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Müller, Johannes: Über die phantastischen Gesichtserscheinungen. Koblenz, 1826.

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halten vermochte. So leicht ich subjective Farben sehe,
nie vermochte ich mit Willen ein Roth, ein Blau ins Seh-
feld zu bannen und zu fixiren.

148.

Ein einzigesmal, als ich einen ganzen Abend, still und
ruhig mit geschlossen Augen daliegend, unaufhörlich ver-
geblich versucht hatte, ein lebhaft Roth im Sehfelde zu se-
hen, und deshalb, um die plastische Phantasie zu unterstützen,
Gegenstände von lebhaft rother Färbung, Vorhänge, Mäntel,
bunte Fenster, rothes Feuer u. s. w. auf das lebhafteste vor-
zustellen mich bemüht hatte, sah ich ein einzigmal einen Fal-
tenwurf von einem lebhaft rothen Tuche. Aber auch dieses
hatte ich nicht erst in diesen bestimmten Umrissen vorgestellt.
Während diesem quälenden Bemühen erschien das specifi-
cirte Produkt der plastischen Phantasie urplötzlich und war
auch bald verschwunden.

149.

Ganz vereinzelt stehen daher die merkwürdigen Fälle
einer leichten willkührlichen Einbildung leuchtender Phan-
tasmen in das Sehfeld. Das erste bietet jener oft erwähn-
te wundersame Mann, dem auch die unwillkührlichen Phan-
tasiebilder so zugänglich waren, Cardanus. Er erzählt
von sich selbst, daß er sich habe leuchtend einbilden können,
was er gewollt. Cardan. de varietate rer. lib. VIII. p.
160. seq. de Subtilitate. XVIII. p. 519. seq.
Hieher
gehört auch ein von Gruithuisen Anthrop. §. 449. mit-
getheilter Fall eines Mannes, der in der Jugend seinen
Vater sich leuchtend vorstellen konnte, was ihm später
minder gut gelang. Auch dem im §. 117 erwähnten Künst-
ler H. gelingt es oft, das, was er mit Willen im dun-
keln Sehfelde sich einbildet, lenchtend und farbig zu sehen.

halten vermochte. So leicht ich ſubjective Farben ſehe,
nie vermochte ich mit Willen ein Roth, ein Blau ins Seh-
feld zu bannen und zu fixiren.

148.

Ein einzigesmal, als ich einen ganzen Abend, ſtill und
ruhig mit geſchloſſen Augen daliegend, unaufhoͤrlich ver-
geblich verſucht hatte, ein lebhaft Roth im Sehfelde zu ſe-
hen, und deshalb, um die plaſtiſche Phantaſie zu unterſtuͤtzen,
Gegenſtaͤnde von lebhaft rother Faͤrbung, Vorhaͤnge, Maͤntel,
bunte Fenſter, rothes Feuer u. ſ. w. auf das lebhafteſte vor-
zuſtellen mich bemuͤht hatte, ſah ich ein einzigmal einen Fal-
tenwurf von einem lebhaft rothen Tuche. Aber auch dieſes
hatte ich nicht erſt in dieſen beſtimmten Umriſſen vorgeſtellt.
Waͤhrend dieſem quaͤlenden Bemuͤhen erſchien das ſpecifi-
cirte Produkt der plaſtiſchen Phantaſie urploͤtzlich und war
auch bald verſchwunden.

149.

Ganz vereinzelt ſtehen daher die merkwuͤrdigen Faͤlle
einer leichten willkuͤhrlichen Einbildung leuchtender Phan-
tasmen in das Sehfeld. Das erſte bietet jener oft erwaͤhn-
te wunderſame Mann, dem auch die unwillkuͤhrlichen Phan-
taſiebilder ſo zugaͤnglich waren, Cardanus. Er erzaͤhlt
von ſich ſelbſt, daß er ſich habe leuchtend einbilden koͤnnen,
was er gewollt. Cardan. de varietate rer. lib. VIII. p.
160. seq. de Subtilitate. XVIII. p. 519. seq.
Hieher
gehoͤrt auch ein von Gruithuiſen Anthrop. §. 449. mit-
getheilter Fall eines Mannes, der in der Jugend ſeinen
Vater ſich leuchtend vorſtellen konnte, was ihm ſpaͤter
minder gut gelang. Auch dem im §. 117 erwaͤhnten Kuͤnſt-
ler H. gelingt es oft, das, was er mit Willen im dun-
keln Sehfelde ſich einbildet, lenchtend und farbig zu ſehen.

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[82/0098] halten vermochte. So leicht ich ſubjective Farben ſehe, nie vermochte ich mit Willen ein Roth, ein Blau ins Seh- feld zu bannen und zu fixiren. 148. Ein einzigesmal, als ich einen ganzen Abend, ſtill und ruhig mit geſchloſſen Augen daliegend, unaufhoͤrlich ver- geblich verſucht hatte, ein lebhaft Roth im Sehfelde zu ſe- hen, und deshalb, um die plaſtiſche Phantaſie zu unterſtuͤtzen, Gegenſtaͤnde von lebhaft rother Faͤrbung, Vorhaͤnge, Maͤntel, bunte Fenſter, rothes Feuer u. ſ. w. auf das lebhafteſte vor- zuſtellen mich bemuͤht hatte, ſah ich ein einzigmal einen Fal- tenwurf von einem lebhaft rothen Tuche. Aber auch dieſes hatte ich nicht erſt in dieſen beſtimmten Umriſſen vorgeſtellt. Waͤhrend dieſem quaͤlenden Bemuͤhen erſchien das ſpecifi- cirte Produkt der plaſtiſchen Phantaſie urploͤtzlich und war auch bald verſchwunden. 149. Ganz vereinzelt ſtehen daher die merkwuͤrdigen Faͤlle einer leichten willkuͤhrlichen Einbildung leuchtender Phan- tasmen in das Sehfeld. Das erſte bietet jener oft erwaͤhn- te wunderſame Mann, dem auch die unwillkuͤhrlichen Phan- taſiebilder ſo zugaͤnglich waren, Cardanus. Er erzaͤhlt von ſich ſelbſt, daß er ſich habe leuchtend einbilden koͤnnen, was er gewollt. Cardan. de varietate rer. lib. VIII. p. 160. seq. de Subtilitate. XVIII. p. 519. seq. Hieher gehoͤrt auch ein von Gruithuiſen Anthrop. §. 449. mit- getheilter Fall eines Mannes, der in der Jugend ſeinen Vater ſich leuchtend vorſtellen konnte, was ihm ſpaͤter minder gut gelang. Auch dem im §. 117 erwaͤhnten Kuͤnſt- ler H. gelingt es oft, das, was er mit Willen im dun- keln Sehfelde ſich einbildet, lenchtend und farbig zu ſehen.

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Zitationshilfe: Müller, Johannes: Über die phantastischen Gesichtserscheinungen. Koblenz, 1826, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_gesichtserscheinungen_1826/98>, abgerufen am 22.12.2024.