Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824.

Bild:
<< vorherige Seite

Aegina hinüber 1, woselbst früher Thessalische Helle-
nen geherrscht hatten, und verband die Insel zu einem
Gemeinwesen mit der Mutterstadt, mit gleichen Rech-
ten und unter denselben Obrigkeiten. Da nun außer
Epidauros nur noch Troezen zur Akte gehört,
und außer Deiphontes noch Agäos als Dorischer Be-
völkerer dieses Küstenlandes genannt wird: so muß es
wohl Agäos gewesen sein, der Troezen zur Dorischen
Stadt machte 2. Er muß auch hier Jonier angetroffen
haben, da die mythischen Genealogieen sowohl als die
Götterdienste des alten Troezen eine nahe Verwandt-
schaft der früheren Einwohner zu den Athenern bewei-
sen. Denn Troezen theilte sogar mit den Jonischen
Städten den eigenthümlichen Cultus der Athena Apa-
turias als Göttinn der Phratrien und Geschlechter 3,
und den des Poseidon und seines Sohnes Theseus.

5.

Die gegebenen Nachrichten zeigen, daß Sikyon,
Phlius, Kleonä, Epidauros, Troezen, Aegina von Ar-
gos aus unmittelbar oder mittelbar ihren Antheil an
Dorischer Bevölkerung erhielten. Wir müssen bedauern,
daß uns von Mykenä und Tiryns bestimmte Nachrich-
ten fehlen, deren Eroberung besonders schwierig aber
auch für den Sieg der Dorier entscheidend sein mußte.
Pindar 4 betrachtet die Vertreibung der Achäischen
Danaer aus dem Argivischen Busen und Mykenä als
identisch mit dem Heraklidenzug; und Strabon 5 giebt

1 Aegin. p. 43. Die dort gegebene Darstellung wird wohl
die Vergleichung mit Raoul-Roch 2. S. 218. aushalten.
2 Paus.
2, 30, 9.
3 Paus. 2, 33, 1. Die Jungfrauen legten ihr den
Gürtel nieder, wenn sie heiratheten, d. i. in eine andere patra
übergingen. Ein räsonnabler Mytholog kann nicht zweifeln, daß
Apatouria von a(sun) und patores i. q. gennetai herkommt.
Vom Tempel der Athena vgl. Hygin fab. 37.
4 Paus. 4, 49.
5 Str. 8, 372. 377.

Aegina hinuͤber 1, woſelbſt fruͤher Theſſaliſche Helle-
nen geherrſcht hatten, und verband die Inſel zu einem
Gemeinweſen mit der Mutterſtadt, mit gleichen Rech-
ten und unter denſelben Obrigkeiten. Da nun außer
Epidauros nur noch Troezen zur Akte gehoͤrt,
und außer Deiphontes noch Agaͤos als Doriſcher Be-
voͤlkerer dieſes Kuͤſtenlandes genannt wird: ſo muß es
wohl Agaͤos geweſen ſein, der Troezen zur Doriſchen
Stadt machte 2. Er muß auch hier Jonier angetroffen
haben, da die mythiſchen Genealogieen ſowohl als die
Goͤtterdienſte des alten Troezen eine nahe Verwandt-
ſchaft der fruͤheren Einwohner zu den Athenern bewei-
ſen. Denn Troezen theilte ſogar mit den Joniſchen
Staͤdten den eigenthuͤmlichen Cultus der Athena Apa-
turias als Goͤttinn der Phratrien und Geſchlechter 3,
und den des Poſeidon und ſeines Sohnes Theſeus.

5.

