Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824.

Bild:
<< vorherige Seite

kurgischen Rhetra zufolge nach Phylen und Oben ge-
halten, dann der hohe Rath darnach constituirt und
wohl auch die dreihundert Ritter nach derselben Ord-
nung gewählt. Indessen wurden doch wohl nicht alle
öffentlichen Stellen und Aemter auf solche Weise besetzt,
sondern nur die, wo ausgezeichnete Würde und Ehre
erfordert wurde; es hatte die Wahlordnung, wie sich un-
ten noch zeigen wird, stets eine aristokratische Tendenz.
Magistrate mehr demokratischer Art dagegen, nament-
lich die Ephoren, müssen ohne Bezug auf die Phylen-
eintheilung ernannt worden sein, wie die Fünfzahl der-
selben beweist; es ist wahrscheinlich, daß hiebei irgend
eine Rücksicht auf die Komen Spartas genommen
wurde, deren, wie bewiesen, fünf waren. -- Eine
auffallende Parallele zu diesem Zahlenverhältniß bietet
das aristokratische Athen. Die Phyle der Adligen und
Ritter zerfiel hier in drei Phratrien, welche man mit
den drei Phylen der Dorischen Spartiaten vergleichen
kann. Als nun der Adel (einer Pairskammer ähnlich)
über die Alkmäoniden richtete: so constituirten 300 Eu-
patriden das Gericht, 100 aus jeder der Phratrien 1.
Und als der Alkmäonide Kleisthenes von der Adelspar-
tei vertrieben und die demokratische boule gestürzt wor-
den war, setzte Isagoras einen hohen Rath von 300
ein 2. Dagegen wurde die boule, welcher Kleisthenes
Entstehung und Dauer gab, auf 500 Bürger gesetzt,
und, von der alten Phratrienabtheilung ganz unabhän-
gig, nach den neuen lokalen Phylen erwählt.

5.

Außer Sparta scheint kein Dorischer Staat
einer Volksabtheilung den Namen Oba gegeben zu ha-
ben. Aber auch der sonst gewöhnliche Name der Phra-
trien läßt sich nirgends bei den Doriern nachweisen.

1 Plut. Solon 12.
2 Herod. 5, 72.

kurgiſchen Rhetra zufolge nach Phylen und Oben ge-
halten, dann der hohe Rath darnach conſtituirt und
wohl auch die dreihundert Ritter nach derſelben Ord-
nung gewaͤhlt. Indeſſen wurden doch wohl nicht alle
oͤffentlichen Stellen und Aemter auf ſolche Weiſe beſetzt,
ſondern nur die, wo ausgezeichnete Wuͤrde und Ehre
erfordert wurde; es hatte die Wahlordnung, wie ſich un-
ten noch zeigen wird, ſtets eine ariſtokratiſche Tendenz.
Magiſtrate mehr demokratiſcher Art dagegen, nament-
lich die Ephoren, muͤſſen ohne Bezug auf die Phylen-
eintheilung ernannt worden ſein, wie die Fuͤnfzahl der-
ſelben beweist; es iſt wahrſcheinlich, daß hiebei irgend
eine Ruͤckſicht auf die Komen Spartas genommen
wurde, deren, wie bewieſen, fuͤnf waren. — Eine
auffallende Parallele zu dieſem Zahlenverhaͤltniß bietet
das ariſtokratiſche Athen. Die Phyle der Adligen und
Ritter zerfiel hier in drei Phratrien, welche man mit
den drei Phylen der Doriſchen Spartiaten vergleichen
kann. Als nun der Adel (einer Pairskammer aͤhnlich)
uͤber die Alkmaͤoniden richtete: ſo conſtituirten 300 Eu-
patriden das Gericht, 100 aus jeder der Phratrien 1.
Und als der Alkmaͤonide Kleiſthenes von der Adelspar-
tei vertrieben und die demokratiſche βουλὴ geſtuͤrzt wor-
den war, ſetzte Iſagoras einen hohen Rath von 300
ein 2. Dagegen wurde die βουλὴ, welcher Kleiſthenes
Entſtehung und Dauer gab, auf 500 Buͤrger geſetzt,
und, von der alten Phratrienabtheilung ganz unabhaͤn-
gig, nach den neuen lokalen Phylen erwaͤhlt.

5.

Außer Sparta ſcheint kein Doriſcher Staat
einer Volksabtheilung den Namen Oba gegeben zu ha-
ben. Aber auch der ſonſt gewoͤhnliche Name der Phra-
trien laͤßt ſich nirgends bei den Doriern nachweiſen.

