Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824.

Bild:
<< vorherige Seite

sind sie freundlich zugethan, wie in der Kunst gern dem
Lieblichen und Zarten das Groteske und Ungefüge bei-
geordnet wird. -- So blieb ja auch selbst der orakel-
bewachende Drache, obgleich bezwungen, doch noch als
eine Erinnerung des alten Streits und des Sieges des
Gottes über, und lag bei dem Erdspalte an den Fü-
ßen des Dreifußes im innern Adyton 1.

7.

Nach Vollendung des Kampfes mit dem Py-
thon 2 bricht Apollon den Lorbeer sich selbst zum Sie-
gerkranze 3: auch stimmt er wohl nach alter Sage
hier zuerst den Päan als Triumphlied an. In der
dramatischen Weise, wie die Delpher die Schicksale des
Gottes darstellten, trat hier der Nomos Puthios ein,
der sich aus alten und einfachen Anfängen zu hoher
Künstlichkeit entwickelte und durch Timosthenes zu einer
großen musikalischen Composition wurde 4, die man,

1 Lukian de astrol. 23. -- Mit dem Python zusammenhän-
gend ist das Symbol des Bocks oder der Ziege, da Aix ein Kind
des Python heißt (Plutarch Qu. Gr. 12.) womit wieder
ein Fl. Aigas und das pedion Aigaion bei Delph (Hesiod. bei
Steph. B.) und der Omphalos Aigaios, Hesych, in Verbindung
stehn. vgl. Paus. 10, 11, 4. und Diod. S. 15, 26. Auch auf
Kreta zu Elyros (s. oben S. 208.) und Tylissos (wo Ap. mit einem
Ziegenkopf in der Hand auf Münzen) war dasselbe Thier dem Gotte
heilig. In Delos war der Altar Keraton oder Keratinos aus
rechten Hörnern eines Bocks vom Knaben Apoll geflochten, vgl.
Plut. Thes. 21. de sol. an. 35. p. 201. Kall. Ap. 51. Dasselbe
wird von dem Keraistes topos zu Milet erzählt (Kallim. bei
Etym. M. 584, 10.), wo seltsamer Weise eine Sage von einem
gemelkten Bocke war. Ursprünglich gehört gewiß auch der Bock zu
den unreinen Thieren dieser Religion.
2 Den Ap. nach Si-
monides (bei Eust. Il. 1. p. 52, 39.) mit hundert Pfeilen erlegt
(Deutung des Ekatebeletes). -- Dargestellt sieht man den Kampf
auf einer Münze von Kroton, z. B. Eckhel Num. Anecd. Tb. I. n. 13.
3 Kallim. bei Tertull. de cor. 7.
4 S. besonders Böckh
de metr. Pind. 3, 4. p. 182. Pollux 4, 10, 81. nennt die Dar-
stellung akhoron aulema Puthion.

ſind ſie freundlich zugethan, wie in der Kunſt gern dem
Lieblichen und Zarten das Groteske und Ungefuͤge bei-
geordnet wird. — So blieb ja auch ſelbſt der orakel-
bewachende Drache, obgleich bezwungen, doch noch als
eine Erinnerung des alten Streits und des Sieges des
Gottes uͤber, und lag bei dem Erdſpalte an den Fuͤ-
ßen des Dreifußes im innern Adyton 1.

7.

Nach Vollendung des Kampfes mit dem Py-
thon 2 bricht Apollon den Lorbeer ſich ſelbſt zum Sie-
gerkranze 3: auch ſtimmt er wohl nach alter Sage
hier zuerſt den Paͤan als Triumphlied an. In der
dramatiſchen Weiſe, wie die Delpher die Schickſale des
Gottes darſtellten, trat hier der Νόμος Πύϑιος ein,
der ſich aus alten und einfachen Anfaͤngen zu hoher
Kuͤnſtlichkeit entwickelte und durch Timoſthenes zu einer
großen muſikaliſchen Compoſition wurde 4, die man,

1 Lukian de astrol. 23. — Mit dem Python zuſammenhaͤn-
gend iſt das Symbol des Bocks oder der Ziege, da Αἲξ ein Kind
des Python heißt (Plutarch Qu. Gr. 12.) womit wieder
ein Fl. Αἰγᾶς und das πεδίον Αἰγαῖον bei Delph (Heſiod. bei
Steph. B.) und der Ὀμφαλὸς Αἰγαῖος, Heſych, in Verbindung
ſtehn. vgl. Pauſ. 10, 11, 4. und Diod. S. 15, 26. Auch auf
Kreta zu Elyros (ſ. oben S. 208.) und Tyliſſos (wo Ap. mit einem
Ziegenkopf in der Hand auf Muͤnzen) war daſſelbe Thier dem Gotte
heilig. In Delos war der Altar Κεϱατὼν oder Κεϱάτινος aus
rechten Hoͤrnern eines Bocks vom Knaben Apoll geflochten, vgl.
Plut. Theſ. 21. de sol. an. 35. p. 201. Kall. Ap. 51. Daſſelbe
wird von dem Κεϱαιστὴς τόπος zu Milet erzaͤhlt (Kallim. bei
Etym. M. 584, 10.), wo ſeltſamer Weiſe eine Sage von einem
gemelkten Bocke war. Urſpruͤnglich gehoͤrt gewiß auch der Bock zu
den unreinen Thieren dieſer Religion.
2 Den Ap. nach Si-
monides (bei Euſt. Il. 1. p. 52, 39.) mit hundert Pfeilen erlegt
(Deutung des Ἑκατηβελέτης). — Dargeſtellt ſieht man den Kampf
auf einer Muͤnze von Kroton, z. B. Eckhel Num. Anecd. Tb. I. n. 13.
3 Kallim. bei Tertull. de cor. 7.
4 S. beſonders Boͤckh
de metr. Pind. 3, 4. p. 182. Pollux 4, 10, 81. nennt die Dar-
ſtellung ἄχοϱον αὔλημα Πύϑιον.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0348" n="318"/>
&#x017F;ind &#x017F;ie freundlich zugethan, wie in der Kun&#x017F;t gern dem<lb/>
Lieblichen und Zarten das Groteske und Ungefu&#x0364;ge bei-<lb/>
geordnet wird. &#x2014; So blieb ja auch &#x017F;elb&#x017F;t der orakel-<lb/>
bewachende Drache, obgleich bezwungen, doch noch als<lb/>
eine Erinnerung des alten Streits und des Sieges des<lb/>
Gottes u&#x0364;ber, und lag bei dem Erd&#x017F;palte an den Fu&#x0364;-<lb/>
ßen des Dreifußes im innern Adyton <note place="foot" n="1">Lukian <hi rendition="#aq">de astrol.</hi> 23. &#x2014; Mit dem Python zu&#x017F;ammenha&#x0364;n-<lb/>
gend i&#x017F;t das Symbol des Bocks oder der Ziege, da &#x0391;&#x1F32;&#x03BE; ein Kind<lb/>
des Python heißt (Plutarch <hi rendition="#aq">Qu. Gr.</hi> 12.) womit wieder<lb/>
ein Fl. &#x0391;&#x1F30;&#x03B3;&#x1FB6;&#x03C2; und das &#x03C0;&#x03B5;&#x03B4;&#x03AF;&#x03BF;&#x03BD; &#x0391;&#x1F30;&#x03B3;&#x03B1;&#x1FD6;&#x03BF;&#x03BD; bei Delph (He&#x017F;iod. bei<lb/>
Steph. B.) und der &#x1F48;&#x03BC;&#x03C6;&#x03B1;&#x03BB;&#x1F78;&#x03C2; &#x0391;&#x1F30;&#x03B3;&#x03B1;&#x1FD6;&#x03BF;&#x03C2;, He&#x017F;ych, in Verbindung<lb/>
&#x017F;tehn. vgl. Pau&#x017F;. 10, 11, 4. und Diod. S. 15, 26. Auch auf<lb/>
Kreta zu Elyros (&#x017F;. oben S. 208.) und Tyli&#x017F;&#x017F;os (wo Ap. mit einem<lb/>
Ziegenkopf in der Hand auf Mu&#x0364;nzen) war da&#x017F;&#x017F;elbe Thier dem Gotte<lb/>
heilig. In Delos war der Altar &#x039A;&#x03B5;&#x03F1;&#x03B1;&#x03C4;&#x1F7C;&#x03BD; oder &#x039A;&#x03B5;&#x03F1;&#x03AC;&#x03C4;&#x03B9;&#x03BD;&#x03BF;&#x03C2; aus<lb/>
rechten Ho&#x0364;rnern eines Bocks vom Knaben Apoll geflochten, vgl.<lb/>
Plut. The&#x017F;. 21. <hi rendition="#aq">de sol. an. 35. p.</hi> 201. Kall. Ap. 51. Da&#x017F;&#x017F;elbe<lb/>
wird von dem &#x039A;&#x03B5;&#x03F1;&#x03B1;&#x03B9;&#x03C3;&#x03C4;&#x1F74;&#x03C2; &#x03C4;&#x03CC;&#x03C0;&#x03BF;&#x03C2; zu Milet erza&#x0364;hlt (Kallim. bei<lb/>
Etym. M. 584, 10.), wo &#x017F;elt&#x017F;amer Wei&#x017F;e eine Sage von einem<lb/>
gemelkten Bocke war. Ur&#x017F;pru&#x0364;nglich geho&#x0364;rt gewiß auch der Bock zu<lb/>
den unreinen Thieren die&#x017F;er Religion.</note>.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>7.</head><lb/>
              <p>Nach Vollendung des Kampfes mit dem Py-<lb/>
thon <note place="foot" n="2">Den Ap. nach Si-<lb/>
monides (bei Eu&#x017F;t. Il. 1. <hi rendition="#aq">p.</hi> 52, 39.) mit hundert Pfeilen erlegt<lb/>