Die gegebenen Nachrichten zeigen, daß Sikyon,
Phlius, Kleonaͤ, Epidauros, Troezen, Aegina von Ar-
gos aus unmittelbar oder mittelbar ihren Antheil an
Doriſcher Bevoͤlkerung erhielten. Wir muͤſſen bedauern,
daß uns von Mykenaͤ und Tiryns beſtimmte Nachrich-
ten fehlen, deren Eroberung beſonders ſchwierig aber
auch fuͤr den Sieg der Dorier entſcheidend ſein mußte.
Pindar 4 betrachtet die Vertreibung der Achaͤiſchen
Danaer aus dem Argiviſchen Buſen und Mykenaͤ als
identiſch mit dem Heraklidenzug; und Strabon 5 giebt

1 Aegin. p. 43. Die dort gegebene Darſtellung wird wohl
die Vergleichung mit Raoul-Roch 2. S. 218. aushalten.
2 Pauſ.
2, 30, 9.
3 Pauſ. 2, 33, 1. Die Jungfrauen legten ihr den
Guͤrtel nieder, wenn ſie heiratheten, d. i. in eine andere πάτϱα
uͤbergingen. Ein raͤſonnabler Mytholog kann nicht zweifeln, daß
Απατούϱια von ἀ(σὺν) und πάτοϱες i. q. γεννῆται herkommt.
Vom Tempel der Athena vgl. Hygin fab. 37.
4 Pauſ. 4, 49.
5 Str. 8, 372. 377.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0112" n="82"/><hi rendition="#g">Aegina</hi> hinu&#x0364;ber <note place="foot" n="1"><hi rendition="#aq">Aegin. p.</hi> 43. Die dort gegebene Dar&#x017F;tellung wird wohl<lb/>
die Vergleichung mit Raoul-Roch 2. S. 218. aushalten.</note>, wo&#x017F;elb&#x017F;t fru&#x0364;her The&#x017F;&#x017F;ali&#x017F;che Helle-<lb/>
nen geherr&#x017F;cht hatten, und verband die In&#x017F;el zu einem<lb/>
Gemeinwe&#x017F;en mit der Mutter&#x017F;tadt, mit gleichen Rech-<lb/>
ten und unter den&#x017F;elben Obrigkeiten. Da nun außer<lb/>
Epidauros nur noch <hi rendition="#g">Troezen</hi> zur Akte geho&#x0364;rt,<lb/>
und außer Deiphontes noch Aga&#x0364;os als Dori&#x017F;cher Be-<lb/>
vo&#x0364;lkerer die&#x017F;es Ku&#x0364;&#x017F;tenlandes genannt wird: &#x017F;o muß es<lb/>
wohl Aga&#x0364;os gewe&#x017F;en &#x017F;ein, der Troezen zur Dori&#x017F;chen<lb/>
Stadt machte <note place="foot" n="2">Pau&#x017F;.<lb/>
2, 30, 9.</note>. Er muß auch hier Jonier angetroffen<lb/>
haben, da die mythi&#x017F;chen Genealogieen &#x017F;owohl als die<lb/>
Go&#x0364;tterdien&#x017F;te des alten Troezen eine nahe Verwandt-<lb/>
&#x017F;chaft der fru&#x0364;heren Einwohner zu den Athenern bewei-<lb/>
&#x017F;en. Denn Troezen theilte &#x017F;ogar mit den Joni&#x017F;chen<lb/>
Sta&#x0364;dten den eigenthu&#x0364;mlichen Cultus der Athena Apa-<lb/>
turias als Go&#x0364;ttinn der Phratrien und Ge&#x017F;chlechter <note place="foot" n="3">Pau&#x017F;. 2, 33, 1. Die Jungfrauen legten ihr den<lb/>
Gu&#x0364;rtel nieder, wenn &#x017F;ie heiratheten, d. i. in eine andere &#x03C0;&#x03AC;&#x03C4;&#x03F1;&#x03B1;<lb/>
u&#x0364;bergingen. Ein ra&#x0364;&#x017F;onnabler Mytholog kann nicht zweifeln, daß<lb/>
&#x0391;&#x03C0;&#x03B1;&#x03C4;&#x03BF;&#x03CD;&#x03F1;&#x03B9;&#x03B1; von &#x1F00;(&#x03C3;&#x1F7A;&#x03BD;) und &#x03C0;&#x03AC;&#x03C4;&#x03BF;&#x03F1;&#x03B5;&#x03C2; <hi rendition="#aq">i. q.</hi> &#x03B3;&#x03B5;&#x03BD;&#x03BD;&#x1FC6;&#x03C4;&#x03B1;&#x03B9; herkommt.<lb/>
