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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 2. Berlin, 1786.

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daß sie von einem Hause und einer Straße zur
andern giengen.

Ein solches Chor hat viel Aehnliches mit ei¬
ner herumwandernden Truppe Schauspieler, in
der man auch Freude und Leid, gutes und schlech¬
tes Wetter u. s. w. auf gewisse Weise mit einan¬
der theilt, welches immer ein festeres Aneinander¬
schließen zu bewirken pflegt.

Am meisten hatte sich Reiser auf den blauen
Mantel gefreut, der ins künftige seine Zierde
seyn würde -- Denn dieser Mantel näherte sich
doch doch schon etwas der priesterlichen Klei¬
dung. -- Aber auch diese Hoffnung täuschte ihn
sehr; denn die Frau F. . . ließ, um für ihn zu
sparen, aus ein paar alten blauen Schürzen einen
Mantel für ihn zusammennähen, womit er un¬
ter den übrigen Chorschülern eben keine glänzen¬
de Figur machte.

Nun bemerkte Reiser gleich am ersten Tage
unter den Chorschülern einen, der sich von den
übrigen, ganz besonders auszeichnete. -- Man
sahe es ihm gleich an, daß er ein Ausländer
war, wenn man es auch nicht an seiner Spra¬
che gehört hätte. Denn alle seine Minen

daß ſie von einem Hauſe und einer Straße zur
andern giengen.

Ein ſolches Chor hat viel Aehnliches mit ei¬
ner herumwandernden Truppe Schauſpieler, in
der man auch Freude und Leid, gutes und ſchlech¬
tes Wetter u. ſ. w. auf gewiſſe Weiſe mit einan¬
der theilt, welches immer ein feſteres Aneinander¬
ſchließen zu bewirken pflegt.

Am meiſten hatte ſich Reiſer auf den blauen
Mantel gefreut, der ins kuͤnftige ſeine Zierde
ſeyn wuͤrde — Denn dieſer Mantel naͤherte ſich
doch doch ſchon etwas der prieſterlichen Klei¬
dung. — Aber auch dieſe Hoffnung taͤuſchte ihn
ſehr; denn die Frau F. . . ließ, um fuͤr ihn zu
ſparen, aus ein paar alten blauen Schuͤrzen einen
Mantel fuͤr ihn zuſammennaͤhen, womit er un¬
ter den uͤbrigen Chorſchuͤlern eben keine glaͤnzen¬
de Figur machte.

Nun bemerkte Reiſer gleich am erſten Tage
unter den Chorſchuͤlern einen, der ſich von den
uͤbrigen, ganz beſonders auszeichnete. — Man
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[82/0092] daß ſie von einem Hauſe und einer Straße zur andern giengen. Ein ſolches Chor hat viel Aehnliches mit ei¬ ner herumwandernden Truppe Schauſpieler, in der man auch Freude und Leid, gutes und ſchlech¬ tes Wetter u. ſ. w. auf gewiſſe Weiſe mit einan¬ der theilt, welches immer ein feſteres Aneinander¬ ſchließen zu bewirken pflegt. Am meiſten hatte ſich Reiſer auf den blauen Mantel gefreut, der ins kuͤnftige ſeine Zierde ſeyn wuͤrde — Denn dieſer Mantel naͤherte ſich doch doch ſchon etwas der prieſterlichen Klei¬ dung. — Aber auch dieſe Hoffnung taͤuſchte ihn ſehr; denn die Frau F. . . ließ, um fuͤr ihn zu ſparen, aus ein paar alten blauen Schuͤrzen einen Mantel fuͤr ihn zuſammennaͤhen, womit er un¬ ter den uͤbrigen Chorſchuͤlern eben keine glaͤnzen¬ de Figur machte. Nun bemerkte Reiſer gleich am erſten Tage unter den Chorſchuͤlern einen, der ſich von den uͤbrigen, ganz beſonders auszeichnete. — Man ſahe es ihm gleich an, daß er ein Auslaͤnder war, wenn man es auch nicht an ſeiner Spra¬ che gehoͤrt haͤtte. Denn alle ſeine Minen

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 2. Berlin, 1786, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser02_1786/92>, abgerufen am 26.04.2024.