1 Plut. Solon 12.
2 Herod. 5, 72.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0086" n="80"/>
kurgi&#x017F;chen Rhetra zufolge nach Phylen und Oben ge-<lb/>
halten, dann der hohe Rath darnach con&#x017F;tituirt und<lb/>
wohl auch die dreihundert Ritter nach der&#x017F;elben Ord-<lb/>
nung gewa&#x0364;hlt. Inde&#x017F;&#x017F;en wurden doch wohl nicht alle<lb/>
o&#x0364;ffentlichen Stellen und Aemter auf &#x017F;olche Wei&#x017F;e be&#x017F;etzt,<lb/>
&#x017F;ondern nur die, wo ausgezeichnete Wu&#x0364;rde und Ehre<lb/>
erfordert wurde; es hatte die Wahlordnung, wie &#x017F;ich un-<lb/>
ten noch zeigen wird, &#x017F;tets eine ari&#x017F;tokrati&#x017F;che Tendenz.<lb/>
Magi&#x017F;trate mehr demokrati&#x017F;cher Art dagegen, nament-<lb/>
lich die Ephoren, mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en ohne Bezug auf die Phylen-<lb/>
eintheilung ernannt worden &#x017F;ein, wie die Fu&#x0364;nfzahl der-<lb/>
&#x017F;elben beweist; es i&#x017F;t wahr&#x017F;cheinlich, daß hiebei irgend<lb/>
eine Ru&#x0364;ck&#x017F;icht auf die Komen Spartas genommen<lb/>
wurde, deren, wie bewie&#x017F;en, fu&#x0364;nf waren. &#x2014; Eine<lb/>
auffallende Parallele zu die&#x017F;em Zahlenverha&#x0364;ltniß bietet<lb/>
das ari&#x017F;tokrati&#x017F;che Athen. Die Phyle der Adligen und<lb/>
Ritter zerfiel hier in drei Phratrien, welche man mit<lb/>
den drei Phylen der Dori&#x017F;chen Spartiaten vergleichen<lb/>
kann. Als nun der Adel (einer Pairskammer a&#x0364;hnlich)<lb/>
u&#x0364;ber die Alkma&#x0364;oniden richtete: &#x017F;o con&#x017F;tituirten 300 Eu-<lb/>
patriden das Gericht, 100 aus jeder der Phratrien <note place="foot" n="1">Plut. Solon 12.</note>.<lb/>
Und als der Alkma&#x0364;onide Klei&#x017F;thenes von der Adelspar-<lb/>
tei vertrieben und die demokrati&#x017F;che &#x03B2;&#x03BF;&#x03C5;&#x03BB;&#x1F74; ge&#x017F;tu&#x0364;rzt wor-<lb/>
den war, &#x017F;etzte I&#x017F;agoras einen hohen Rath von 300<lb/>
ein <note place="foot" n="2">Herod. 5, 72.</note>. Dagegen wurde die &#x03B2;&#x03BF;&#x03C5;&#x03BB;&#x1F74;, welcher Klei&#x017F;thenes<lb/>
Ent&#x017F;tehung und Dauer gab, auf 500 Bu&#x0364;rger ge&#x017F;etzt,<lb/>
und, von der alten Phratrienabtheilung ganz unabha&#x0364;n-<lb/>
gig, nach den neuen lokalen Phylen erwa&#x0364;hlt.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>5.</head><lb/>
            <p>Außer Sparta &#x017F;cheint kein Dori&#x017F;cher Staat<lb/>
einer Volksabtheilung den Namen <hi rendition="#g">Oba</hi> gegeben zu ha-<lb/>
ben. Aber auch der &#x017F;on&#x017F;t gewo&#x0364;hnliche Name der Phra-<lb/>
trien la&#x0364;ßt &#x017F;ich nirgends bei den Doriern nachwei&#x017F;en.<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[80/0086] kurgiſchen Rhetra zufolge nach Phylen und Oben ge- halten, dann der hohe Rath darnach conſtituirt und wohl auch die dreihundert Ritter nach derſelben Ord- nung gewaͤhlt. Indeſſen wurden doch wohl nicht alle oͤffentlichen Stellen und Aemter auf ſolche Weiſe beſetzt, ſondern nur die, wo ausgezeichnete Wuͤrde und Ehre erfordert wurde; es hatte die Wahlordnung, wie ſich un- ten noch zeigen wird, ſtets eine ariſtokratiſche Tendenz. Magiſtrate mehr demokratiſcher Art dagegen, nament- lich die Ephoren, muͤſſen ohne Bezug auf die Phylen- eintheilung ernannt worden ſein, wie die Fuͤnfzahl der- ſelben beweist; es iſt wahrſcheinlich, daß hiebei irgend eine Ruͤckſicht auf die Komen Spartas genommen wurde, deren, wie bewieſen, fuͤnf waren. — Eine auffallende Parallele zu dieſem Zahlenverhaͤltniß bietet das ariſtokratiſche Athen. Die Phyle der Adligen und Ritter zerfiel hier in drei Phratrien, welche man mit den drei Phylen der Doriſchen Spartiaten vergleichen kann. Als nun der Adel (einer Pairskammer aͤhnlich) uͤber die Alkmaͤoniden richtete: ſo conſtituirten 300 Eu- patriden das Gericht, 100 aus jeder der Phratrien 1. Und als der Alkmaͤonide Kleiſthenes von der Adelspar- tei vertrieben und die demokratiſche βουλὴ geſtuͤrzt wor- den war, ſetzte Iſagoras einen hohen Rath von 300 ein 2. Dagegen wurde die βουλὴ, welcher Kleiſthenes Entſtehung und Dauer gab, auf 500 Buͤrger geſetzt, und, von der alten Phratrienabtheilung ganz unabhaͤn- gig, nach den neuen lokalen Phylen erwaͤhlt. 5. Außer Sparta ſcheint kein Doriſcher Staat einer Volksabtheilung den Namen Oba gegeben zu ha- ben. Aber auch der ſonſt gewoͤhnliche Name der Phra- trien laͤßt ſich nirgends bei den Doriern nachweiſen. 1 Plut. Solon 12. 2 Herod. 5, 72.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/86
Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/86>, abgerufen am 22.12.2024.