schaft war hier in vier Phylen getheilt, von denen drei die reindorischen sind, nämlich die Hylleer, Dy- manen und Pamphylen, die vierte aber, die Aegialeer, von dem Lande den Namen hat, welches sie schon vor der Dorischen Eroberung bewohnte 1. Daß auch diese vierte nicht blos bürgerliche Rechte, sondern auch völ- liges Bürgerrecht genoß, ist sicher, da sich aus ihr Kleisthenes Haus zur Herrscherwürde emporschwang, welches nicht wohl möglich gewesen wäre bei Verhält- nissen, die denen der Periöken oder gar der Heloten Sparta's geglichen hätten. Dieser Kleisthenes nannte in tyrannischem Uebermuthe seine eigene Phyle Arche- laoi, die drei Dorischen von der Sau, dem Schwein und dem Esel Hyaten, Oneaten, Chöreaten. Aber waren dies wirklich bloße Spottnamen, wie der gute Herodotos erzählt, der bei aller Ungeschminktheit seiner Erzählung doch Politisches selten vom rechten Stand- punkte betrachtet? Wohl nicht: sondern Kleisthenes wollte auch die Dorier zwingen, auf das Land hinaus- zugehn, und Viehzucht und Ackerbau zu treiben, indem er ganz und gar ihren Lebensgrundsätzen Trotz bot. Indessen konnten so willkührliche Umkehrungen aller Sitte und Gewohnheit des Lebens keinen Bestand ha- ben, und es stellte sich nach dem Untergange der Dy- nastie die alte Verfassung in den Hauptzügen wieder her.
4.
In den Kolonieen der Dorier nahmen die Verhältnisse zu unterworfenen Ackerbauern und Leib- eigenen oft noch mehr Schärfe und Härte an, da jene
1 Herod. 5, 68., wo aber schwer zu glauben ist, daß die vierte Phyle erst nach Kleisthenes aufgekommen sei. -- Was in Sikyon Aigialeis, hieß vielleicht in Phlius Khthonophule, welche mythisch Tochter des Sikyon, und Mutter oder Gattin des Phlias genannt wird. Paus. 2, 6, 3. 12, 6. Schol. Apoll. 1, 115.
ſchaft war hier in vier Phylen getheilt, von denen drei die reindoriſchen ſind, naͤmlich die Hylleer, Dy- manen und Pamphylen, die vierte aber, die Aegialeer, von dem Lande den Namen hat, welches ſie ſchon vor der Doriſchen Eroberung bewohnte 1. Daß auch dieſe vierte nicht blos buͤrgerliche Rechte, ſondern auch voͤl- liges Buͤrgerrecht genoß, iſt ſicher, da ſich aus ihr Kleiſthenes Haus zur Herrſcherwuͤrde emporſchwang, welches nicht wohl moͤglich geweſen waͤre bei Verhaͤlt- niſſen, die denen der Perioͤken oder gar der Heloten Sparta’s geglichen haͤtten. Dieſer Kleiſthenes nannte in tyranniſchem Uebermuthe ſeine eigene Phyle Arche- laoi, die drei Doriſchen von der Sau, dem Schwein und dem Eſel Hyaten, Oneaten, Choͤreaten. Aber waren dies wirklich bloße Spottnamen, wie der gute Herodotos erzaͤhlt, der bei aller Ungeſchminktheit ſeiner Erzaͤhlung doch Politiſches ſelten vom rechten Stand- punkte betrachtet? Wohl nicht: ſondern Kleiſthenes wollte auch die Dorier zwingen, auf das Land hinaus- zugehn, und Viehzucht und Ackerbau zu treiben, indem er ganz und gar ihren Lebensgrundſaͤtzen Trotz bot. Indeſſen konnten ſo willkuͤhrliche Umkehrungen aller Sitte und Gewohnheit des Lebens keinen Beſtand ha- ben, und es ſtellte ſich nach dem Untergange der Dy- naſtie die alte Verfaſſung in den Hauptzuͤgen wieder her.
4.
In den Kolonieen der Dorier nahmen die Verhaͤltniſſe zu unterworfenen Ackerbauern und Leib- eigenen oft noch mehr Schaͤrfe und Haͤrte an, da jene
1 Herod. 5, 68., wo aber ſchwer zu glauben iſt, daß die vierte Phyle erſt nach Kleiſthenes aufgekommen ſei. — Was in Sikyon Αἰγιαλεῖς, hieß vielleicht in Phlius Χϑονοφύλη, welche mythiſch Tochter des Sikyon, und Mutter oder Gattin des Phlias genannt wird. Pauſ. 2, 6, 3. 12, 6. Schol. Apoll. 1, 115.
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ſchaft war hier in vier Phylen getheilt, von denen
drei die reindoriſchen ſind, naͤmlich die Hylleer, Dy-
manen und Pamphylen, die vierte aber, die Aegialeer,
von dem Lande den Namen hat, welches ſie ſchon vor
der Doriſchen Eroberung bewohnte 1. Daß auch dieſe
vierte nicht blos buͤrgerliche Rechte, ſondern auch voͤl-
liges Buͤrgerrecht genoß, iſt ſicher, da ſich aus ihr
Kleiſthenes Haus zur Herrſcherwuͤrde emporſchwang,
welches nicht wohl moͤglich geweſen waͤre bei Verhaͤlt-
niſſen, die denen der Perioͤken oder gar der Heloten
Sparta’s geglichen haͤtten. Dieſer Kleiſthenes nannte
in tyranniſchem Uebermuthe ſeine eigene Phyle Arche-
laoi, die drei Doriſchen von der Sau, dem Schwein
und dem Eſel Hyaten, Oneaten, Choͤreaten. Aber
waren dies wirklich bloße Spottnamen, wie der gute
Herodotos erzaͤhlt, der bei aller Ungeſchminktheit ſeiner
Erzaͤhlung doch Politiſches ſelten vom rechten Stand-
punkte betrachtet? Wohl nicht: ſondern Kleiſthenes
wollte auch die Dorier zwingen, auf das Land hinaus-
zugehn, und Viehzucht und Ackerbau zu treiben, indem
er ganz und gar ihren Lebensgrundſaͤtzen Trotz bot.
Indeſſen konnten ſo willkuͤhrliche Umkehrungen aller
Sitte und Gewohnheit des Lebens keinen Beſtand ha-
ben, und es ſtellte ſich nach dem Untergange der Dy-
naſtie die alte Verfaſſung in den Hauptzuͤgen wieder
her.
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In den Kolonieen der Dorier nahmen die
Verhaͤltniſſe zu unterworfenen Ackerbauern und Leib-
eigenen oft noch mehr Schaͤrfe und Haͤrte an, da jene
1 Herod. 5, 68., wo aber ſchwer zu glauben iſt, daß die
vierte Phyle erſt nach Kleiſthenes aufgekommen ſei. — Was in
Sikyon Αἰγιαλεῖς, hieß vielleicht in Phlius Χϑονοφύλη, welche
mythiſch Tochter des Sikyon, und Mutter oder Gattin des Phlias
genannt wird. Pauſ. 2, 6, 3. 12, 6. Schol. Apoll. 1, 115.
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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/66>, abgerufen am 21.11.2024.
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