(Deutung des &#x1F19;&#x03BA;&#x03B1;&#x03C4;&#x03B7;&#x03B2;&#x03B5;&#x03BB;&#x03AD;&#x03C4;&#x03B7;&#x03C2;). &#x2014; Darge&#x017F;tellt &#x017F;ieht man den Kampf<lb/>
auf einer Mu&#x0364;nze von Kroton, z. B. Eckhel <hi rendition="#aq">Num. Anecd. Tb. I. n.</hi> 13.</note> bricht Apollon den Lorbeer &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t zum Sie-<lb/>
gerkranze <note place="foot" n="3">Kallim. bei Tertull. <hi rendition="#aq">de cor.</hi> 7.</note>: auch &#x017F;timmt er wohl nach alter Sage<lb/>
hier zuer&#x017F;t den Pa&#x0364;an als Triumphlied an. In der<lb/>
dramati&#x017F;chen Wei&#x017F;e, wie die Delpher die Schick&#x017F;ale des<lb/>
Gottes dar&#x017F;tellten, trat hier der &#x039D;&#x03CC;&#x03BC;&#x03BF;&#x03C2; &#x03A0;&#x03CD;&#x03D1;&#x03B9;&#x03BF;&#x03C2; ein,<lb/>
der &#x017F;ich aus alten und einfachen Anfa&#x0364;ngen zu hoher<lb/>
Ku&#x0364;n&#x017F;tlichkeit entwickelte und durch Timo&#x017F;thenes zu einer<lb/>
großen mu&#x017F;ikali&#x017F;chen Compo&#x017F;ition wurde <note place="foot" n="4">S. be&#x017F;onders Bo&#x0364;ckh<lb/><hi rendition="#aq">de metr. Pind. 3, 4. p.</hi> 182. Pollux 4, 10, 81. nennt die Dar-<lb/>
&#x017F;tellung <hi rendition="#g">&#x1F04;&#x03C7;&#x03BF;&#x03F1;&#x03BF;&#x03BD;</hi> &#x03B1;&#x1F54;&#x03BB;&#x03B7;&#x03BC;&#x03B1; &#x03A0;&#x03CD;&#x03D1;&#x03B9;&#x03BF;&#x03BD;.</note>, die man,<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[318/0348] ſind ſie freundlich zugethan, wie in der Kunſt gern dem Lieblichen und Zarten das Groteske und Ungefuͤge bei- geordnet wird. — So blieb ja auch ſelbſt der orakel- bewachende Drache, obgleich bezwungen, doch noch als eine Erinnerung des alten Streits und des Sieges des Gottes uͤber, und lag bei dem Erdſpalte an den Fuͤ- ßen des Dreifußes im innern Adyton 1. 7. Nach Vollendung des Kampfes mit dem Py- thon 2 bricht Apollon den Lorbeer ſich ſelbſt zum Sie- gerkranze 3: auch ſtimmt er wohl nach alter Sage hier zuerſt den Paͤan als Triumphlied an. In der dramatiſchen Weiſe, wie die Delpher die Schickſale des Gottes darſtellten, trat hier der Νόμος Πύϑιος ein, der ſich aus alten und einfachen Anfaͤngen zu hoher Kuͤnſtlichkeit entwickelte und durch Timoſthenes zu einer großen muſikaliſchen Compoſition wurde 4, die man, 1 Lukian de astrol. 23. — Mit dem Python zuſammenhaͤn- gend iſt das Symbol des Bocks oder der Ziege, da Αἲξ ein Kind des Python heißt (Plutarch Qu. Gr. 12.) womit wieder ein Fl. Αἰγᾶς und das πεδίον Αἰγαῖον bei Delph (Heſiod. bei Steph. B.) und der Ὀμφαλὸς Αἰγαῖος, Heſych, in Verbindung ſtehn. vgl. Pauſ. 10, 11, 4. und Diod. S. 15, 26. Auch auf Kreta zu Elyros (ſ. oben S. 208.) und Tyliſſos (wo Ap. mit einem Ziegenkopf in der Hand auf Muͤnzen) war daſſelbe Thier dem Gotte heilig. In Delos war der Altar Κεϱατὼν oder Κεϱάτινος aus rechten Hoͤrnern eines Bocks vom Knaben Apoll geflochten, vgl. Plut. Theſ. 21. de sol. an. 35. p. 201. Kall. Ap. 51. Daſſelbe wird von dem Κεϱαιστὴς τόπος zu Milet erzaͤhlt (Kallim. bei Etym. M. 584, 10.), wo ſeltſamer Weiſe eine Sage von einem gemelkten Bocke war. Urſpruͤnglich gehoͤrt gewiß auch der Bock zu den unreinen Thieren dieſer Religion. 2 Den Ap. nach Si- monides (bei Euſt. Il. 1. p. 52, 39.) mit hundert Pfeilen erlegt (Deutung des Ἑκατηβελέτης). — Dargeſtellt ſieht man den Kampf auf einer Muͤnze von Kroton, z. B. Eckhel Num. Anecd. Tb. I. n. 13. 3 Kallim. bei Tertull. de cor. 7. 4 S. beſonders Boͤckh de metr. Pind. 3, 4. p. 182. Pollux 4, 10, 81. nennt die Dar- ſtellung ἄχοϱον αὔλημα Πύϑιον.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824/348
Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824, S. 318. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824/348>, abgerufen am 21.12.2024.