Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Müller, Johannes: Über die phantastischen Gesichtserscheinungen. Koblenz, 1826.

Bild:
<< vorherige Seite

siologie des Gesichtssinnes des Menschen und der Thiere 1826)
aus solchen subjectiven Gesichtsphänomenen bewiesen, daß
wir in allen Gesichtserscheinungen, auch in den objectiven,
immer nur die Netzhaut im Zustande ihrer Affection als so-
genanntes Sehfeld sehen.

18.

Das Maß alles Maßes, aller scheinbaren Größen der
Dinge ist die sich gleich bleibende wahre Größe des Auges
und seiner Netzhaut in der unmittelbaren Anschauung ihrer
selbst. Die scheinbaren Größen der Gegenstände erscheinen
auf der wahren subjectiven Größe der Netzhaut als Affec-
tionen besonderer Theile dieses Markgebildes, und die Sum-
me der scheinbaren Größen aller Gegenstände, welche in
einem und demselben Gesichtsfelde vorhanden sind, ist sich
in jeder Gesichtsvorstellung gleich bei allem Wechsel der
Objecte, sie ist identisch mit der wahren Größe des Auges,
der Netzhaut selbst; denn die subjectiv erscheinende Netzhaut
und die Summe der zugleich gebotenen Bilder als Affectio-
nen besonderer Theile ihrer selbst sind ein und dasselbe,
nämlich des subjective Sehfeld.

19.

So wie die Netzhaut, durch mechanische Affection in
aliquoten Theilen ihrer selbst in Thätigkeit versetzt, Bilder
sieht, welche die Begrenzung dieser aliquoten Theile ihrer
selbst haben, so wirkt auch das sogenannte äußere Licht,
nach Gesetzen der Refraction mit aliquoten Theilen der
Netzhaut in Berührung gebracht, Bilder, welche die Begren-
zung dieser aliquoten Theile ihrer selbst haben. Das äu-
ßere Licht oder das Elementarische ist auch nur in so fern
leuchtend, als es das Auge in Affection setzt. Was das
äußere sogenannte Licht selbst ist, wissen wir nicht, wir ken-
nen es bloß aus den Energieen organischer Körper, denen es

ſiologie des Geſichtsſinnes des Menſchen und der Thiere 1826)
aus ſolchen ſubjectiven Geſichtsphaͤnomenen bewieſen, daß
wir in allen Geſichtserſcheinungen, auch in den objectiven,
immer nur die Netzhaut im Zuſtande ihrer Affection als ſo-
genanntes Sehfeld ſehen.

18.

Das Maß alles Maßes, aller ſcheinbaren Groͤßen der
Dinge iſt die ſich gleich bleibende wahre Groͤße des Auges
und ſeiner Netzhaut in der unmittelbaren Anſchauung ihrer
ſelbſt. Die ſcheinbaren Groͤßen der Gegenſtaͤnde erſcheinen
auf der wahren ſubjectiven Groͤße der Netzhaut als Affec-
tionen beſonderer Theile dieſes Markgebildes, und die Sum-
me der ſcheinbaren Groͤßen aller Gegenſtaͤnde, welche in
einem und demſelben Geſichtsfelde vorhanden ſind, iſt ſich
in jeder Geſichtsvorſtellung gleich bei allem Wechſel der
Objecte, ſie iſt identiſch mit der wahren Groͤße des Auges,
der Netzhaut ſelbſt; denn die ſubjectiv erſcheinende Netzhaut
und die Summe der zugleich gebotenen Bilder als Affectio-
nen beſonderer Theile ihrer ſelbſt ſind ein und daſſelbe,
naͤmlich des ſubjective Sehfeld.

19.

So wie die Netzhaut, durch mechaniſche Affection in
aliquoten Theilen ihrer ſelbſt in Thaͤtigkeit verſetzt, Bilder
ſieht, welche die Begrenzung dieſer aliquoten Theile ihrer
ſelbſt haben, ſo wirkt auch das ſogenannte aͤußere Licht,
nach Geſetzen der Refraction mit aliquoten Theilen der
Netzhaut in Beruͤhrung gebracht, Bilder, welche die Begren-
zung dieſer aliquoten Theile ihrer ſelbſt haben. Das aͤu-
ßere Licht oder das Elementariſche iſt auch nur in ſo fern
leuchtend, als es das Auge in Affection ſetzt. Was das
aͤußere ſogenannte Licht ſelbſt iſt, wiſſen wir nicht, wir ken-
nen es bloß aus den Energieen organiſcher Koͤrper, denen es