Vom Tempel der Athena vgl. Hygin <hi rendition="#aq">fab.</hi> 37.</note>,<lb/>
und den des Po&#x017F;eidon und &#x017F;eines Sohnes The&#x017F;eus.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>5.</head><lb/>
            <p>Die gegebenen Nachrichten zeigen, daß Sikyon,<lb/>
Phlius, Kleona&#x0364;, Epidauros, Troezen, Aegina von Ar-<lb/>
gos aus unmittelbar oder mittelbar ihren Antheil an<lb/>
Dori&#x017F;cher Bevo&#x0364;lkerung erhielten. Wir mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en bedauern,<lb/>
daß uns von Mykena&#x0364; und Tiryns be&#x017F;timmte Nachrich-<lb/>
ten fehlen, deren Eroberung be&#x017F;onders &#x017F;chwierig aber<lb/>
auch fu&#x0364;r den Sieg der Dorier ent&#x017F;cheidend &#x017F;ein mußte.<lb/>
Pindar <note place="foot" n="4">Pau&#x017F;. 4, 49.</note> betrachtet die Vertreibung der Acha&#x0364;i&#x017F;chen<lb/>
Danaer aus dem Argivi&#x017F;chen Bu&#x017F;en und Mykena&#x0364; als<lb/>
identi&#x017F;ch mit dem Heraklidenzug; und Strabon <note place="foot" n="5">Str. 8, 372. 377.</note> giebt<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[82/0112] Aegina hinuͤber 1, woſelbſt fruͤher Theſſaliſche Helle- nen geherrſcht hatten, und verband die Inſel zu einem Gemeinweſen mit der Mutterſtadt, mit gleichen Rech- ten und unter denſelben Obrigkeiten. Da nun außer Epidauros nur noch Troezen zur Akte gehoͤrt, und außer Deiphontes noch Agaͤos als Doriſcher Be- voͤlkerer dieſes Kuͤſtenlandes genannt wird: ſo muß es wohl Agaͤos geweſen ſein, der Troezen zur Doriſchen Stadt machte 2. Er muß auch hier Jonier angetroffen haben, da die mythiſchen Genealogieen ſowohl als die Goͤtterdienſte des alten Troezen eine nahe Verwandt- ſchaft der fruͤheren Einwohner zu den Athenern bewei- ſen. Denn Troezen theilte ſogar mit den Joniſchen Staͤdten den eigenthuͤmlichen Cultus der Athena Apa- turias als Goͤttinn der Phratrien und Geſchlechter 3, und den des Poſeidon und ſeines Sohnes Theſeus. 5. Die gegebenen Nachrichten zeigen, daß Sikyon, Phlius, Kleonaͤ, Epidauros, Troezen, Aegina von Ar- gos aus unmittelbar oder mittelbar ihren Antheil an Doriſcher Bevoͤlkerung erhielten. Wir muͤſſen bedauern, daß uns von Mykenaͤ und Tiryns beſtimmte Nachrich- ten fehlen, deren Eroberung beſonders ſchwierig aber auch fuͤr den Sieg der Dorier entſcheidend ſein mußte. Pindar 4 betrachtet die Vertreibung der Achaͤiſchen Danaer aus dem Argiviſchen Buſen und Mykenaͤ als identiſch mit dem Heraklidenzug; und Strabon 5 giebt 1 Aegin. p. 43. Die dort gegebene Darſtellung wird wohl die Vergleichung mit Raoul-Roch 2. S. 218. aushalten. 2 Pauſ. 2, 30, 9. 3 Pauſ. 2, 33, 1. Die Jungfrauen legten ihr den Guͤrtel nieder, wenn ſie heiratheten, d. i. in eine andere πάτϱα uͤbergingen. Ein raͤſonnabler Mytholog kann nicht zweifeln, daß Απατούϱια von ἀ(σὺν) und πάτοϱες i. q. γεννῆται herkommt. Vom Tempel der Athena vgl. Hygin fab. 37. 4 Pauſ. 4, 49. 5 Str. 8, 372. 377.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824/112
Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824/112>, abgerufen am 03.12.2024.