Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824.

Bild:
<< vorherige Seite

Argos. Er landete auf Sikyonischen und Aeginetischen
Schiffen an der Küste von Tiryns, schlug die Argeier
beim Hain des Argos 1 aufs Haupt, tödtete den größ-
ten Theil der waffenfähigen Mannschaft von Argos,
und hätte Argos einnehmen können -- wenn er nicht
aus unbegreiflichem Aberglauben, ohne den Sieg wei-
ter zu benutzen, das Bundesheer entlassen und sich be-
gnügt hätte, im Heräon zu opfern 2. -- Indessen blieb
Argos durch diese Niederlage auf lange Zeit wie ge-
lähmt, ja es mußte eine gänzliche Veränderung der
Verhältnisse im Innern des Staates eintreten, um das
Siechthum und die Ermattung, in der die Stadt zu
versinken schien, durch neues und frisches Leben aufzu-
heben.

7.

Denn nachdem eine Zeitlang die Leibeigenen
oder Gymnesier 3 von Argos die der Freien entblößte

1 Es scheint, daß dieser nahe bei Sepeia im Tirynth. Gebiete
lag. Apostol. 4, 27. setzt die Schlacht an den "Argous lophos. Die
Kriegslist des Kleomenes erzählt nach Herod. Polyän 1, 14.
2 Herodots wunderliche Erzählung, 6, 77 ff., ist auch dadurch un-
zusammenhängend, daß sie die beiden ersten Verse des Orakels all
otan e theleia nicht erklärt, die doch sich auf eine Begebenheit be-
ziehen mußten. Oder bezieht Herod. die theleia auf die Hera?
Paus. 2, 20. zweifelt, ob Herodot es versteht. Aber die Geschichte
der Telesilla bei Paus., Plut. Aretai gun. 5. p. 269. und Polyän
8, 33. ist sehr fabelhaft. Das Fest `Ubristika hat gewiß nicht
diese historische Entstehung, sondern gehört einem Naturcultus an.
Die angebliche Bildsäule der Telesilla bei Paus. 2, 20, 7. war eine
sich bewaffnende auf den Helm schauende Aphrodite. Die Zahl der
erschlagenen Argeier geben Plutarch und Polyän 8, 33. nach einer
Sage auf 7777 an; Aa. 6000. Es ist dies die Schlacht en te
ebdome istamenou, wir wissen nicht welches Monats. Aristot. Pol.
5, 2, 8. Plut. Qu. Gr. a. O. Andere setzten sie an die noumenia
des 4ten Monats, ehemals Hermäos, aber blos, weil dann die
Hybristika gefeiert wurden. Vgl. Klem. Alex. Strom. 4. S. 522.
Sylb. Suidas Telesilla.
3 S. von diesen Buch 3, 3.

Argos. Er landete auf Sikyoniſchen und Aeginetiſchen
Schiffen an der Kuͤſte von Tiryns, ſchlug die Argeier
beim Hain des Argos 1 aufs Haupt, toͤdtete den groͤß-
ten Theil der waffenfaͤhigen Mannſchaft von Argos,
und haͤtte Argos einnehmen koͤnnen — wenn er nicht
aus unbegreiflichem Aberglauben, ohne den Sieg wei-
ter zu benutzen, das Bundesheer entlaſſen und ſich be-
gnuͤgt haͤtte, im Heraͤon zu opfern 2. — Indeſſen blieb
Argos durch dieſe Niederlage auf lange Zeit wie ge-
laͤhmt, ja es mußte eine gaͤnzliche Veraͤnderung der
Verhaͤltniſſe im Innern des Staates eintreten, um das
Siechthum und die Ermattung, in der die Stadt zu
verſinken ſchien, durch neues und friſches Leben aufzu-
heben.

7.

Denn nachdem eine Zeitlang die Leibeigenen
oder Gymneſier 3 von Argos die der Freien entbloͤßte

