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Müller, Johannes: Über die phantastischen Gesichtserscheinungen. Koblenz, 1826.

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XII. Das willkührliche Einbilden leuch-
tender Phantasmen, die gegen Will-
kühr sich entwickelnd verwandeln
.
146.

Die Uebergänge zu dieser höchsten Stufe des Eigenle-
bens der Phantasie liegen in der ekstatischen Vision. Es ist
hier oft und besonders in der magischen Vision ein entschie-
dener Wille vorhanden, etwas Bestimmtes zu sehen. Aber
das Eigenleben, worin das Gesuchte endlich leuchtend er-
scheint, ist hier durch den ekstatischen Zustand des Nervensy-
stems bedingt und es wird diesen Erscheinungen fälschlich Ob-
jectivität zugeschrieben. Dasjenige plastischen Eigenleben der
Phantasie, welches im harmonischen Verhältniß mit den
übrigen Geisteskräften steht, so daß das Gewollte ohne
ekstatische Exaltation leuchtend in die Sehsinnsubstanz
eingebildet wird, und wobei ein kräftiger dem Leben der
Phantasie gewachsener Verstand die Erscheinung nur als eine
Blüthe dieser letztern erkennt, über dem Irrseyn, über dem
Aberglauben, über der Schwärmerei hoch erhaben, ein schaf-
fender, lebendiger, über seine Producte denkender Geist,
diese höchste freieste Erscheinung des Phaenomens ist höchst
selten.

147.

So leicht bei mir die Phantasiebilder unwillkührlich
eintreten, so habe ich doch bei der größten Anstrengung
fast nie willkührlich ein bestimmtes Phantasma von bestimm-
ter Beleuchtung und Färbung erzeugen können. Ich habe
halbe Tage in dieser Willensübung im Dunkeln zugebracht.
Die Phantasiebilder waren immer ein dem Willen trotzendes
Phantastisches, was ich nicht hervorzurufen, nicht festzu

6
XII. Das willkuͤhrliche Einbilden leuch-
tender Phantasmen, die gegen Will-
kuͤhr ſich entwickelnd verwandeln
.
146.

Die Uebergaͤnge zu dieſer hoͤchſten Stufe des Eigenle-
bens der Phantaſie liegen in der ekſtatiſchen Viſion. Es iſt
hier oft und beſonders in der magiſchen Viſion ein entſchie-
dener Wille vorhanden, etwas Beſtimmtes zu ſehen. Aber
das Eigenleben, worin das Geſuchte endlich leuchtend er-
ſcheint, iſt hier durch den ekſtatiſchen Zuſtand des Nervenſy-
ſtems bedingt und es wird dieſen Erſcheinungen faͤlſchlich Ob-
jectivitaͤt zugeſchrieben. Dasjenige plaſtiſchen Eigenleben der
Phantaſie, welches im harmoniſchen Verhaͤltniß mit den
uͤbrigen Geiſteskraͤften ſteht, ſo daß das Gewollte ohne
ekſtatiſche Exaltation leuchtend in die Sehſinnſubſtanz
eingebildet wird, und wobei ein kraͤftiger dem Leben der
Phantaſie gewachſener Verſtand die Erſcheinung nur als eine
Bluͤthe dieſer letztern erkennt, uͤber dem Irrſeyn, uͤber dem
Aberglauben, uͤber der Schwaͤrmerei hoch erhaben, ein ſchaf-
fender, lebendiger, uͤber ſeine Producte denkender Geiſt,
dieſe hoͤchſte freieſte Erſcheinung des Phaenomens iſt hoͤchſt
ſelten.

147.

So leicht bei mir die Phantaſiebilder unwillkuͤhrlich
eintreten, ſo habe ich doch bei der groͤßten Anſtrengung
faſt nie willkuͤhrlich ein beſtimmtes Phantasma von beſtimm-
ter Beleuchtung und Faͤrbung erzeugen koͤnnen. Ich habe
halbe Tage in dieſer Willensuͤbung im Dunkeln zugebracht.
Die Phantaſiebilder waren immer ein dem Willen trotzendes
Phantaſtiſches, was ich nicht hervorzurufen, nicht feſtzu

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[81/0097] XII. Das willkuͤhrliche Einbilden leuch- tender Phantasmen, die gegen Will- kuͤhr ſich entwickelnd verwandeln. 146. Die Uebergaͤnge zu dieſer hoͤchſten Stufe des Eigenle- bens der Phantaſie liegen in der ekſtatiſchen Viſion. Es iſt hier oft und beſonders in der magiſchen Viſion ein entſchie- dener Wille vorhanden, etwas Beſtimmtes zu ſehen. Aber das Eigenleben, worin das Geſuchte endlich leuchtend er- ſcheint, iſt hier durch den ekſtatiſchen Zuſtand des Nervenſy- ſtems bedingt und es wird dieſen Erſcheinungen faͤlſchlich Ob- jectivitaͤt zugeſchrieben. Dasjenige plaſtiſchen Eigenleben der Phantaſie, welches im harmoniſchen Verhaͤltniß mit den uͤbrigen Geiſteskraͤften ſteht, ſo daß das Gewollte ohne ekſtatiſche Exaltation leuchtend in die Sehſinnſubſtanz eingebildet wird, und wobei ein kraͤftiger dem Leben der Phantaſie gewachſener Verſtand die Erſcheinung nur als eine Bluͤthe dieſer letztern erkennt, uͤber dem Irrſeyn, uͤber dem Aberglauben, uͤber der Schwaͤrmerei hoch erhaben, ein ſchaf- fender, lebendiger, uͤber ſeine Producte denkender Geiſt, dieſe hoͤchſte freieſte Erſcheinung des Phaenomens iſt hoͤchſt ſelten. 147. So leicht bei mir die Phantaſiebilder unwillkuͤhrlich eintreten, ſo habe ich doch bei der groͤßten Anſtrengung faſt nie willkuͤhrlich ein beſtimmtes Phantasma von beſtimm- ter Beleuchtung und Faͤrbung erzeugen koͤnnen. Ich habe halbe Tage in dieſer Willensuͤbung im Dunkeln zugebracht. Die Phantaſiebilder waren immer ein dem Willen trotzendes Phantaſtiſches, was ich nicht hervorzurufen, nicht feſtzu 6

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Zitationshilfe: Müller, Johannes: Über die phantastischen Gesichtserscheinungen. Koblenz, 1826, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_gesichtserscheinungen_1826/97>, abgerufen am 22.12.2024.