Nun wohnte in der Thalebne seit uralten Zeiten ein Pelasgisches Volk, welches den Göttern für das Geschenk eines so fruchtbaren Ackerbodens in dem Feste der Pelorien dankte. Sein Leben war ohne Zweifel der umgebenden Natur gemäß, welche noch jetzt die Anwoh- ner des Flusses zu sanften und friedlichen Menschen bil- det, die ihr Dasein gern an die Scholle knüpfen, wäh- rend die Gebirgsbewohner bei größerer Kraft größere Freiheit erstreben 1. Die alte Hauptstadt dieses Volks war Larissa 2. Aber schon sehr früh war die Urbevöl- kerung durch nördlichere Volkstämme theils in Unterwür- figkeit versetzt, theils aus der Ebne hinausgedrängt worden 3. Eine gewisse Freiheit behielten jederzeit die- jenigen Ureinwoher, welche sich in das Gebirge hinauf- gezogen hatten, die Perrhäber. Das Homerische Völkerverzeichniß kennt Perrhäber auf der Höhe Kyphos am Olymp und am schönströmenden Titaresios, der am westlichen Saum des Olymposgebirgs hinfließend sich durch sein klares und deswegen dunkles Wasser von dem schlammführenden und darum weißlichen Peneios son- dert 4. Auch heutzutage zeichnen sich die Bewohner seiner Ufer durch gesunde Frische aus, während am Pe- neios die gelbe Farbe der Menschen eine kränkliche Na- tur bezeichnet 5. Aber die Alten dachten beim Titare- sios an den Styx und die Unterwelt: deswegen, weil bei diesen Perrhäbern eben so wie bei den Hellopischen Pelasgern der Name und Cultus von Dodona sich festge- setzt hatte 6. Und so war auch hier wie dort ein Psycho-
1 Pouqueville S. 37.
2 Bd. 1. S. 126. Hier wohnt auch Akrisios von Argos. Daß es dieses Larissa ist, sicht man aus Schol. 1, 40. Vgl. Hellanikos Fragm. 116. Paus. 2. 16. Tzetz. Lyk. 836.
3 Str. 9, 439.
4 Nach neuern Reisenden. Schon die Alten verstanden Homer oft falsch. Später Eurotas, oder Eu- ropos, wie die Exe. Strab. haben, d. i. der dunkle.
5 Pouqv.
6 S. die Schriftsteller bei Str. 7, 328. Steph. Byz. Dodone.
5.
Nun wohnte in der Thalebne ſeit uralten Zeiten ein Pelasgiſches Volk, welches den Goͤttern fuͤr das Geſchenk eines ſo fruchtbaren Ackerbodens in dem Feſte der Pelorien dankte. Sein Leben war ohne Zweifel der umgebenden Natur gemaͤß, welche noch jetzt die Anwoh- ner des Fluſſes zu ſanften und friedlichen Menſchen bil- det, die ihr Daſein gern an die Scholle knuͤpfen, waͤh- rend die Gebirgsbewohner bei groͤßerer Kraft groͤßere Freiheit erſtreben 1. Die alte Hauptſtadt dieſes Volks war Lariſſa 2. Aber ſchon ſehr fruͤh war die Urbevoͤl- kerung durch noͤrdlichere Volkſtaͤmme theils in Unterwuͤr- figkeit verſetzt, theils aus der Ebne hinausgedraͤngt worden 3. Eine gewiſſe Freiheit behielten jederzeit die- jenigen Ureinwoher, welche ſich in das Gebirge hinauf- gezogen hatten, die Perrhaͤber. Das Homeriſche Voͤlkerverzeichniß kennt Perrhaͤber auf der Hoͤhe Kyphos am Olymp und am ſchoͤnſtroͤmenden Titareſios, der am weſtlichen Saum des Olymposgebirgs hinfließend ſich durch ſein klares und deswegen dunkles Waſſer von dem ſchlammfuͤhrenden und darum weißlichen Peneios ſon- dert 4. Auch heutzutage zeichnen ſich die Bewohner ſeiner Ufer durch geſunde Friſche aus, waͤhrend am Pe- neios die gelbe Farbe der Menſchen eine kraͤnkliche Na- tur bezeichnet 5. Aber die Alten dachten beim Titare- ſios an den Styx und die Unterwelt: deswegen, weil bei dieſen Perrhaͤbern eben ſo wie bei den Hellopiſchen Pelasgern der Name und Cultus von Dodona ſich feſtge- ſetzt hatte 6. Und ſo war auch hier wie dort ein Pſycho-
