Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Müller, Johannes: Über die phantastischen Gesichtserscheinungen. Koblenz, 1826.

Bild:
<< vorherige Seite

weilen verschwanden sie durch das Verschliessen der Augen
und waren in der nehmlichen Gestalt wieder da, wenn er
sie wieder öffnete (?!). Zuweilen verschwanden sie auch
nicht bei geschlossenen Augen. Meistens waren es mensch-
lische Gestalten beiderlei Geschlechtes, die zuweilen Ge-
schäfte mit einander zu haben schienen, meistens aber ohne
Verkehr wie auf einem Markt durch einander giengen. Ein-
mal sah er auch eine Person zu Pferde, desgleichen Hunde
und Vögel. Die Phantasmen erschienen in Lebensgröße
mit den verschiedenen Carnazionen der unbedeckten Theile
und in Kleidung von allerhand Farben, nur die Farben
blässer als an wirklichen Objecten. Mit der Zeit kamen
die Erscheinungen häufiger und öfterer, nach vier Wochen
fiengen sie auch an zu reden, sie sprachen unter sich, doch
meistens redeten sie den Kranken an."

142.

"Am 20. April, Vormittags um 11 Uhr wurden Blut-
igel an den After gelegt, das Zimmer wimmelte von mensch-
lichen Gestalten aller Art, die sich unter einander dräng-
ten. Dieß dauerte ununterbrochen fort, bis ohngefähr um
halb fünf Uhr, um die Zeit der anfangenden Verdauung.
Da bemerkte er, daß die Gestalten anfiengen sich langsa-
mer zu bewegen. Kurz darauf begannen ihre Farben nach
und nach blässer zu werden, sie nahmen mit jeder Viertel-
stunde immer mehr ab, ohne daß die bestimmte Figur der
Gestalten wäre verändert worden. Etwa um halb sieben
Uhr waren alle Gestalten ganz weiß und bewegten sich nur
sehr wenig; doch waren die Umrisse noch sehr bestimmt; nach
und nach wurden sie merklich unbestimmter, ohne daß ihre
Anzahl abgenommen hätte, wie sonst oft der Fall gewesen
war. Die Gestalten giengen nicht weg, sie verschwanden
auch nicht, welches sonst sehr oft geschehen war. Jetzt zer-
flossen sie gleichsam in die Luft. Von einigen Figuren waren

weilen verſchwanden ſie durch das Verſchlieſſen der Augen
und waren in der nehmlichen Geſtalt wieder da, wenn er
ſie wieder oͤffnete (?!). Zuweilen verſchwanden ſie auch
nicht bei geſchloſſenen Augen. Meiſtens waren es menſch-
liſche Geſtalten beiderlei Geſchlechtes, die zuweilen Ge-
ſchaͤfte mit einander zu haben ſchienen, meiſtens aber ohne
Verkehr wie auf einem Markt durch einander giengen. Ein-
mal ſah er auch eine Perſon zu Pferde, desgleichen Hunde
und Voͤgel. Die Phantasmen erſchienen in Lebensgroͤße
mit den verſchiedenen Carnazionen der unbedeckten Theile
und in Kleidung von allerhand Farben, nur die Farben
blaͤſſer als an wirklichen Objecten. Mit der Zeit kamen
die Erſcheinungen haͤufiger und oͤfterer, nach vier Wochen
fiengen ſie auch an zu reden, ſie ſprachen unter ſich, doch
meiſtens redeten ſie den Kranken an.«

142.

»Am 20. April, Vormittags um 11 Uhr wurden Blut-
igel an den After gelegt, das Zimmer wimmelte von menſch-
lichen Geſtalten aller Art, die ſich unter einander draͤng-
ten. Dieß dauerte ununterbrochen fort, bis ohngefaͤhr um
halb fuͤnf Uhr, um die Zeit der anfangenden Verdauung.
Da bemerkte er, daß die Geſtalten anfiengen ſich langſa-
mer zu bewegen. Kurz darauf begannen ihre Farben nach
und nach blaͤſſer zu werden, ſie nahmen mit jeder Viertel-
ſtunde immer mehr ab, ohne daß die beſtimmte Figur der
Geſtalten waͤre veraͤndert worden. Etwa um halb ſieben
Uhr waren alle Geſtalten ganz weiß und bewegten ſich nur
ſehr wenig; doch waren die Umriſſe noch ſehr beſtimmt; nach
und nach wurden ſie merklich unbeſtimmter, ohne daß ihre
Anzahl abgenommen haͤtte, wie ſonſt oft der Fall geweſen
war. Die Geſtalten giengen nicht weg, ſie verſchwanden
auch nicht, welches ſonſt ſehr oft geſchehen war. Jetzt zer-
floſſen ſie gleichſam in die Luft. Von einigen Figuren waren