1 Es ſcheint, daß dieſer nahe bei Sepeia im Tirynth. Gebiete
lag. Apoſtol. 4, 27. ſetzt die Schlacht an den ῎Αϱγους λόφος. Die
Kriegsliſt des Kleomenes erzaͤhlt nach Herod. Polyaͤn 1, 14.
2 Herodots wunderliche Erzaͤhlung, 6, 77 ff., iſt auch dadurch un-
zuſammenhaͤngend, daß ſie die beiden erſten Verſe des Orakels ἀλλ̕
ὅταν ἡ ϑήλεια nicht erklaͤrt, die doch ſich auf eine Begebenheit be-
ziehen mußten. Oder bezieht Herod. die ϑήλεια auf die Hera?
Pauſ. 2, 20. zweifelt, ob Herodot es verſteht. Aber die Geſchichte
der Teleſilla bei Pauſ., Plut. Ἀϱεταὶ γυν. 5. p. 269. und Polyaͤn
8, 33. iſt ſehr fabelhaft. Das Feſt ῾ϒβϱιστικὰ hat gewiß nicht
dieſe hiſtoriſche Entſtehung, ſondern gehoͤrt einem Naturcultus an.
Die angebliche Bildſaͤule der Teleſilla bei Pauſ. 2, 20, 7. war eine
ſich bewaffnende auf den Helm ſchauende Aphrodite. Die Zahl der
erſchlagenen Argeier geben Plutarch und Polyaͤn 8, 33. nach einer
Sage auf 7777 an; Aa. 6000. Es iſt dies die Schlacht ἐν τῇ
ἑβδόμῃ ἱσταμένου, wir wiſſen nicht welches Monats. Ariſtot. Pol.
5, 2, 8. Plut. Qu. Gr. a. O. Andere ſetzten ſie an die νουμηνία
des 4ten Monats, ehemals Hermaͤos, aber blos, weil dann die
Hybriſtika gefeiert wurden. Vgl. Klem. Alex. Strom. 4. S. 522.
Sylb. Suidas Τελέσιλλα.
3 S. von dieſen Buch 3, 3.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0203" n="173"/>
Argos. Er landete auf Sikyoni&#x017F;chen und Aegineti&#x017F;chen<lb/>
Schiffen an der Ku&#x0364;&#x017F;te von Tiryns, &#x017F;chlug die Argeier<lb/>
beim Hain des Argos <note place="foot" n="1">Es &#x017F;cheint, daß die&#x017F;er nahe bei Sepeia im Tirynth. Gebiete<lb/>
lag. Apo&#x017F;tol. 4, 27. &#x017F;etzt die Schlacht an den &#x1FCE;&#x0391;&#x03F1;&#x03B3;&#x03BF;&#x03C5;&#x03C2; &#x03BB;&#x03CC;&#x03C6;&#x03BF;&#x03C2;. Die<lb/>
Kriegsli&#x017F;t des Kleomenes erza&#x0364;hlt nach Herod. Polya&#x0364;n 1, 14.</note> aufs Haupt, to&#x0364;dtete den gro&#x0364;ß-<lb/>
ten Theil der waffenfa&#x0364;higen Mann&#x017F;chaft von Argos,<lb/>
und ha&#x0364;tte Argos einnehmen ko&#x0364;nnen &#x2014; wenn er nicht<lb/>
aus unbegreiflichem Aberglauben, ohne den Sieg wei-<lb/>
ter zu benutzen, das Bundesheer entla&#x017F;&#x017F;en und &#x017F;ich be-<lb/>
gnu&#x0364;gt ha&#x0364;tte, im Hera&#x0364;on zu opfern <note place="foot" n="2">Herodots wunderliche Erza&#x0364;hlung, 6, 77 ff., i&#x017F;t auch dadurch un-<lb/>
zu&#x017F;ammenha&#x0364;ngend, daß &#x017F;ie die beiden er&#x017F;ten Ver&#x017F;e des Orakels &#x1F00;&#x03BB;&#x03BB;&#x0315;<lb/>
&#x1F45;&#x03C4;&#x03B1;&#x03BD; &#x1F21; &#x03D1;&#x03AE;&#x03BB;&#x03B5;&#x03B9;&#x03B1; nicht erkla&#x0364;rt, die doch &#x017F;ich auf eine Begebenheit be-<lb/>
ziehen mußten. Oder bezieht Herod. die &#x03D1;&#x03AE;&#x03BB;&#x03B5;&#x03B9;&#x03B1; auf die Hera?<lb/>
Pau&#x017F;. 2, 20. zweifelt, ob Herodot es ver&#x017F;teht. Aber die Ge&#x017F;chichte<lb/>
der Tele&#x017F;illa bei Pau&#x017F;., Plut. &#x1F08;&#x03F1;&#x03B5;&#x03C4;&#x03B1;&#x1F76; &#x03B3;&#x03C5;&#x03BD;. 5. <hi rendition="#aq">p.</hi> 269. und Polya&#x0364;n<lb/>
8, 33. i&#x017F;t &#x017F;ehr fabelhaft. Das Fe&#x017F;t &#x1FFE;&#x03D2;&#x03B2;&#x03F1;&#x03B9;&#x03C3;&#x03C4;&#x03B9;&#x03BA;&#x1F70; hat gewiß nicht<lb/>
die&#x017F;e hi&#x017F;tori&#x017F;che <choice><sic>Ee&#x017F;tehung</sic><corr>Ent&#x017F;tehung</corr></choice>, &#x017F;ondern geho&#x0364;rt einem Naturcultus an.<lb/>
Die angebliche Bild&#x017F;a&#x0364;ule der Tele&#x017F;illa bei Pau&#x017F;. 2, 20, 7. war eine<lb/>
&#x017F;ich bewaffnende auf den Helm &#x017F;chauende Aphrodite. Die Zahl der<lb/>
er&#x017F;chlagenen Argeier geben Plutarch und Polya&#x0364;n 8, 33. nach einer<lb/>
