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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 2. Berlin, 1786.

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schon etwas berauschten; nun legten es seine
edeldenckenden Mitschüler darauf an, ihn gänz¬
lich betrunken zu machen, welches ihnen theils
durch List und theils durch Drohungan gelang,
so daß Reiser allerlei verwirtes Zeug redete, und
am Ende zu Bette gebracht werden mußte --

War nun Reiser vorher schon in dem Zu¬
trauen und der Achtung aller derer, die ihn
kannten, gesunken, so gab dieser Vorfall seinem
guten Kredit, nun vollends den letzten Stoß --
Vorher war er schon ein träger, unordentli¬
cher, und unfleißiger; nun war er auch ein un¬
mäßiger, und schlechter Mensch, weil er in dem
Hause seines Lehrers, der zugleich sein Wohlthä¬
ter war, durch sein unanständiges Betragen, zu¬
gleich das undankbarste Herz verrathen hatte.

Alle diese Folgen sahe Reiser dunkel voraus, da
er am andern Morgen erwachte, und indem er
sich anzog, machte er sich schon auf Bitte und
Entschuldigung bei dem Rektor wegen seines ge¬
strigen Betragens gefaßt --

Er hatte seine Anrede recht gut ausstudirt,
und versicherte unter andern, daß er diesen Fle¬

ſchon etwas berauſchten; nun legten es ſeine
edeldenckenden Mitſchuͤler darauf an, ihn gaͤnz¬
lich betrunken zu machen, welches ihnen theils
durch Liſt und theils durch Drohungan gelang,
ſo daß Reiſer allerlei verwirtes Zeug redete, und
am Ende zu Bette gebracht werden mußte —

War nun Reiſer vorher ſchon in dem Zu¬
trauen und der Achtung aller derer, die ihn
kannten, geſunken, ſo gab dieſer Vorfall ſeinem
guten Kredit, nun vollends den letzten Stoß —
Vorher war er ſchon ein traͤger, unordentli¬
cher, und unfleißiger; nun war er auch ein un¬
maͤßiger, und ſchlechter Menſch, weil er in dem
Hauſe ſeines Lehrers, der zugleich ſein Wohlthaͤ¬
ter war, durch ſein unanſtaͤndiges Betragen, zu¬
gleich das undankbarſte Herz verrathen hatte.

Alle dieſe Folgen ſahe Reiſer dunkel voraus, da
er am andern Morgen erwachte, und indem er
ſich anzog, machte er ſich ſchon auf Bitte und
Entſchuldigung bei dem Rektor wegen ſeines ge¬
ſtrigen Betragens gefaßt —

Er hatte ſeine Anrede recht gut ausſtudirt,
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[140/0150] ſchon etwas berauſchten; nun legten es ſeine edeldenckenden Mitſchuͤler darauf an, ihn gaͤnz¬ lich betrunken zu machen, welches ihnen theils durch Liſt und theils durch Drohungan gelang, ſo daß Reiſer allerlei verwirtes Zeug redete, und am Ende zu Bette gebracht werden mußte — War nun Reiſer vorher ſchon in dem Zu¬ trauen und der Achtung aller derer, die ihn kannten, geſunken, ſo gab dieſer Vorfall ſeinem guten Kredit, nun vollends den letzten Stoß — Vorher war er ſchon ein traͤger, unordentli¬ cher, und unfleißiger; nun war er auch ein un¬ maͤßiger, und ſchlechter Menſch, weil er in dem Hauſe ſeines Lehrers, der zugleich ſein Wohlthaͤ¬ ter war, durch ſein unanſtaͤndiges Betragen, zu¬ gleich das undankbarſte Herz verrathen hatte. Alle dieſe Folgen ſahe Reiſer dunkel voraus, da er am andern Morgen erwachte, und indem er ſich anzog, machte er ſich ſchon auf Bitte und Entſchuldigung bei dem Rektor wegen ſeines ge¬ ſtrigen Betragens gefaßt — Er hatte ſeine Anrede recht gut ausſtudirt, und verſicherte unter andern, daß er dieſen Fle¬

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 2. Berlin, 1786, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser02_1786/150>, abgerufen am 26.04.2024.