Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824.

Bild:
<< vorherige Seite

nysos darstellte. Das Hauptthema desselben, schon
von Homer auf seine Weise ausgeführt, aber gewiß
weit früher angeschlagen, waren ta Dionusou pathe,
Dionysos Leiden.

8.

Wie dies insbesondere die Tragödie unter
den Doriern angeht, wird gleich deutlich werden. In
Sikyon, einem alten Sitze dieses Cultus, gab es, nach
Herodots überaus bedeutungsvoller Nachricht 1, seit
alter Zeit tragische Chöre, die vom Dionysos und zwar
ohne Zweifel dessen Leiden sangen. Aber schon vor
Kleisthenes (Ol. 45.) hatte man sie, doch wohl nur
zum Theil, auf den Stadthelden Adrastos übertragen,
der ebenfalls viel Trauriges erlitten: wogegen der ge-
nannte Tyrann sie ganz auf Dionysos zurückführte.
Das Datum der Rückführung ist hiernach bekannt; die
Zeit der Ausdehnung der Chorgesänge auf Adrastos,
endlich die ihrer Stiftung muß bedeutend weiter hin-
ausliegen: so sieht man leicht ein, wie jung dagegen
die mit Thespis beginnende Attische Tragödie ist. Da-
durch gewinnt nun auch die Nachricht an Bedeutsam-
keit 2, daß Epigenes ein uralter Sikyonischer Tragi-
ker und der sechszehnte vor Thespis gewesen; es scheint
daß alte Litteratoren, im Besitz einer Fülle uns unter-
gegangner Nachrichten, eine ordentliche Folge alter
Tragossänger zwischen beiden aufgestellt hatten. Und

1 Ueber die Erklärung der Stelle s. Bd. 2. S. 404, 6. Ob
megarizein für jammern, Aristoph. Ach. 822. Suid. und die Parö-
miographen unter Megareon dakrua. vgl. Tyrrwhit ad Arist. Poet.
174., nicht eben so auf Tragik zielt, wie Meg. gelos auf Komik?
2 Bei Suid. Thespis. vgl. ouden pros Dionuson, und dasselbe
Sprüchw. bei Photios und Apostol. Dort heißt es: Epigenous
tou Sikuoniou tragodian eis auton (was Suid. mit ton Dionu-
son vertauscht, aber es ist vielleicht ein alter Fehler für ADRA-
STON) poiesantos epephonesan tines touto othen e paroimia.

nyſos darſtellte. Das Hauptthema deſſelben, ſchon
von Homer auf ſeine Weiſe ausgefuͤhrt, aber gewiß
weit fruͤher angeſchlagen, waren τὰ Διονύσου πάθη,
Dionyſos Leiden.

8.

Wie dies insbeſondere die Tragoͤdie unter
den Doriern angeht, wird gleich deutlich werden. In
Sikyon, einem alten Sitze dieſes Cultus, gab es, nach
Herodots uͤberaus bedeutungsvoller Nachricht 1, ſeit
alter Zeit tragiſche Choͤre, die vom Dionyſos und zwar
ohne Zweifel deſſen Leiden ſangen. Aber ſchon vor
Kleiſthenes (Ol. 45.) hatte man ſie, doch wohl nur
zum Theil, auf den Stadthelden Adraſtos uͤbertragen,
der ebenfalls viel Trauriges erlitten: wogegen der ge-
nannte Tyrann ſie ganz auf Dionyſos zuruͤckfuͤhrte.
Das Datum der Ruͤckfuͤhrung iſt hiernach bekannt; die
Zeit der Ausdehnung der Chorgeſaͤnge auf Adraſtos,
endlich die ihrer Stiftung muß bedeutend weiter hin-
ausliegen: ſo ſieht man leicht ein, wie jung dagegen
die mit Theſpis beginnende Attiſche Tragoͤdie iſt. Da-
durch gewinnt nun auch die Nachricht an Bedeutſam-
keit 2, daß Epigenes ein uralter Sikyoniſcher Tragi-
ker und der ſechszehnte vor Theſpis geweſen; es ſcheint
daß alte Litteratoren, im Beſitz einer Fuͤlle uns unter-
gegangner Nachrichten, eine ordentliche Folge alter
Tragosſaͤnger zwiſchen beiden aufgeſtellt hatten. Und