1 Pouqueville S. 37.
2 Bd. 1. S. 126. Hier wohnt auch Akriſios von Argos. Daß es dieſes Lariſſa iſt, ſicht man aus Schol. 1, 40. Vgl. Hellanikos Fragm. 116. Pauſ. 2. 16. Tzetz. Lyk. 836.
3 Str. 9, 439.
4 Nach neuern Reiſenden. Schon die Alten verſtanden Homer oft falſch. Spaͤter Eurotas, oder Eu- ropos, wie die Exe. Strab. haben, d. i. der dunkle.
5 Pouqv.
6 S. die Schriftſteller bei Str. 7, 328. Steph. Byz. Δωδώνη.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0055"n="25"/><divn="3"><head>5.</head><lb/><p>Nun wohnte in der Thalebne ſeit uralten Zeiten<lb/>
ein Pelasgiſches Volk, welches den Goͤttern fuͤr das<lb/>
Geſchenk eines ſo fruchtbaren Ackerbodens in dem Feſte<lb/>
der Pelorien dankte. Sein Leben war ohne Zweifel der<lb/>
umgebenden Natur gemaͤß, welche noch jetzt die Anwoh-<lb/>
ner des Fluſſes zu ſanften und friedlichen Menſchen bil-<lb/>
det, die ihr Daſein gern an die Scholle knuͤpfen, waͤh-<lb/>
rend die Gebirgsbewohner bei groͤßerer Kraft groͤßere<lb/>
Freiheit erſtreben <noteplace="foot"n="1">Pouqueville S. 37.</note>. Die alte Hauptſtadt dieſes Volks<lb/>
war Lariſſa <noteplace="foot"n="2">Bd. 1. S. 126. Hier wohnt<lb/>
auch Akriſios von Argos. Daß es dieſes Lariſſa iſt, ſicht man aus<lb/>
Schol. 1, 40. Vgl. Hellanikos Fragm. 116. Pauſ. 2. 16. Tzetz.<lb/>
Lyk. 836.</note>. Aber ſchon ſehr fruͤh war die Urbevoͤl-<lb/>
kerung durch noͤrdlichere Volkſtaͤmme theils in Unterwuͤr-<lb/>
figkeit verſetzt, theils aus der Ebne hinausgedraͤngt<lb/>
worden <noteplace="foot"n="3">Str. 9, 439.</note>. Eine gewiſſe Freiheit behielten jederzeit die-<lb/>
jenigen Ureinwoher, welche ſich in das Gebirge hinauf-<lb/>
gezogen hatten, die <hirendition="#g">Perrhaͤber</hi>. Das Homeriſche<lb/>
Voͤlkerverzeichniß kennt Perrhaͤber auf der Hoͤhe Kyphos<lb/>
am Olymp und am ſchoͤnſtroͤmenden Titareſios, der am<lb/>
weſtlichen Saum des Olymposgebirgs hinfließend ſich<lb/>
durch ſein klares und deswegen dunkles Waſſer von dem<lb/>ſchlammfuͤhrenden und darum weißlichen Peneios ſon-<lb/>
dert <noteplace="foot"n="4">Nach neuern Reiſenden. Schon<lb/>
die Alten verſtanden Homer oft falſch. Spaͤter Eurotas, oder Eu-<lb/>
ropos, wie die Exe. Strab. haben, d. i. <hirendition="#g">der dunkle</hi>.</note>. Auch heutzutage zeichnen ſich die Bewohner<lb/>ſeiner Ufer durch geſunde Friſche aus, waͤhrend am Pe-<lb/>
neios die gelbe Farbe der Menſchen eine kraͤnkliche Na-<lb/>
tur bezeichnet <noteplace="foot"n="5">Pouqv.</note>. Aber die Alten dachten beim Titare-<lb/>ſios an den Styx und die Unterwelt: deswegen, weil<lb/>
bei dieſen Perrhaͤbern eben ſo wie bei den Hellopiſchen<lb/>
Pelasgern der Name und Cultus von Dodona ſich feſtge-<lb/>ſetzt hatte <noteplace="foot"n="6">S. die Schriftſteller bei Str. 7, 328. Steph. Byz. Δωδώνη.</note>. Und ſo war auch hier wie dort ein Pſycho-<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[25/0055]
5.
