Müller, Johannes: Über die phantastischen Gesichtserscheinungen. Koblenz, 1826.183. Sehen wir von diesem Standspunct auf die höheren 184. Die Phantasie bringt, nach denselben Gesetzen wie die 183. Sehen wir von dieſem Standspunct auf die hoͤheren 184. Die Phantaſie bringt, nach denſelben Geſetzen wie die <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0119" n="103"/> <div n="3"> <head>183.</head><lb/> <p>Sehen wir von dieſem Standspunct auf die hoͤheren<lb/> Thiere, ſo erblicken wir die Metamorphoſe in einer noch<lb/> hoͤhern Bedeutung, wir ſehen bei den Thieren, welche<lb/> keine Verwandlung erleiden, uͤber der Zeit der Entwicke-<lb/> lung alle Theile vorhanden und ſich waͤhrend dem ganzen<lb/> Leben wenig veraͤndern. Die Pflanze hat keine Organe,<lb/> nur verſchieden entwickelte gleiche Theile. Das Thier iſt<lb/> in allen ſeinen Organen entſchieden, es wird mit dieſer<lb/> Entſchiedenheit ſeiner Bildung geboren. Aber dieſe Organe,<lb/> allen Thieren weſentlich zukommend, ſind bei allen Thieren<lb/> von verſchiedener Bildung nach dem individuellen Stand-<lb/> punct der einzelnen. Die Metamorphoſe der Organe ge-<lb/> ſchieht bei den hoͤhern Thieren nicht mehr an dem Indivi-<lb/> duum, ſondern wird in einer unendlichen Menge von Thie-<lb/> ren verwirklicht, wovon jedes Thier ein Glied in der<lb/> Metamorphoſe des Organes einnimmt.</p> </div><lb/> <div n="3"> <head>184.</head><lb/> <p>Die Phantaſie bringt, nach denſelben Geſetzen wie die<lb/> Natur wirkend, das Gleiche in anderen geſelligen Verhaͤlt-<lb/> niſſen ausbildend, entwickelnd dieſe lebendige Metamorphoſe<lb/> der Organismen zur ſinnlichen Anſchauung. In der ver-<lb/> gleichenden ſinnlichen Anſchauung dieſes Formenwandels<lb/> iſt der Geiſt gezwungen zu erkennen, daß die Natur nicht<lb/> nicht nach einem uͤppigen Spiele die Formen der lebenden<lb/> Weſen abaͤndert, ſondern daß mit der Aenderung irgend<lb/> eines Organes in der Thierwelt zugleich nach unwandel-<lb/> barem Geſetz der Verwandtſchaft und gegenſeitigen Bedin-<lb/> gung alle anderen Organe ſich abaͤndern muͤſſen, und daß<lb/> alſo, wie nur ein Organ in ſeinen Beziehungen zur aͤuße-<lb/> ren Welt ſich aͤndert, auch immer zugleich ein in allen<lb/> Formen verſchiedenes Thier entſtehen muß.</p> </div><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [103/0119]
183.
Sehen wir von dieſem Standspunct auf die hoͤheren
Thiere, ſo erblicken wir die Metamorphoſe in einer noch
hoͤhern Bedeutung, wir ſehen bei den Thieren, welche
keine Verwandlung erleiden, uͤber der Zeit der Entwicke-
lung alle Theile vorhanden und ſich waͤhrend dem ganzen
Leben wenig veraͤndern. Die Pflanze hat keine Organe,
nur verſchieden entwickelte gleiche Theile. Das Thier iſt
in allen ſeinen Organen entſchieden, es wird mit dieſer
Entſchiedenheit ſeiner Bildung geboren. Aber dieſe Organe,
allen Thieren weſentlich zukommend, ſind bei allen Thieren
von verſchiedener Bildung nach dem individuellen Stand-
punct der einzelnen. Die Metamorphoſe der Organe ge-
ſchieht bei den hoͤhern Thieren nicht mehr an dem Indivi-
duum, ſondern wird in einer unendlichen Menge von Thie-
ren verwirklicht, wovon jedes Thier ein Glied in der
Metamorphoſe des Organes einnimmt.
184.
Die Phantaſie bringt, nach denſelben Geſetzen wie die
Natur wirkend, das Gleiche in anderen geſelligen Verhaͤlt-
niſſen ausbildend, entwickelnd dieſe lebendige Metamorphoſe
der Organismen zur ſinnlichen Anſchauung. In der ver-
gleichenden ſinnlichen Anſchauung dieſes Formenwandels
iſt der Geiſt gezwungen zu erkennen, daß die Natur nicht
nicht nach einem uͤppigen Spiele die Formen der lebenden
Weſen abaͤndert, ſondern daß mit der Aenderung irgend
eines Organes in der Thierwelt zugleich nach unwandel-
barem Geſetz der Verwandtſchaft und gegenſeitigen Bedin-
gung alle anderen Organe ſich abaͤndern muͤſſen, und daß
alſo, wie nur ein Organ in ſeinen Beziehungen zur aͤuße-
ren Welt ſich aͤndert, auch immer zugleich ein in allen
Formen verſchiedenes Thier entſtehen muß.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |