Wenn es einigermaßen zerstreut und ermüdet, dem weitverbreiteten Geäste und Gezweige der Verbreitung Apollinischer Heiligthümer bis in die Spitzen überall nachzufolgen: so ist der Mythus von den Hyperbo- reern ganz geeignet, durch Rückführung aller Einzel- heiten auf eine Wurzel den Blick zu beruhigen und zu fixiren.
Zu dem Ende vindiciren wir ihn erstens dem Cul- tus, kaum befürchtend, daß ihn Jemand für eine poe- tische Ausgeburt nachhomerischer Zeit halten könne, weil ihn Ilias und Odyssee nicht erwähnen; denn wo sollten sie es: auch war schon in dem Epigonengedicht und bei Hesiod die Rede von ihnen 1. Und mag auch da- mals die Sage erst in das Bereich der poetischen My- thologie gezogen worden sein: als lokale Tradition muß sie sich in einer Zeit gebildet haben, da die primitive, aber später zerrissene Verbindung der Heiligthümer von Tempe, Delphi und Delos noch völlig bestand.
2.
Nach einem Dorischen Hymnus einer Delpherin Boeo, welchen Pausanias anführt 2, errichteten Pa- gasos und der göttliche Agyieus, die Söhne der Hy-
1 Herod. 4, 32. S. auch den 7. Homer. Hymn. 29.
2 10, 5, 4.
4.
1.
Wenn es einigermaßen zerſtreut und ermuͤdet, dem weitverbreiteten Geaͤſte und Gezweige der Verbreitung Apolliniſcher Heiligthuͤmer bis in die Spitzen uͤberall nachzufolgen: ſo iſt der Mythus von den Hyperbo- reern ganz geeignet, durch Ruͤckfuͤhrung aller Einzel- heiten auf eine Wurzel den Blick zu beruhigen und zu fixiren.
Zu dem Ende vindiciren wir ihn erſtens dem Cul- tus, kaum befuͤrchtend, daß ihn Jemand fuͤr eine poë- tiſche Ausgeburt nachhomeriſcher Zeit halten koͤnne, weil ihn Ilias und Odyſſee nicht erwaͤhnen; denn wo ſollten ſie es: auch war ſchon in dem Epigonengedicht und bei Heſiod die Rede von ihnen 1. Und mag auch da- mals die Sage erſt in das Bereich der poëtiſchen My- thologie gezogen worden ſein: als lokale Tradition muß ſie ſich in einer Zeit gebildet haben, da die primitive, aber ſpaͤter zerriſſene Verbindung der Heiligthuͤmer von Tempe, Delphi und Delos noch voͤllig beſtand.
2.
Nach einem Doriſchen Hymnus einer Delpherin Boeo, welchen Pauſanias anfuͤhrt 2, errichteten Pa- gaſos und der goͤttliche Agyieus, die Soͤhne der Hy-
1 Herod. 4, 32. S. auch den 7. Homer. Hymn. 29.
2 10, 5, 4.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0297"n="267"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="3"><head>4.</head><lb/><divn="4"><head>1.</head><lb/><p><hirendition="#in">W</hi>enn es einigermaßen zerſtreut und ermuͤdet, dem<lb/>
weitverbreiteten Geaͤſte und Gezweige der Verbreitung<lb/>
Apolliniſcher Heiligthuͤmer bis in die Spitzen uͤberall<lb/>
nachzufolgen: ſo iſt der Mythus von den <hirendition="#g">Hyperbo-<lb/>
reern</hi> ganz geeignet, durch Ruͤckfuͤhrung aller Einzel-<lb/>
heiten auf eine Wurzel den Blick zu beruhigen und zu<lb/>
fixiren.</p><lb/><p>Zu dem Ende vindiciren wir ihn erſtens dem Cul-<lb/>
tus, kaum befuͤrchtend, daß ihn Jemand fuͤr eine poë-<lb/>
tiſche Ausgeburt nachhomeriſcher Zeit halten koͤnne,<lb/>
weil ihn Ilias und Odyſſee nicht erwaͤhnen; denn wo<lb/>ſollten ſie es: auch war ſchon in dem Epigonengedicht und<lb/>
bei Heſiod die Rede von ihnen <noteplace="foot"n="1">Herod. 4, 32. S. auch den 7. Homer. Hymn. 29.</note>. Und mag auch da-<lb/>
mals die Sage erſt in das Bereich der poëtiſchen My-<lb/>
thologie gezogen worden ſein: als lokale Tradition muß<lb/>ſie ſich in einer Zeit gebildet haben, da die primitive,<lb/>
aber ſpaͤter zerriſſene Verbindung der Heiligthuͤmer von<lb/>
Tempe, Delphi und Delos noch voͤllig beſtand.</p></div><lb/><divn="4"><head>2.</head><lb/><p>Nach einem Doriſchen Hymnus einer Delpherin<lb/>
Boeo, welchen Pauſanias anfuͤhrt <noteplace="foot"n="2">10, 5, 4.</note>, errichteten Pa-<lb/>
gaſos und der goͤttliche Agyieus, die Soͤhne der Hy-<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[267/0297]
4.
1.
Wenn es einigermaßen zerſtreut und ermuͤdet, dem
weitverbreiteten Geaͤſte und Gezweige der Verbreitung
Apolliniſcher Heiligthuͤmer bis in die Spitzen uͤberall
nachzufolgen: ſo iſt der Mythus von den Hyperbo-
reern ganz geeignet, durch Ruͤckfuͤhrung aller Einzel-
heiten auf eine Wurzel den Blick zu beruhigen und zu
fixiren.
Zu dem Ende vindiciren wir ihn erſtens dem Cul-
tus, kaum befuͤrchtend, daß ihn Jemand fuͤr eine poë-
tiſche Ausgeburt nachhomeriſcher Zeit halten koͤnne,
weil ihn Ilias und Odyſſee nicht erwaͤhnen; denn wo
ſollten ſie es: auch war ſchon in dem Epigonengedicht und
bei Heſiod die Rede von ihnen 1. Und mag auch da-
mals die Sage erſt in das Bereich der poëtiſchen My-
thologie gezogen worden ſein: als lokale Tradition muß
ſie ſich in einer Zeit gebildet haben, da die primitive,
aber ſpaͤter zerriſſene Verbindung der Heiligthuͤmer von
Tempe, Delphi und Delos noch voͤllig beſtand.
2.
Nach einem Doriſchen Hymnus einer Delpherin
Boeo, welchen Pauſanias anfuͤhrt 2, errichteten Pa-
gaſos und der goͤttliche Agyieus, die Soͤhne der Hy-
1 Herod. 4, 32. S. auch den 7. Homer. Hymn. 29.
2 10, 5, 4.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824, S. 267. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824/297>, abgerufen am 30.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.