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Müller, Johannes: Über die phantastischen Gesichtserscheinungen. Koblenz, 1826.

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gentliches Delirium statt findet, und die allein auftretenden
Phantasiebilder von dem freien unbefangenen Verstand auch
als solche ausgelegt werden. Nicolai litt im Jahr 1778
an einem Wechselfieber, in welchem schon vor dem Frost
kolorirte Bilder in halber Lebensgröße, wie in einen Rah-
men gefaßt, erschienen. Es waren Landschaften mit Bäu-
men, Felsen u. s. w. vermischt. Hielt er die Augen ge-
schlossen, so änderte sich nach einer Minute immer etwas
in der Vorstellung, einige Figuren verschwanden nnd an-
dere erschienen. Oeffnete er die Augen so war Alles weg,
schloß er sie wieder, so war eine ganz andere Landschaft
da. Wurden die Augen in jeder Secunde geöffnet und ge-
schlossen, so erschien jedesmal ein anderes Bild voll mannig-
faltiger Gegenstände, welche mit denen, die vorher erschie-
nen waren, gar nichts gemein hatten.

142.

Hier schließt sich nun zunächst diejenige Stufe an, wo
das Phantasiebild als objective Erscheinung erkannt wird.
Ich kenne einen jungen Künstler G., dem diese Erscheinungen
leicht bei jeder geistigen Aufregung und auch beim Malen
auftreten. Aber er konnte ihnen früher die Kraft des Verstan-
nicht entgegen setzen, er hielt sie für objective Erscheinun-
gen von Geistern, die ihn beschränken wollen, und gegen
die er Staffelei und Messer in seiner Noth erhoben hat.



gentliches Delirium ſtatt findet, und die allein auftretenden
Phantaſiebilder von dem freien unbefangenen Verſtand auch
als ſolche ausgelegt werden. Nicolai litt im Jahr 1778
an einem Wechſelfieber, in welchem ſchon vor dem Froſt
kolorirte Bilder in halber Lebensgroͤße, wie in einen Rah-
men gefaßt, erſchienen. Es waren Landſchaften mit Baͤu-
men, Felſen u. ſ. w. vermiſcht. Hielt er die Augen ge-
ſchloſſen, ſo aͤnderte ſich nach einer Minute immer etwas
in der Vorſtellung, einige Figuren verſchwanden nnd an-
dere erſchienen. Oeffnete er die Augen ſo war Alles weg,
ſchloß er ſie wieder, ſo war eine ganz andere Landſchaft
da. Wurden die Augen in jeder Secunde geoͤffnet und ge-
ſchloſſen, ſo erſchien jedesmal ein anderes Bild voll mannig-
faltiger Gegenſtaͤnde, welche mit denen, die vorher erſchie-
nen waren, gar nichts gemein hatten.

142.

Hier ſchließt ſich nun zunaͤchſt diejenige Stufe an, wo
das Phantaſiebild als objective Erſcheinung erkannt wird.
Ich kenne einen jungen Kuͤnſtler G., dem dieſe Erſcheinungen
leicht bei jeder geiſtigen Aufregung und auch beim Malen
auftreten. Aber er konnte ihnen fruͤher die Kraft des Verſtan-
nicht entgegen ſetzen, er hielt ſie fuͤr objective Erſcheinun-
gen von Geiſtern, die ihn beſchraͤnken wollen, und gegen
die er Staffelei und Meſſer in ſeiner Noth erhoben hat.



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[80/0096] gentliches Delirium ſtatt findet, und die allein auftretenden Phantaſiebilder von dem freien unbefangenen Verſtand auch als ſolche ausgelegt werden. Nicolai litt im Jahr 1778 an einem Wechſelfieber, in welchem ſchon vor dem Froſt kolorirte Bilder in halber Lebensgroͤße, wie in einen Rah- men gefaßt, erſchienen. Es waren Landſchaften mit Baͤu- men, Felſen u. ſ. w. vermiſcht. Hielt er die Augen ge- ſchloſſen, ſo aͤnderte ſich nach einer Minute immer etwas in der Vorſtellung, einige Figuren verſchwanden nnd an- dere erſchienen. Oeffnete er die Augen ſo war Alles weg, ſchloß er ſie wieder, ſo war eine ganz andere Landſchaft da. Wurden die Augen in jeder Secunde geoͤffnet und ge- ſchloſſen, ſo erſchien jedesmal ein anderes Bild voll mannig- faltiger Gegenſtaͤnde, welche mit denen, die vorher erſchie- nen waren, gar nichts gemein hatten. 142. Hier ſchließt ſich nun zunaͤchſt diejenige Stufe an, wo das Phantaſiebild als objective Erſcheinung erkannt wird. Ich kenne einen jungen Kuͤnſtler G., dem dieſe Erſcheinungen leicht bei jeder geiſtigen Aufregung und auch beim Malen auftreten. Aber er konnte ihnen fruͤher die Kraft des Verſtan- nicht entgegen ſetzen, er hielt ſie fuͤr objective Erſcheinun- gen von Geiſtern, die ihn beſchraͤnken wollen, und gegen die er Staffelei und Meſſer in ſeiner Noth erhoben hat.

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Zitationshilfe: Müller, Johannes: Über die phantastischen Gesichtserscheinungen. Koblenz, 1826, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_gesichtserscheinungen_1826/96>, abgerufen am 21.11.2024.