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0094" n="78"/>
weilen ver&#x017F;chwanden &#x017F;ie durch das Ver&#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;en der Augen<lb/>
und waren in der nehmlichen Ge&#x017F;talt wieder da, wenn er<lb/>
&#x017F;ie wieder o&#x0364;ffnete (?!). Zuweilen ver&#x017F;chwanden &#x017F;ie auch<lb/>
nicht bei ge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;enen Augen. Mei&#x017F;tens waren es men&#x017F;ch-<lb/>
li&#x017F;che Ge&#x017F;talten beiderlei Ge&#x017F;chlechtes, die zuweilen Ge-<lb/>
&#x017F;cha&#x0364;fte mit einander zu haben &#x017F;chienen, mei&#x017F;tens aber ohne<lb/>
Verkehr wie auf einem Markt durch einander giengen. Ein-<lb/>
mal &#x017F;ah er auch eine Per&#x017F;on zu Pferde, desgleichen Hunde<lb/>
und Vo&#x0364;gel. Die Phantasmen er&#x017F;chienen in Lebensgro&#x0364;ße<lb/>
mit den ver&#x017F;chiedenen Carnazionen der unbedeckten Theile<lb/>
und in Kleidung von allerhand Farben, nur die Farben<lb/>
bla&#x0364;&#x017F;&#x017F;er als an wirklichen Objecten. Mit der Zeit kamen<lb/>
die Er&#x017F;cheinungen ha&#x0364;ufiger und o&#x0364;fterer, nach vier Wochen<lb/>
fiengen &#x017F;ie auch an zu reden, &#x017F;ie &#x017F;prachen unter &#x017F;ich, doch<lb/>
mei&#x017F;tens redeten &#x017F;ie den Kranken an.«</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>142.</head><lb/>
            <p>»Am 20. April, Vormittags um 11 Uhr wurden Blut-<lb/>
igel an den After gelegt, das Zimmer wimmelte von men&#x017F;ch-<lb/>
lichen Ge&#x017F;talten aller Art, die &#x017F;ich unter einander dra&#x0364;ng-<lb/>
ten. Dieß dauerte ununterbrochen fort, bis ohngefa&#x0364;hr um<lb/>
halb fu&#x0364;nf Uhr, um die Zeit der anfangenden Verdauung.<lb/>
Da bemerkte er, daß die Ge&#x017F;talten anfiengen &#x017F;ich lang&#x017F;a-<lb/>
mer zu bewegen. Kurz darauf begannen ihre Farben nach<lb/>
und nach bla&#x0364;&#x017F;&#x017F;er zu werden, &#x017F;ie nahmen mit jeder Viertel-<lb/>
&#x017F;tunde immer mehr ab, ohne daß die be&#x017F;timmte Figur der<lb/>
Ge&#x017F;talten wa&#x0364;re vera&#x0364;ndert worden. Etwa um halb &#x017F;ieben<lb/>
Uhr waren alle Ge&#x017F;talten ganz weiß und bewegten &#x017F;ich nur<lb/>
&#x017F;ehr wenig; doch waren die Umri&#x017F;&#x017F;e noch &#x017F;ehr be&#x017F;timmt; nach<lb/>
und nach wurden &#x017F;ie merklich unbe&#x017F;timmter, ohne daß ihre<lb/>
Anzahl abgenommen ha&#x0364;tte, wie &#x017F;on&#x017F;t oft der Fall gewe&#x017F;en<lb/>
war. Die Ge&#x017F;talten giengen nicht weg, &#x017F;ie ver&#x017F;chwanden<lb/>
auch nicht, welches &#x017F;on&#x017F;t &#x017F;ehr oft ge&#x017F;chehen war. Jetzt zer-<lb/>
flo&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie gleich&#x017F;am in die Luft. Von einigen Figuren waren<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[78/0094] weilen verſchwanden ſie durch das Verſchlieſſen der Augen und waren in der nehmlichen Geſtalt wieder da, wenn er ſie wieder oͤffnete (?!). Zuweilen verſchwanden ſie auch nicht bei geſchloſſenen Augen. Meiſtens waren es menſch- liſche Geſtalten beiderlei Geſchlechtes, die zuweilen Ge- ſchaͤfte mit einander zu haben ſchienen, meiſtens aber ohne Verkehr wie auf einem Markt durch einander giengen. Ein- mal ſah er auch eine Perſon zu Pferde, desgleichen Hunde und Voͤgel. Die Phantasmen erſchienen in Lebensgroͤße mit den verſchiedenen Carnazionen der unbedeckten Theile und in Kleidung von allerhand Farben, nur die Farben blaͤſſer als an wirklichen Objecten. Mit der Zeit kamen die Erſcheinungen haͤufiger und oͤfterer, nach vier Wochen fiengen ſie auch an zu reden, ſie ſprachen unter ſich, doch meiſtens redeten ſie den Kranken an.« 142. »Am 20. April, Vormittags um 11 Uhr wurden Blut- igel an den After gelegt, das Zimmer wimmelte von menſch- lichen Geſtalten aller Art, die ſich unter einander draͤng- ten. Dieß dauerte ununterbrochen fort, bis ohngefaͤhr um halb fuͤnf Uhr, um die Zeit der anfangenden Verdauung. Da bemerkte er, daß die Geſtalten anfiengen ſich langſa- mer zu bewegen. Kurz darauf begannen ihre Farben nach und nach blaͤſſer zu werden, ſie nahmen mit jeder Viertel- ſtunde immer mehr ab, ohne daß die beſtimmte Figur der Geſtalten waͤre veraͤndert worden. Etwa um halb ſieben Uhr waren alle Geſtalten ganz weiß und bewegten ſich nur ſehr wenig; doch waren die Umriſſe noch ſehr beſtimmt; nach und nach wurden ſie merklich unbeſtimmter, ohne daß ihre Anzahl abgenommen haͤtte, wie ſonſt oft der Fall geweſen war. Die Geſtalten giengen nicht weg, ſie verſchwanden auch nicht, welches ſonſt ſehr oft geſchehen war. Jetzt zer- floſſen ſie gleichſam in die Luft. Von einigen Figuren waren

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_gesichtserscheinungen_1826
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_gesichtserscheinungen_1826/94
Zitationshilfe: Müller, Johannes: Über die phantastischen Gesichtserscheinungen. Koblenz, 1826, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_gesichtserscheinungen_1826/94>, abgerufen am 22.12.2024.