auf Tänaron, allein die Geschichte desselben ist von der des Apollocultus durchaus gesondert und ohne Zusam- menhang mit dieser 1.
6.
Wie wäre es überhaupt aber erklärlich, daß eine ursprüngliche Verbindung der Begriffe von Apollon und Sonne, wenn sie bestand, lange Jahrhunderte so ganz vergessen wurde? war denn das leuchtende Gestirn des Tages ein der Betrachtung so leicht entschwindender Gegenstand? Und wie kommt es, daß die Meinung der Identität beider erst in Zeiten aufkam, da die Griechische Mythologie in Glauben und Gefühl fortzu- leben aufgehört hatte? Selbst noch, als die Aegypti- schen Dollmetscher den Horus zum Apollon deuteten, folgten sie wahrscheinlich nur der Aehnlichkeit des Er- legers des Python mit dem Bändiger des Baby (Ty- phon in griechischer Umnamung) 2. Wenn aber die Persischen Mager im Apollinischen Dienste Verwandtes mit ihrer Religion fanden, und Xerxes darum dem Eilande, wo die zwei Götter geboren waren, Asylie zusicherte 3: so ist dies allerdings als ein Resultat einer nicht oberflächlichen Vergleichung zu schätzen, das wir weiter unten auch in mancher Hinsicht zu bestäti- gen Anlaß finden werden; doch dachten sie wahrschein- lich bei Phoibos an Ormuzd, nicht eben an die Sonne. Erst als die physischen Philosophen die Götter des Glau- bens zu Prädicaten des Nous oder zu materiellen Kräften und Gegenständen deuteten, sprach man den Satz aus: Apollon sei die Sonne. Euripides nahm
1Aeginet. p. 27. Der Ap. Eleios zu Argos (Paus. 8, 46, 2.) ist schwerlich ein Elios.
2 Der Trözenische Oros (Paus. 2, 30, 6.) ist wohl ein Jahresgott und dann die Sonne, aber ora und der Aegyptische Horus sind wohl schwerlich von dem- selben Sprachstamme!
3 Herod. 6, 97. Ps. Platon. Axioch. 371 a. vgl. Aeschyl. Pers. 206.
auf Taͤnaron, allein die Geſchichte deſſelben iſt von der des Apollocultus durchaus geſondert und ohne Zuſam- menhang mit dieſer 1.
6.
Wie waͤre es uͤberhaupt aber erklaͤrlich, daß eine urſpruͤngliche Verbindung der Begriffe von Apollon und Sonne, wenn ſie beſtand, lange Jahrhunderte ſo ganz vergeſſen wurde? war denn das leuchtende Geſtirn des Tages ein der Betrachtung ſo leicht entſchwindender Gegenſtand? Und wie kommt es, daß die Meinung der Identitaͤt beider erſt in Zeiten aufkam, da die Griechiſche Mythologie in Glauben und Gefuͤhl fortzu- leben aufgehoͤrt hatte? Selbſt noch, als die Aegypti- ſchen Dollmetſcher den Horus zum Apollon deuteten, folgten ſie wahrſcheinlich nur der Aehnlichkeit des Er- legers des Python mit dem Baͤndiger des Baby (Ty- phon in griechiſcher Umnamung) 2. Wenn aber die Perſiſchen Mager im Apolliniſchen Dienſte Verwandtes mit ihrer Religion fanden, und Xerxes darum dem Eilande, wo die zwei Goͤtter geboren waren, Aſylie zuſicherte 3: ſo iſt dies allerdings als ein Reſultat einer nicht oberflaͤchlichen Vergleichung zu ſchaͤtzen, das wir weiter unten auch in mancher Hinſicht zu beſtaͤti- gen Anlaß finden werden; doch dachten ſie wahrſchein- lich bei Φοῖβος an Ormuzd, nicht eben an die Sonne. Erſt als die phyſiſchen Philoſophen die Goͤtter des Glau- bens zu Praͤdicaten des Νοῦς oder zu materiellen Kraͤften und Gegenſtaͤnden deuteten, ſprach man den Satz aus: Apollon ſei die Sonne. Euripides nahm
1Aeginet. p. 27. Der Ἀπ. Ἠλεῖος zu Argos (Pauſ. 8, 46, 2.) iſt ſchwerlich ein Ἥλιος.
2 Der Troͤzeniſche Ὦϱος (Pauſ. 2, 30, 6.) iſt wohl ein Jahresgott und dann die Sonne, aber ὥϱα und der Aegyptiſche Horus ſind wohl ſchwerlich von dem- ſelben Sprachſtamme!
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auf Taͤnaron, allein die Geſchichte deſſelben iſt von der
des Apollocultus durchaus geſondert und ohne Zuſam-
menhang mit dieſer 1.
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Wie waͤre es uͤberhaupt aber erklaͤrlich, daß eine
urſpruͤngliche Verbindung der Begriffe von Apollon und
Sonne, wenn ſie beſtand, lange Jahrhunderte ſo ganz
vergeſſen wurde? war denn das leuchtende Geſtirn des
Tages ein der Betrachtung ſo leicht entſchwindender
Gegenſtand? Und wie kommt es, daß die Meinung
der Identitaͤt beider erſt in Zeiten aufkam, da die
Griechiſche Mythologie in Glauben und Gefuͤhl fortzu-
leben aufgehoͤrt hatte? Selbſt noch, als die Aegypti-
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Perſiſchen Mager im Apolliniſchen Dienſte Verwandtes
mit ihrer Religion fanden, und Xerxes darum dem
Eilande, wo die zwei Goͤtter geboren waren, Aſylie
zuſicherte 3: ſo iſt dies allerdings als ein Reſultat
einer nicht oberflaͤchlichen Vergleichung zu ſchaͤtzen, das
wir weiter unten auch in mancher Hinſicht zu beſtaͤti-
gen Anlaß finden werden; doch dachten ſie wahrſchein-
lich bei Φοῖβος an Ormuzd, nicht eben an die Sonne.
Erſt als die phyſiſchen Philoſophen die Goͤtter des Glau-
bens zu Praͤdicaten des Νοῦς oder zu materiellen
Kraͤften und Gegenſtaͤnden deuteten, ſprach man den
Satz aus: Apollon ſei die Sonne. Euripides nahm
1 Aeginet. p. 27. Der Ἀπ. Ἠλεῖος zu Argos (Pauſ. 8,
46, 2.) iſt ſchwerlich ein Ἥλιος.
2 Der Troͤzeniſche Ὦϱος
(Pauſ. 2, 30, 6.) iſt wohl ein Jahresgott und dann die Sonne,
aber ὥϱα und der Aegyptiſche Horus ſind wohl ſchwerlich von dem-
ſelben Sprachſtamme!
3 Herod. 6, 97. Pſ. Platon. Axioch.
371 a. vgl. Aeſchyl. Perſ. 206.
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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824/318>, abgerufen am 22.02.2025.
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