Müller, Johannes: Über die phantastischen Gesichtserscheinungen. Koblenz, 1826.war unmöglich, die hervorsprossende Schöpfung zu fixiren, 49. Diese Freiheit des innern Sinnenlebens mag uns 50. Damit jenes letzte Beispiel der höchsten Freiheit im war unmoͤglich, die hervorſproſſende Schoͤpfung zu fixiren, 49. Dieſe Freiheit des innern Sinnenlebens mag uns 50. Damit jenes letzte Beiſpiel der hoͤchſten Freiheit im <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0044" n="28"/> war unmoͤglich, die hervorſproſſende Schoͤpfung zu fixiren,<lb/> hingegen dauerte ſie ſo lange als mir beliebte, ermattete<lb/> nicht und verſtaͤrkte ſich nicht. Daſſelbe konnte ich hervor-<lb/> bringen, wenn ich mir den Zierrath einer buntgemalten<lb/> Scheibe dachte, welcher dann ebenfalls aus der Mitte<lb/> gegen die Peripherie ſich immerfort veraͤnderte, voͤllig<lb/> wie die in unſern Tagen erſt erfundenen Kaleidoscope.«<lb/><hi rendition="#g">Goethe</hi> zur Morphologie und Naturwiſſenſchaft.</p> </div><lb/> <div n="3"> <head>49.</head><lb/> <p>Dieſe Freiheit des innern Sinnenlebens mag uns<lb/> denn auch als die hoͤchſte Stufe erſcheinen, von welcher<lb/> bis zu der einfachſten Form des Phaenomenes, die ich zuerſt<lb/> aus eigner Erfahrung beſchrieben, eine große Mannigfal-<lb/> tigkeit gegeben iſt, deren Einſicht uns ſicher ſeyn muß, wenn<lb/> wir einmal die Grundphaenomene befeſtigt haben. Die Bei-<lb/> ſpiele einer willkuͤhrlichen Einbildung in den Sinn ſind<lb/> gewiß hoͤchſt ſelten, aber auch die hoͤchſten reinſten Bluͤthen der<lb/> Sinnlichkeit und des ſinnlichen Lebens, hoch erhaben uͤber jene<lb/> befangenen Viſionen, in welchen die Superſtition als religioͤſe<lb/> Schwaͤrmerei oder Aberglaube die Geſchoͤpfe des Eigenlebens<lb/> unſerer Sinne entweder verehrt und anbetet oder fuͤrchtet.</p> </div><lb/> <div n="3"> <head>50.</head><lb/> <p>Damit jenes letzte Beiſpiel der hoͤchſten Freiheit im<lb/> ſinnlichen Leben nicht vereinzelt ſtehe, ſei abermals jenes<lb/> ſchon einmal berufenen merkwuͤrdigen Mannes erwaͤhnt.<lb/><hi rendition="#g">Cardanus</hi> erzaͤhlte von ſich ſelbſt, daß er vor ſeinen Au-<lb/> gen habe ſehen koͤnnen, was ihm in den Sinn gekommen,<lb/> was er nur gewollt. Wie denn auch im Alterthum hier und<lb/> dort ein Beiſpiel einer ſolchen vorurtheilsfreien innern Sinn-<lb/> lichkeit erſcheint. Eines ſolchen Mannes gedenkt irgendwo<lb/> in den <hi rendition="#aq">parvis naturalibus</hi> <hi rendition="#g">Ariſtoteles</hi>, und von dem<lb/> Maler Theon von Samos erzaͤhlt <hi rendition="#g">Quintilianus</hi>: <hi rendition="#aq">Con-<lb/></hi></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [28/0044]
war unmoͤglich, die hervorſproſſende Schoͤpfung zu fixiren,
hingegen dauerte ſie ſo lange als mir beliebte, ermattete
nicht und verſtaͤrkte ſich nicht. Daſſelbe konnte ich hervor-
bringen, wenn ich mir den Zierrath einer buntgemalten
Scheibe dachte, welcher dann ebenfalls aus der Mitte
gegen die Peripherie ſich immerfort veraͤnderte, voͤllig
wie die in unſern Tagen erſt erfundenen Kaleidoscope.«
Goethe zur Morphologie und Naturwiſſenſchaft.
49.
Dieſe Freiheit des innern Sinnenlebens mag uns
denn auch als die hoͤchſte Stufe erſcheinen, von welcher
bis zu der einfachſten Form des Phaenomenes, die ich zuerſt
aus eigner Erfahrung beſchrieben, eine große Mannigfal-
tigkeit gegeben iſt, deren Einſicht uns ſicher ſeyn muß, wenn
wir einmal die Grundphaenomene befeſtigt haben. Die Bei-
ſpiele einer willkuͤhrlichen Einbildung in den Sinn ſind
gewiß hoͤchſt ſelten, aber auch die hoͤchſten reinſten Bluͤthen der
Sinnlichkeit und des ſinnlichen Lebens, hoch erhaben uͤber jene
befangenen Viſionen, in welchen die Superſtition als religioͤſe
Schwaͤrmerei oder Aberglaube die Geſchoͤpfe des Eigenlebens
unſerer Sinne entweder verehrt und anbetet oder fuͤrchtet.
50.
Damit jenes letzte Beiſpiel der hoͤchſten Freiheit im
ſinnlichen Leben nicht vereinzelt ſtehe, ſei abermals jenes
ſchon einmal berufenen merkwuͤrdigen Mannes erwaͤhnt.
Cardanus erzaͤhlte von ſich ſelbſt, daß er vor ſeinen Au-
gen habe ſehen koͤnnen, was ihm in den Sinn gekommen,
was er nur gewollt. Wie denn auch im Alterthum hier und
dort ein Beiſpiel einer ſolchen vorurtheilsfreien innern Sinn-
lichkeit erſcheint. Eines ſolchen Mannes gedenkt irgendwo
in den parvis naturalibus Ariſtoteles, und von dem
Maler Theon von Samos erzaͤhlt Quintilianus: Con-
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