1 Ueber die Erklaͤrung der Stelle ſ. Bd. 2. S. 404, 6. Ob
μεγαϱίζειν fuͤr jammern, Ariſtoph. Ach. 822. Suid. und die Paroͤ-
miographen unter Μεγαϱέων δἀκϱυα. vgl. Tyrrwhit ad Arist. Poët.
174., nicht eben ſo auf Tragik zielt, wie Μεγ. γἐλως auf Komik?
2 Bei Suid. Θἐσπις. vgl. οὐδὲν πϱὸς Διόνυσον, und daſſelbe
Spruͤchw. bei Photios und Apoſtol. Dort heißt es: Ἐπιγένους
τοῦ Σικυωνίου τϱαγῳδἰαν εἰς αὐτὸν (was Suid. mit τὸν Διόνυ-
σον vertauſcht, aber es iſt vielleicht ein alter Fehler fuͤr ΑΔΡΑ-
ΣΤΟΝ) ποιήσαντος ἐπεφώνησάν τινες τοῦτο ὅϑεν ἡ παϱοιμία.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0373" n="367"/>
ny&#x017F;os dar&#x017F;tellte. Das Hauptthema de&#x017F;&#x017F;elben, &#x017F;chon<lb/>
von Homer auf &#x017F;eine Wei&#x017F;e ausgefu&#x0364;hrt, aber gewiß<lb/>
weit fru&#x0364;her ange&#x017F;chlagen, waren &#x03C4;&#x1F70; &#x0394;&#x03B9;&#x03BF;&#x03BD;&#x03CD;&#x03C3;&#x03BF;&#x03C5; &#x03C0;&#x03AC;&#x03B8;&#x03B7;,<lb/>
Diony&#x017F;os Leiden.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>8.</head><lb/>
            <p>Wie dies insbe&#x017F;ondere die Trago&#x0364;die unter<lb/>
den Doriern angeht, wird gleich deutlich werden. In<lb/>
Sikyon, einem alten Sitze die&#x017F;es Cultus, gab es, nach<lb/>
Herodots u&#x0364;beraus bedeutungsvoller Nachricht <note place="foot" n="1">Ueber die Erkla&#x0364;rung der Stelle &#x017F;. Bd. 2. S. 404, 6. Ob<lb/>
&#x03BC;&#x03B5;&#x03B3;&#x03B1;&#x03F1;&#x03AF;&#x03B6;&#x03B5;&#x03B9;&#x03BD; fu&#x0364;r jammern, Ari&#x017F;toph. Ach. 822. Suid. und die Paro&#x0364;-<lb/>
miographen unter &#x039C;&#x03B5;&#x03B3;&#x03B1;&#x03F1;&#x03AD;&#x03C9;&#x03BD; &#x03B4;&#x1F00;&#x03BA;&#x03F1;&#x03C5;&#x03B1;. vgl. Tyrrwhit <hi rendition="#aq">ad Arist. Poët.</hi><lb/>
174., nicht eben &#x017F;o auf Tragik zielt, wie &#x039C;&#x03B5;&#x03B3;. &#x03B3;&#x1F10;&#x03BB;&#x03C9;&#x03C2; auf Komik?</note>, &#x017F;eit<lb/>
alter Zeit tragi&#x017F;che Cho&#x0364;re, die vom Diony&#x017F;os und zwar<lb/>
ohne Zweifel de&#x017F;&#x017F;en Leiden &#x017F;angen. Aber &#x017F;chon vor<lb/>
Klei&#x017F;thenes (Ol. 45.) hatte man &#x017F;ie, doch wohl nur<lb/>
zum Theil, auf den Stadthelden Adra&#x017F;tos u&#x0364;bertragen,<lb/>
der ebenfalls viel Trauriges erlitten: wogegen der ge-<lb/>
nannte Tyrann &#x017F;ie ganz auf Diony&#x017F;os zuru&#x0364;ckfu&#x0364;hrte.<lb/>
Das Datum der Ru&#x0364;ckfu&#x0364;hrung i&#x017F;t hiernach bekannt; die<lb/>
Zeit der Ausdehnung der Chorge&#x017F;a&#x0364;nge auf Adra&#x017F;tos,<lb/>
endlich die ihrer Stiftung muß bedeutend weiter hin-<lb/>
ausliegen: &#x017F;o &#x017F;ieht man leicht ein, wie jung dagegen<lb/>
die mit The&#x017F;pis beginnende Atti&#x017F;che Trago&#x0364;die i&#x017F;t. Da-<lb/>
durch gewinnt nun auch die Nachricht an Bedeut&#x017F;am-<lb/>
keit <note place="foot" n="2">Bei Suid. &#x0398;&#x1F10;&#x03C3;&#x03C0;&#x03B9;&#x03C2;. vgl. &#x03BF;&#x1F50;&#x03B4;&#x1F72;&#x03BD; &#x03C0;&#x03F1;&#x1F78;&#x03C2; &#x0394;&#x03B9;&#x03CC;&#x03BD;&#x03C5;&#x03C3;&#x03BF;&#x03BD;, und da&#x017F;&#x017F;elbe<lb/>
Spru&#x0364;chw. bei Photios und Apo&#x017F;tol. Dort heißt es: &#x1F18;&#x03C0;&#x03B9;&#x03B3;&#x03AD;&#x03BD;&#x03BF;&#x03C5;&#x03C2;<lb/>
