/><divn="3"><head>7.</head><lb/><p>Wir haben hier noch eine andere Eintheilung<lb/>
der Buͤrger Sparta’s zu erwaͤhnen, welche den Unter-<lb/>ſchied des Ranges betrifft. Zwar ſind in gewiſſer Hin-<lb/>ſicht alle Dorier an Recht und Wuͤrde gleich, aber es<lb/>
gab doch mannigfache Abſtufungen, die, wenn ſie ſich<lb/>
einmal gebildet hatten, der ariſtokratiſche Sinn der<lb/>
Nation feſthielt. Erſtens das durch die geſammte Na-<lb/>
tion vorherrſchende Anſehn der Heraklidengeſchlechter <noteplace="foot"n="1">Doch hatten ſie in Sp. kein weſentliches Vorrecht, Plut.<lb/>
Lyſ. 24.</note>,<lb/>
und damit zuſammenhaͤngend ein gewiſſer Vorzug der<lb/>
Hylliſchen Phyle, der ſich auch bei Pindar ausſpricht.<lb/>
Dann werden in den Zeiten des Peloponneſiſchen Krie-<lb/>
ges oͤfter “Maͤnner vom erſten Range” zu Sparta er-<lb/>
waͤhnt, die auch, ohne Magiſtrate zu ſein, bedeuten-<lb/>
den Einfluß auf den Staat uͤben <noteplace="foot"n="2">οἱπϱῶτοιἄνδϱες Thuk. 4, 108. 5, 15. ἄϱιστοτ<lb/>
Plut. Lyſ. 30. Die καλοὶκαγαϑοὶ bei Ariſtot. Pol. 2, 9. ſind<lb/>
uͤberhaupt Leute von Auszeichnung; es kann folche allerdings auch<lb/>
unter den Perioͤken geben, Xen. Hell. 5, 3, 9., die aber doch in<lb/>
jener Stelle des Ariſtot. nicht in Betracht kommen.</note>. Beſonders aber<lb/>
kommt hier der Unterſchied der <hirendition="#g">Gleichen</hi> (Ὅμοιοι)<lb/>
und <hirendition="#g">Geringern</hi> (̔πομείονες) in Betracht, der den<lb/>
Ausdruͤcken ſelbſt nach nicht ſehr bedeutend war, und<lb/>
nie bei Darſtellung der Lykurgiſchen Verfaſſung ange-<lb/>
geben wird, aber doch ſpaͤter nicht ohne Einwirkung<lb/>
auf die Verfaſſung blieb. Nach Demoſthenes <noteplace="foot"n="3">Leptin.<lb/>
S. 489 R. vgl. Wolf.</note> erlangte,<lb/>
wer zum Geron erwaͤhlt wurde, der Tugend Preis,<lb/>
indem er des Staates Herr wurde mit den Gleichen.<lb/>
Wer eine buͤrgerliche Pflicht verletzte, verlor nach Xe-<lb/>
nophon <noteplace="foot"n="4">Staat der Lak. 10, 7.</note>ſeinen Rang unter den Gleichen. Kinadon<lb/>
wollte den Staat umwaͤlzen, weil er nicht, obgleich<lb/>
von ſtarkem und thaͤtigem Geiſte, zu den Gleichen ge-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">6 *</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[83/0089]
7.
Wir haben hier noch eine andere Eintheilung
der Buͤrger Sparta’s zu erwaͤhnen, welche den Unter-
ſchied des Ranges betrifft. Zwar ſind in gewiſſer Hin-
ſicht alle Dorier an Recht und Wuͤrde gleich, aber es
gab doch mannigfache Abſtufungen, die, wenn ſie ſich
einmal gebildet hatten, der ariſtokratiſche Sinn der
Nation feſthielt. Erſtens das durch die geſammte Na-
tion vorherrſchende Anſehn der Heraklidengeſchlechter 1,
und damit zuſammenhaͤngend ein gewiſſer Vorzug der
Hylliſchen Phyle, der ſich auch bei Pindar ausſpricht.
Dann werden in den Zeiten des Peloponneſiſchen Krie-
ges oͤfter “Maͤnner vom erſten Range” zu Sparta er-
waͤhnt, die auch, ohne Magiſtrate zu ſein, bedeuten-
den Einfluß auf den Staat uͤben 2. Beſonders aber
kommt hier der Unterſchied der Gleichen (Ὅμοιοι)
und Geringern (̔πομείονες) in Betracht, der den
Ausdruͤcken ſelbſt nach nicht ſehr bedeutend war, und
nie bei Darſtellung der Lykurgiſchen Verfaſſung ange-
geben wird, aber doch ſpaͤter nicht ohne Einwirkung
auf die Verfaſſung blieb. Nach Demoſthenes 3 erlangte,
wer zum Geron erwaͤhlt wurde, der Tugend Preis,
indem er des Staates Herr wurde mit den Gleichen.
Wer eine buͤrgerliche Pflicht verletzte, verlor nach Xe-
nophon 4 ſeinen Rang unter den Gleichen. Kinadon
wollte den Staat umwaͤlzen, weil er nicht, obgleich
von ſtarkem und thaͤtigem Geiſte, zu den Gleichen ge-
1 Doch hatten ſie in Sp. kein weſentliches Vorrecht, Plut.
Lyſ. 24.
2 οἱ πϱῶτοι ἄνδϱες Thuk. 4, 108. 5, 15. ἄϱιστοτ
Plut. Lyſ. 30. Die καλοὶ καγαϑοὶ bei Ariſtot. Pol. 2, 9. ſind
uͤberhaupt Leute von Auszeichnung; es kann folche allerdings auch
unter den Perioͤken geben, Xen. Hell. 5, 3, 9., die aber doch in
jener Stelle des Ariſtot. nicht in Betracht kommen.
3 Leptin.
S. 489 R. vgl. Wolf.
4 Staat der Lak. 10, 7.
6 *
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/89>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.