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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 2. Berlin, 1786.

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nes Herzens ausrief, quem dii odere, paedo¬
gogum fecere, wenn die Götter haßten, den
machten sie zum Schulmann. -- Für den Kantor
hatte Reiser alles aufgeopfert, weil er nie unge¬
recht gegen ihn gewesen war, obgleich das Be¬
tragen desselben sonst auch nicht immer das freund¬
lichste war. -- Wie rührend war es Reisern oft,
wenn in der Katechismusstunde alles um ihn her
lermte und tobte, und der Kantor denn mit
Gewalt aufs Buch schlug, und sagte: ich habe
Gottes Wort an euch! -- Nur Schade daß
der gute Mann dergleichen Ausdrücke, die zu
rechter Zeit angebracht, ihre Wirkung nicht ver¬
fehlen, zu oft anbrachte, und gewisse Gemein¬
pläze, als Thorheit steckt den Knaben im Her¬
zen, und dergleichen, alle Augenblicke im Munde
führte, wodurch man sich den am Ende so sehr
daran gewöhnte, daß niemand mehr darauf ach¬
tete, und eben daher entstand die ewige Unruhe
in den Lehrstunden des Kantors. -- Der Kon¬
rektor sprach weniger bei seinen Züchtigungen,
darum bewirkten sie mehr Stille und Ordnung.

Da nun Reiser auf eine kurze Zeit die Schu¬
le besucht hatte, so kam er auf den Einfall,

nes Herzens ausrief, quem dii odere, paedo¬
gogum fecere, wenn die Goͤtter haßten, den
machten ſie zum Schulmann. — Fuͤr den Kantor
hatte Reiſer alles aufgeopfert, weil er nie unge¬
recht gegen ihn geweſen war, obgleich das Be¬
tragen deſſelben ſonſt auch nicht immer das freund¬
lichſte war. — Wie ruͤhrend war es Reiſern oft,
wenn in der Katechismusſtunde alles um ihn her
lermte und tobte, und der Kantor denn mit
Gewalt aufs Buch ſchlug, und ſagte: ich habe
Gottes Wort an euch! — Nur Schade daß
der gute Mann dergleichen Ausdruͤcke, die zu
rechter Zeit angebracht, ihre Wirkung nicht ver¬
fehlen, zu oft anbrachte, und gewiſſe Gemein¬
plaͤze, als Thorheit ſteckt den Knaben im Her¬
zen, und dergleichen, alle Augenblicke im Munde
fuͤhrte, wodurch man ſich den am Ende ſo ſehr
daran gewoͤhnte, daß niemand mehr darauf ach¬
tete, und eben daher entſtand die ewige Unruhe
in den Lehrſtunden des Kantors. — Der Kon¬
rektor ſprach weniger bei ſeinen Zuͤchtigungen,
darum bewirkten ſie mehr Stille und Ordnung.

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[64/0074] nes Herzens ausrief, quem dii odere, paedo¬ gogum fecere, wenn die Goͤtter haßten, den machten ſie zum Schulmann. — Fuͤr den Kantor hatte Reiſer alles aufgeopfert, weil er nie unge¬ recht gegen ihn geweſen war, obgleich das Be¬ tragen deſſelben ſonſt auch nicht immer das freund¬ lichſte war. — Wie ruͤhrend war es Reiſern oft, wenn in der Katechismusſtunde alles um ihn her lermte und tobte, und der Kantor denn mit Gewalt aufs Buch ſchlug, und ſagte: ich habe Gottes Wort an euch! — Nur Schade daß der gute Mann dergleichen Ausdruͤcke, die zu rechter Zeit angebracht, ihre Wirkung nicht ver¬ fehlen, zu oft anbrachte, und gewiſſe Gemein¬ plaͤze, als Thorheit ſteckt den Knaben im Her¬ zen, und dergleichen, alle Augenblicke im Munde fuͤhrte, wodurch man ſich den am Ende ſo ſehr daran gewoͤhnte, daß niemand mehr darauf ach¬ tete, und eben daher entſtand die ewige Unruhe in den Lehrſtunden des Kantors. — Der Kon¬ rektor ſprach weniger bei ſeinen Zuͤchtigungen, darum bewirkten ſie mehr Stille und Ordnung. Da nun Reiſer auf eine kurze Zeit die Schu¬ le beſucht hatte, ſo kam er auf den Einfall,

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 2. Berlin, 1786, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser02_1786/74>, abgerufen am 26.04.2024.