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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 2. Berlin, 1786.

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seiner Neigung nach, und war nicht mehr
aus Pflicht, sondern bloß wenn ihn die Sache
interessirte aufmerksam. Er pflegte denn oft
Stundenlang mit seinem Freunde J. . . zu plau¬
dern, mit dem er denn zuweilen gesellschaft¬
lich am Katheder knien mußte. J. . . fand auch
hierinn Stoff, seinen Witz zu üben, indem er
das Katheder, worauf sich der Konrektor mit
den Ellenbogen gestüzt hatte, mit dem Meklen¬
burgischen Wapen, und sich und Reisern mit
den beiden Schildhaltern verglich. -- J. . .s
Schalkhaftigkeit war durch keine Strafen zu
unterdrücken, ausgenommen durch eine, wo er
einmal eine ganze Stunde lang mit dem Gesicht
gegen den Ofen gekehrt stehen mußte, und also
seinen Witz nicht spielen lassen, oder gegen je¬
mand irgend eine Pantomine machen konnte. --
Diese Strafe preßte ihm zum erstenmal Thränen
aus, und er legte sich im Ernst aufs Bitten, wel¬
ches er sonst nie that. -- So war die Disciplin
des Konrektors beschaffen. -- Es hatte einmal
einer aus Versehen seine Nachtmütze statt des
Buchs in die Tasche gestekt, und er ließ ihn mit
der Nachtmütze auf dem Kopfe eine Stundelang

ſeiner Neigung nach, und war nicht mehr
aus Pflicht, ſondern bloß wenn ihn die Sache
intereſſirte aufmerkſam. Er pflegte denn oft
Stundenlang mit ſeinem Freunde J. . . zu plau¬
dern, mit dem er denn zuweilen geſellſchaft¬
lich am Katheder knien mußte. J. . . fand auch
hierinn Stoff, ſeinen Witz zu uͤben, indem er
das Katheder, worauf ſich der Konrektor mit
den Ellenbogen geſtuͤzt hatte, mit dem Meklen¬
burgiſchen Wapen, und ſich und Reiſern mit
den beiden Schildhaltern verglich. — J. . .s
Schalkhaftigkeit war durch keine Strafen zu
unterdruͤcken, ausgenommen durch eine, wo er
einmal eine ganze Stunde lang mit dem Geſicht
gegen den Ofen gekehrt ſtehen mußte, und alſo
ſeinen Witz nicht ſpielen laſſen, oder gegen je¬
mand irgend eine Pantomine machen konnte. —
Dieſe Strafe preßte ihm zum erſtenmal Thraͤnen
aus, und er legte ſich im Ernſt aufs Bitten, wel¬
ches er ſonſt nie that. — So war die Diſciplin
des Konrektors beſchaffen. — Es hatte einmal
einer aus Verſehen ſeine Nachtmuͤtze ſtatt des
Buchs in die Taſche geſtekt, und er ließ ihn mit
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[61/0071] ſeiner Neigung nach, und war nicht mehr aus Pflicht, ſondern bloß wenn ihn die Sache intereſſirte aufmerkſam. Er pflegte denn oft Stundenlang mit ſeinem Freunde J. . . zu plau¬ dern, mit dem er denn zuweilen geſellſchaft¬ lich am Katheder knien mußte. J. . . fand auch hierinn Stoff, ſeinen Witz zu uͤben, indem er das Katheder, worauf ſich der Konrektor mit den Ellenbogen geſtuͤzt hatte, mit dem Meklen¬ burgiſchen Wapen, und ſich und Reiſern mit den beiden Schildhaltern verglich. — J. . .s Schalkhaftigkeit war durch keine Strafen zu unterdruͤcken, ausgenommen durch eine, wo er einmal eine ganze Stunde lang mit dem Geſicht gegen den Ofen gekehrt ſtehen mußte, und alſo ſeinen Witz nicht ſpielen laſſen, oder gegen je¬ mand irgend eine Pantomine machen konnte. — Dieſe Strafe preßte ihm zum erſtenmal Thraͤnen aus, und er legte ſich im Ernſt aufs Bitten, wel¬ ches er ſonſt nie that. — So war die Diſciplin des Konrektors beſchaffen. — Es hatte einmal einer aus Verſehen ſeine Nachtmuͤtze ſtatt des Buchs in die Taſche geſtekt, und er ließ ihn mit der Nachtmuͤtze auf dem Kopfe eine Stundelang

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 2. Berlin, 1786, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser02_1786/71>, abgerufen am 26.04.2024.