Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 2. Berlin, 1786.

Bild:
<< vorherige Seite

einen Fleck im Sonnenschein hin, oder ging
längst dem Flusse spatzieren, und freute sich vor¬
züglich, wenn er in der heißen Mittagsstunde
keinen Menschen um sich her erblickte. --

Indem er hier ganze Tage lang seinen me¬
lancholischen Gedanken nachhing, nährte sich
seine Einbildungskraft unvermerkt mit großen
Bildern, welche sich erst ein Jahr nachher all¬
mälig zu entwickeln anfingen. --

Sein Lebensüberdruß aber wurde dabei aufs
äußerste getrieben -- oft stand er bei diesen Spa¬
ziergängen am Ufer der Leine, lehnte sich in die
reißende Fluth hinüber, indes die wunderbare
Begier zu athmen mit der Verzweiflung kämpf¬
te, und mit schrecklicher Gewalt seinen über
hängenden Körper wieder zurückbog. --


einen Fleck im Sonnenſchein hin, oder ging
laͤngſt dem Fluſſe ſpatzieren, und freute ſich vor¬
zuͤglich, wenn er in der heißen Mittagsſtunde
keinen Menſchen um ſich her erblickte. —

Indem er hier ganze Tage lang ſeinen me¬
lancholiſchen Gedanken nachhing, naͤhrte ſich
ſeine Einbildungskraft unvermerkt mit großen
Bildern, welche ſich erſt ein Jahr nachher all¬
maͤlig zu entwickeln anfingen. —

Sein Lebensuͤberdruß aber wurde dabei aufs
aͤußerſte getrieben — oft ſtand er bei dieſen Spa¬
ziergaͤngen am Ufer der Leine, lehnte ſich in die
reißende Fluth hinuͤber, indes die wunderbare
Begier zu athmen mit der Verzweiflung kaͤmpf¬
te, und mit ſchrecklicher Gewalt ſeinen uͤber
haͤngenden Koͤrper wieder zuruͤckbog. —


<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0197" n="187"/>
einen Fleck im Sonnen&#x017F;chein hin, oder ging<lb/>
la&#x0364;ng&#x017F;t dem Flu&#x017F;&#x017F;e &#x017F;patzieren, und freute &#x017F;ich vor¬<lb/>
zu&#x0364;glich, wenn er in der heißen Mittags&#x017F;tunde<lb/><hi rendition="#fr">keinen Men&#x017F;chen</hi> um &#x017F;ich her erblickte. &#x2014;</p><lb/>
      <p>Indem er hier ganze Tage lang &#x017F;einen me¬<lb/>
lancholi&#x017F;chen Gedanken nachhing, na&#x0364;hrte &#x017F;ich<lb/>
&#x017F;eine Einbildungskraft unvermerkt mit großen<lb/>
Bildern, welche &#x017F;ich er&#x017F;t ein Jahr nachher all¬<lb/>
ma&#x0364;lig zu entwickeln anfingen. &#x2014;</p><lb/>
      <p>Sein Lebensu&#x0364;berdruß aber wurde dabei aufs<lb/>
a&#x0364;ußer&#x017F;te getrieben &#x2014; oft &#x017F;tand er bei die&#x017F;en Spa¬<lb/>
zierga&#x0364;ngen am Ufer der Leine, lehnte &#x017F;ich in die<lb/>
reißende Fluth hinu&#x0364;ber, indes die wunderbare<lb/>
Begier zu athmen mit der Verzweiflung ka&#x0364;mpf¬<lb/>
te, und mit &#x017F;chrecklicher Gewalt &#x017F;einen u&#x0364;ber<lb/>
ha&#x0364;ngenden Ko&#x0364;rper wieder zuru&#x0364;ckbog. &#x2014;</p><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
    </body>
    <back>
</back>
  </text>
</TEI>
[187/0197] einen Fleck im Sonnenſchein hin, oder ging laͤngſt dem Fluſſe ſpatzieren, und freute ſich vor¬ zuͤglich, wenn er in der heißen Mittagsſtunde keinen Menſchen um ſich her erblickte. — Indem er hier ganze Tage lang ſeinen me¬ lancholiſchen Gedanken nachhing, naͤhrte ſich ſeine Einbildungskraft unvermerkt mit großen Bildern, welche ſich erſt ein Jahr nachher all¬ maͤlig zu entwickeln anfingen. — Sein Lebensuͤberdruß aber wurde dabei aufs aͤußerſte getrieben — oft ſtand er bei dieſen Spa¬ ziergaͤngen am Ufer der Leine, lehnte ſich in die reißende Fluth hinuͤber, indes die wunderbare Begier zu athmen mit der Verzweiflung kaͤmpf¬ te, und mit ſchrecklicher Gewalt ſeinen uͤber haͤngenden Koͤrper wieder zuruͤckbog. —

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser02_1786
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser02_1786/197
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 2. Berlin, 1786, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser02_1786/197>, abgerufen am 26.04.2024.