Sage auf 7777 an; Aa. 6000. Es i&#x017F;t dies die Schlacht &#x1F10;&#x03BD; &#x03C4;&#x1FC7;<lb/>
&#x1F11;&#x03B2;&#x03B4;&#x03CC;&#x03BC;&#x1FC3; &#x1F31;&#x03C3;&#x03C4;&#x03B1;&#x03BC;&#x03AD;&#x03BD;&#x03BF;&#x03C5;, wir wi&#x017F;&#x017F;en nicht welches Monats. Ari&#x017F;tot. Pol.<lb/>
5, 2, 8. Plut. <hi rendition="#aq">Qu. Gr.</hi> a. O. Andere &#x017F;etzten &#x017F;ie an die &#x03BD;&#x03BF;&#x03C5;&#x03BC;&#x03B7;&#x03BD;&#x03AF;&#x03B1;<lb/>
des 4ten Monats, ehemals Herma&#x0364;os, aber blos, weil dann die<lb/>
Hybri&#x017F;tika gefeiert wurden. Vgl. Klem. Alex. Strom. 4. S. 522.<lb/>
Sylb. Suidas &#x03A4;&#x03B5;&#x03BB;&#x03AD;&#x03C3;&#x03B9;&#x03BB;&#x03BB;&#x03B1;.</note>. &#x2014; Inde&#x017F;&#x017F;en blieb<lb/>
Argos durch die&#x017F;e Niederlage auf lange Zeit wie ge-<lb/>
la&#x0364;hmt, ja es mußte eine ga&#x0364;nzliche Vera&#x0364;nderung der<lb/>
Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e im Innern des Staates eintreten, um das<lb/>
Siechthum und die Ermattung, in der die Stadt zu<lb/>
ver&#x017F;inken &#x017F;chien, durch neues und fri&#x017F;ches Leben aufzu-<lb/>
heben.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>7.</head><lb/>
            <p>Denn nachdem eine Zeitlang die Leibeigenen<lb/>
oder Gymne&#x017F;ier <note place="foot" n="3">S. von die&#x017F;en Buch 3, 3.</note> von Argos die der Freien entblo&#x0364;ßte<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[173/0203] Argos. Er landete auf Sikyoniſchen und Aeginetiſchen Schiffen an der Kuͤſte von Tiryns, ſchlug die Argeier beim Hain des Argos 1 aufs Haupt, toͤdtete den groͤß- ten Theil der waffenfaͤhigen Mannſchaft von Argos, und haͤtte Argos einnehmen koͤnnen — wenn er nicht aus unbegreiflichem Aberglauben, ohne den Sieg wei- ter zu benutzen, das Bundesheer entlaſſen und ſich be- gnuͤgt haͤtte, im Heraͤon zu opfern 2. — Indeſſen blieb Argos durch dieſe Niederlage auf lange Zeit wie ge- laͤhmt, ja es mußte eine gaͤnzliche Veraͤnderung der Verhaͤltniſſe im Innern des Staates eintreten, um das Siechthum und die Ermattung, in der die Stadt zu verſinken ſchien, durch neues und friſches Leben aufzu- heben. 7. Denn nachdem eine Zeitlang die Leibeigenen oder Gymneſier 3 von Argos die der Freien entbloͤßte 1 Es ſcheint, daß dieſer nahe bei Sepeia im Tirynth. Gebiete lag. Apoſtol. 4, 27. ſetzt die Schlacht an den ῎Αϱγους λόφος. Die Kriegsliſt des Kleomenes erzaͤhlt nach Herod. Polyaͤn 1, 14. 2 Herodots wunderliche Erzaͤhlung, 6, 77 ff., iſt auch dadurch un- zuſammenhaͤngend, daß ſie die beiden erſten Verſe des Orakels ἀλλ̕ ὅταν ἡ ϑήλεια nicht erklaͤrt, die doch ſich auf eine Begebenheit be- ziehen mußten. Oder bezieht Herod. die ϑήλεια auf die Hera? Pauſ. 2, 20. zweifelt, ob Herodot es verſteht. Aber die Geſchichte der Teleſilla bei Pauſ., Plut. Ἀϱεταὶ γυν. 5. p. 269. und Polyaͤn 8, 33. iſt ſehr fabelhaft. Das Feſt ῾ϒβϱιστικὰ hat gewiß nicht dieſe hiſtoriſche Entſtehung, ſondern gehoͤrt einem Naturcultus an. Die angebliche Bildſaͤule der Teleſilla bei Pauſ. 2, 20, 7. war eine ſich bewaffnende auf den Helm ſchauende Aphrodite. Die Zahl der erſchlagenen Argeier geben Plutarch und Polyaͤn 8, 33. nach einer Sage auf 7777 an; Aa. 6000. Es iſt dies die Schlacht ἐν τῇ ἑβδόμῃ ἱσταμένου, wir wiſſen nicht welches Monats. Ariſtot. Pol. 5, 2, 8. Plut. Qu. Gr. a. O. Andere ſetzten ſie an die νουμηνία des 4ten Monats, ehemals Hermaͤos, aber blos, weil dann die Hybriſtika gefeiert wurden. Vgl. Klem. Alex. Strom. 4. S. 522. Sylb. Suidas Τελέσιλλα. 3 S. von dieſen Buch 3, 3.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824/203
Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824/203>, abgerufen am 21.12.2024.