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Müller, Johannes: Über die phantastischen Gesichtserscheinungen. Koblenz, 1826.

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70.

Diese Selbstbeobachtung scheint sogar wahrscheinlich zu
machen, daß auch die phantastischen Bilder wie die Blen-
dungsbilder durch neue Eindrücke Veränderung und Um-
kehrung des Hellen, Dunkeln und des Farbigen erfah-
ren.

71.

Gruithuisen, welcher den Sitz der Traumbilder,
auf die Darwinsche Beobachtung von dem Mangel der
Traumbilder bei den Blinden gestützt, in die Netzhaut setzt, be-
hauptet, daß auch die Traumbilder nach dem Erwachen sich
noch bei geschlossenen sich bewegenden Augen mit bewegen. Dem
muß ich durchaus widersprechen. Ich habe vor dem Ein-
schlafen die phantastischen Bilder nie durch Bewegung der
geschlossenen Augen bewegen können. Wenn sie sich bei
geöffneten Augen mit der Bewegung der letzteren über die
äußern Dinge zu bewegen scheinen, so beruht dieser Schein
nur in dem durch die Bewegung der Augen bedingten wech-
selnden Zusammenfallen anderer Objecte mit gewissen Theilen
des Sehfeldes. In der That, wenn, wie früher aus Er-
fahrungen der Blinden gegen Gruithuisen bewiesen
worden ist, die phanstatischen Bilder in den innersten Thei-
len der Sehsinnsubstanz ihren Sitz haben, würde Bewe-
gung der phantastischen Bilder mit der Bewegung der Au-
gen ein offener unauflöslicher Widerspruch seyn.

72.

Die Blendungsbilder in der beweglichen Extremität
der Sehsinnsubstanz und die phantastischen Bilder in den
unbeweglichen inneren Theilen derselben kommen daher dar-
in überein, daß sie ein beständiges Verhältniß zur Räum-
lichkeit des Sehfeldes gegen alle wechselnden Eindrücke auf
dasselbe behaupten; sie unterscheiden sich aber dadurch we-

70.

Dieſe Selbſtbeobachtung ſcheint ſogar wahrſcheinlich zu
machen, daß auch die phantaſtiſchen Bilder wie die Blen-
dungsbilder durch neue Eindruͤcke Veraͤnderung und Um-
kehrung des Hellen, Dunkeln und des Farbigen erfah-
ren.

71.

Gruithuiſen, welcher den Sitz der Traumbilder,
auf die Darwinſche Beobachtung von dem Mangel der
Traumbilder bei den Blinden geſtuͤtzt, in die Netzhaut ſetzt, be-
hauptet, daß auch die Traumbilder nach dem Erwachen ſich
noch bei geſchloſſenen ſich bewegenden Augen mit bewegen. Dem
muß ich durchaus widerſprechen. Ich habe vor dem Ein-
ſchlafen die phantaſtiſchen Bilder nie durch Bewegung der
geſchloſſenen Augen bewegen koͤnnen. Wenn ſie ſich bei
geoͤffneten Augen mit der Bewegung der letzteren uͤber die
aͤußern Dinge zu bewegen ſcheinen, ſo beruht dieſer Schein
nur in dem durch die Bewegung der Augen bedingten wech-
ſelnden Zuſammenfallen anderer Objecte mit gewiſſen Theilen
des Sehfeldes. In der That, wenn, wie fruͤher aus Er-
fahrungen der Blinden gegen Gruithuiſen bewieſen
worden iſt, die phanſtatiſchen Bilder in den innerſten Thei-
len der Sehſinnſubſtanz ihren Sitz haben, wuͤrde Bewe-
gung der phantaſtiſchen Bilder mit der Bewegung der Au-
gen ein offener unaufloͤslicher Widerſpruch ſeyn.

72.

Die Blendungsbilder in der beweglichen Extremitaͤt
der Sehſinnſubſtanz und die phantaſtiſchen Bilder in den
unbeweglichen inneren Theilen derſelben kommen daher dar-
in uͤberein, daß ſie ein beſtaͤndiges Verhaͤltniß zur Raͤum-
lichkeit des Sehfeldes gegen alle wechſelnden Eindruͤcke auf
daſſelbe behaupten; ſie unterſcheiden ſich aber dadurch we-

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[37/0053] 70. Dieſe Selbſtbeobachtung ſcheint ſogar wahrſcheinlich zu machen, daß auch die phantaſtiſchen Bilder wie die Blen- dungsbilder durch neue Eindruͤcke Veraͤnderung und Um- kehrung des Hellen, Dunkeln und des Farbigen erfah- ren. 71. Gruithuiſen, welcher den Sitz der Traumbilder, auf die Darwinſche Beobachtung von dem Mangel der Traumbilder bei den Blinden geſtuͤtzt, in die Netzhaut ſetzt, be- hauptet, daß auch die Traumbilder nach dem Erwachen ſich noch bei geſchloſſenen ſich bewegenden Augen mit bewegen. Dem muß ich durchaus widerſprechen. Ich habe vor dem Ein- ſchlafen die phantaſtiſchen Bilder nie durch Bewegung der geſchloſſenen Augen bewegen koͤnnen. Wenn ſie ſich bei geoͤffneten Augen mit der Bewegung der letzteren uͤber die aͤußern Dinge zu bewegen ſcheinen, ſo beruht dieſer Schein nur in dem durch die Bewegung der Augen bedingten wech- ſelnden Zuſammenfallen anderer Objecte mit gewiſſen Theilen des Sehfeldes. In der That, wenn, wie fruͤher aus Er- fahrungen der Blinden gegen Gruithuiſen bewieſen worden iſt, die phanſtatiſchen Bilder in den innerſten Thei- len der Sehſinnſubſtanz ihren Sitz haben, wuͤrde Bewe- gung der phantaſtiſchen Bilder mit der Bewegung der Au- gen ein offener unaufloͤslicher Widerſpruch ſeyn. 72. Die Blendungsbilder in der beweglichen Extremitaͤt der Sehſinnſubſtanz und die phantaſtiſchen Bilder in den unbeweglichen inneren Theilen derſelben kommen daher dar- in uͤberein, daß ſie ein beſtaͤndiges Verhaͤltniß zur Raͤum- lichkeit des Sehfeldes gegen alle wechſelnden Eindruͤcke auf daſſelbe behaupten; ſie unterſcheiden ſich aber dadurch we-

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Zitationshilfe: Müller, Johannes: Über die phantastischen Gesichtserscheinungen. Koblenz, 1826, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_gesichtserscheinungen_1826/53>, abgerufen am 21.11.2024.