&#x03C4;&#x03BF;&#x1FE6; &#x03A3;&#x03B9;&#x03BA;&#x03C5;&#x03C9;&#x03BD;&#x03AF;&#x03BF;&#x03C5; &#x03C4;&#x03F1;&#x03B1;&#x03B3;&#x1FF3;&#x03B4;&#x1F30;&#x03B1;&#x03BD; &#x03B5;&#x1F30;&#x03C2; &#x03B1;&#x1F50;&#x03C4;&#x1F78;&#x03BD; (was Suid. mit &#x03C4;&#x1F78;&#x03BD; &#x0394;&#x03B9;&#x03CC;&#x03BD;&#x03C5;-<lb/>
&#x03C3;&#x03BF;&#x03BD; vertau&#x017F;cht, aber es i&#x017F;t vielleicht ein alter Fehler fu&#x0364;r &#x0391;&#x0394;&#x03A1;&#x0391;-<lb/>
&#x03A3;&#x03A4;&#x039F;&#x039D;) &#x03C0;&#x03BF;&#x03B9;&#x03AE;&#x03C3;&#x03B1;&#x03BD;&#x03C4;&#x03BF;&#x03C2; &#x1F10;&#x03C0;&#x03B5;&#x03C6;&#x03CE;&#x03BD;&#x03B7;&#x03C3;&#x03AC;&#x03BD; &#x03C4;&#x03B9;&#x03BD;&#x03B5;&#x03C2; &#x03C4;&#x03BF;&#x1FE6;&#x03C4;&#x03BF; &#x1F45;&#x03D1;&#x03B5;&#x03BD; &#x1F21; &#x03C0;&#x03B1;&#x03F1;&#x03BF;&#x03B9;&#x03BC;&#x03AF;&#x03B1;.</note>, daß Epigenes ein uralter Sikyoni&#x017F;cher Tragi-<lb/>
ker und der &#x017F;echszehnte vor The&#x017F;pis gewe&#x017F;en; es &#x017F;cheint<lb/>
daß alte Litteratoren, im Be&#x017F;itz einer Fu&#x0364;lle uns unter-<lb/>
gegangner Nachrichten, eine ordentliche Folge alter<lb/>
Tragos&#x017F;a&#x0364;nger zwi&#x017F;chen beiden aufge&#x017F;tellt hatten. Und<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[367/0373] nyſos darſtellte. Das Hauptthema deſſelben, ſchon von Homer auf ſeine Weiſe ausgefuͤhrt, aber gewiß weit fruͤher angeſchlagen, waren τὰ Διονύσου πάθη, Dionyſos Leiden. 8. Wie dies insbeſondere die Tragoͤdie unter den Doriern angeht, wird gleich deutlich werden. In Sikyon, einem alten Sitze dieſes Cultus, gab es, nach Herodots uͤberaus bedeutungsvoller Nachricht 1, ſeit alter Zeit tragiſche Choͤre, die vom Dionyſos und zwar ohne Zweifel deſſen Leiden ſangen. Aber ſchon vor Kleiſthenes (Ol. 45.) hatte man ſie, doch wohl nur zum Theil, auf den Stadthelden Adraſtos uͤbertragen, der ebenfalls viel Trauriges erlitten: wogegen der ge- nannte Tyrann ſie ganz auf Dionyſos zuruͤckfuͤhrte. Das Datum der Ruͤckfuͤhrung iſt hiernach bekannt; die Zeit der Ausdehnung der Chorgeſaͤnge auf Adraſtos, endlich die ihrer Stiftung muß bedeutend weiter hin- ausliegen: ſo ſieht man leicht ein, wie jung dagegen die mit Theſpis beginnende Attiſche Tragoͤdie iſt. Da- durch gewinnt nun auch die Nachricht an Bedeutſam- keit 2, daß Epigenes ein uralter Sikyoniſcher Tragi- ker und der ſechszehnte vor Theſpis geweſen; es ſcheint daß alte Litteratoren, im Beſitz einer Fuͤlle uns unter- gegangner Nachrichten, eine ordentliche Folge alter Tragosſaͤnger zwiſchen beiden aufgeſtellt hatten. Und 1 Ueber die Erklaͤrung der Stelle ſ. Bd. 2. S. 404, 6. Ob μεγαϱίζειν fuͤr jammern, Ariſtoph. Ach. 822. Suid. und die Paroͤ- miographen unter Μεγαϱέων δἀκϱυα. vgl. Tyrrwhit ad Arist. Poët. 174., nicht eben ſo auf Tragik zielt, wie Μεγ. γἐλως auf Komik? 2 Bei Suid. Θἐσπις. vgl. οὐδὲν πϱὸς Διόνυσον, und daſſelbe Spruͤchw. bei Photios und Apoſtol. Dort heißt es: Ἐπιγένους τοῦ Σικυωνίου τϱαγῳδἰαν εἰς αὐτὸν (was Suid. mit τὸν Διόνυ- σον vertauſcht, aber es iſt vielleicht ein alter Fehler fuͤr ΑΔΡΑ- ΣΤΟΝ) ποιήσαντος ἐπεφώνησάν τινες τοῦτο ὅϑεν ἡ παϱοιμία.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/373
Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824, S. 367. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/373>, abgerufen am 21.11.2024.