Nun wohnte in der Thalebne ſeit uralten Zeiten
ein Pelasgiſches Volk, welches den Goͤttern fuͤr das
Geſchenk eines ſo fruchtbaren Ackerbodens in dem Feſte
der Pelorien dankte. Sein Leben war ohne Zweifel der
umgebenden Natur gemaͤß, welche noch jetzt die Anwoh-
ner des Fluſſes zu ſanften und friedlichen Menſchen bil-
det, die ihr Daſein gern an die Scholle knuͤpfen, waͤh-
rend die Gebirgsbewohner bei groͤßerer Kraft groͤßere
Freiheit erſtreben 1. Die alte Hauptſtadt dieſes Volks
war Lariſſa 2. Aber ſchon ſehr fruͤh war die Urbevoͤl-
kerung durch noͤrdlichere Volkſtaͤmme theils in Unterwuͤr-
figkeit verſetzt, theils aus der Ebne hinausgedraͤngt
worden 3. Eine gewiſſe Freiheit behielten jederzeit die-
jenigen Ureinwoher, welche ſich in das Gebirge hinauf-
gezogen hatten, die Perrhaͤber. Das Homeriſche
Voͤlkerverzeichniß kennt Perrhaͤber auf der Hoͤhe Kyphos
am Olymp und am ſchoͤnſtroͤmenden Titareſios, der am
weſtlichen Saum des Olymposgebirgs hinfließend ſich
durch ſein klares und deswegen dunkles Waſſer von dem
ſchlammfuͤhrenden und darum weißlichen Peneios ſon-
dert 4. Auch heutzutage zeichnen ſich die Bewohner
ſeiner Ufer durch geſunde Friſche aus, waͤhrend am Pe-
neios die gelbe Farbe der Menſchen eine kraͤnkliche Na-
tur bezeichnet 5. Aber die Alten dachten beim Titare-
ſios an den Styx und die Unterwelt: deswegen, weil
bei dieſen Perrhaͤbern eben ſo wie bei den Hellopiſchen
Pelasgern der Name und Cultus von Dodona ſich feſtge-
ſetzt hatte 6. Und ſo war auch hier wie dort ein Pſycho-
1 Pouqueville S. 37.
2 Bd. 1. S. 126. Hier wohnt
auch Akriſios von Argos. Daß es dieſes Lariſſa iſt, ſicht man aus
Schol. 1, 40. Vgl. Hellanikos Fragm. 116. Pauſ. 2. 16. Tzetz.
Lyk. 836.
3 Str. 9, 439.
4 Nach neuern Reiſenden. Schon
die Alten verſtanden Homer oft falſch. Spaͤter Eurotas, oder Eu-
ropos, wie die Exe. Strab. haben, d. i. der dunkle.
5 Pouqv.
6 S. die Schriftſteller bei Str. 7, 328. Steph. Byz. Δωδώνη.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824/55>, abgerufen am 22.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.