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0029" n="13"/>
&#x017F;iologie des Ge&#x017F;ichts&#x017F;innes des Men&#x017F;chen und der Thiere 1826)<lb/>
aus &#x017F;olchen &#x017F;ubjectiven Ge&#x017F;ichtspha&#x0364;nomenen bewie&#x017F;en, daß<lb/>
wir in allen Ge&#x017F;ichtser&#x017F;cheinungen, auch in den objectiven,<lb/>
immer nur die Netzhaut im Zu&#x017F;tande ihrer Affection als &#x017F;o-<lb/>
genanntes Sehfeld &#x017F;ehen.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>18.</head><lb/>
            <p>Das Maß alles Maßes, aller &#x017F;cheinbaren Gro&#x0364;ßen der<lb/>
Dinge i&#x017F;t die &#x017F;ich gleich bleibende wahre Gro&#x0364;ße des Auges<lb/>
und &#x017F;einer Netzhaut in der unmittelbaren An&#x017F;chauung ihrer<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t. Die &#x017F;cheinbaren Gro&#x0364;ßen der Gegen&#x017F;ta&#x0364;nde er&#x017F;cheinen<lb/>
auf der wahren &#x017F;ubjectiven Gro&#x0364;ße der Netzhaut als Affec-<lb/>
tionen be&#x017F;onderer Theile die&#x017F;es Markgebildes, und die Sum-<lb/>
me der &#x017F;cheinbaren Gro&#x0364;ßen aller Gegen&#x017F;ta&#x0364;nde, welche in<lb/>
einem und dem&#x017F;elben Ge&#x017F;ichtsfelde vorhanden &#x017F;ind, i&#x017F;t &#x017F;ich<lb/>
in jeder Ge&#x017F;ichtsvor&#x017F;tellung gleich bei allem Wech&#x017F;el der<lb/>
Objecte, &#x017F;ie i&#x017F;t identi&#x017F;ch mit der wahren Gro&#x0364;ße des Auges,<lb/>
der Netzhaut &#x017F;elb&#x017F;t; denn die &#x017F;ubjectiv er&#x017F;cheinende Netzhaut<lb/>
und die Summe der zugleich gebotenen Bilder als Affectio-<lb/>
nen be&#x017F;onderer Theile ihrer &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;ind ein und da&#x017F;&#x017F;elbe,<lb/>
na&#x0364;mlich des &#x017F;ubjective Sehfeld.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>19.</head><lb/>
            <p>So wie die Netzhaut, durch mechani&#x017F;che Affection in<lb/>
aliquoten Theilen ihrer &#x017F;elb&#x017F;t in Tha&#x0364;tigkeit ver&#x017F;etzt, Bilder<lb/>
&#x017F;ieht, welche die Begrenzung die&#x017F;er aliquoten Theile ihrer<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t haben, &#x017F;o wirkt auch das &#x017F;ogenannte a&#x0364;ußere Licht,<lb/>
nach Ge&#x017F;etzen der Refraction mit aliquoten Theilen der<lb/>
Netzhaut in Beru&#x0364;hrung gebracht, Bilder, welche die Begren-<lb/>
zung die&#x017F;er aliquoten Theile ihrer &#x017F;elb&#x017F;t haben. Das a&#x0364;u-<lb/>
ßere Licht oder das Elementari&#x017F;che i&#x017F;t auch nur in &#x017F;o fern<lb/>
leuchtend, als es das Auge in Affection &#x017F;etzt. Was das<lb/>
a&#x0364;ußere &#x017F;ogenannte Licht &#x017F;elb&#x017F;t i&#x017F;t, wi&#x017F;&#x017F;en wir nicht, wir ken-<lb/>
nen es bloß aus den Energieen organi&#x017F;cher Ko&#x0364;rper, denen es<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[13/0029] ſiologie des Geſichtsſinnes des Menſchen und der Thiere 1826) aus ſolchen ſubjectiven Geſichtsphaͤnomenen bewieſen, daß wir in allen Geſichtserſcheinungen, auch in den objectiven, immer nur die Netzhaut im Zuſtande ihrer Affection als ſo- genanntes Sehfeld ſehen. 18. Das Maß alles Maßes, aller ſcheinbaren Groͤßen der Dinge iſt die ſich gleich bleibende wahre Groͤße des Auges und ſeiner Netzhaut in der unmittelbaren Anſchauung ihrer ſelbſt. Die ſcheinbaren Groͤßen der Gegenſtaͤnde erſcheinen auf der wahren ſubjectiven Groͤße der Netzhaut als Affec- tionen beſonderer Theile dieſes Markgebildes, und die Sum- me der ſcheinbaren Groͤßen aller Gegenſtaͤnde, welche in einem und demſelben Geſichtsfelde vorhanden ſind, iſt ſich in jeder Geſichtsvorſtellung gleich bei allem Wechſel der Objecte, ſie iſt identiſch mit der wahren Groͤße des Auges, der Netzhaut ſelbſt; denn die ſubjectiv erſcheinende Netzhaut und die Summe der zugleich gebotenen Bilder als Affectio- nen beſonderer Theile ihrer ſelbſt ſind ein und daſſelbe, naͤmlich des ſubjective Sehfeld. 19. So wie die Netzhaut, durch mechaniſche Affection in aliquoten Theilen ihrer ſelbſt in Thaͤtigkeit verſetzt, Bilder ſieht, welche die Begrenzung dieſer aliquoten Theile ihrer ſelbſt haben, ſo wirkt auch das ſogenannte aͤußere Licht, nach Geſetzen der Refraction mit aliquoten Theilen der Netzhaut in Beruͤhrung gebracht, Bilder, welche die Begren- zung dieſer aliquoten Theile ihrer ſelbſt haben. Das aͤu- ßere Licht oder das Elementariſche iſt auch nur in ſo fern leuchtend, als es das Auge in Affection ſetzt. Was das aͤußere ſogenannte Licht ſelbſt iſt, wiſſen wir nicht, wir ken- nen es bloß aus den Energieen organiſcher Koͤrper, denen es

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_gesichtserscheinungen_1826
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_gesichtserscheinungen_1826/29
Zitationshilfe: Müller, Johannes: Über die phantastischen Gesichtserscheinungen. Koblenz, 1826, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_gesichtserscheinungen_1826/29>, abgerufen am 21.11.2024.