Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

sen Dichtungen zu ihrem Vortheil benutzt, und
sich ihrer als einer höhern Sprache bedient, um
das Erhabene anzudeuten, was oft vor den trun-
kenen Sinnen schwebt, und der Gedanke nicht fas-
sen kann.

Pontus.

Die Erde erzeugte aus sich selber den Uranos
oder den Himmel, der sie umwölbet; die hohen
Berge mit ihren waldigten Gipfeln; und den
Pontus oder das unfruchtbare Meer; hierauf
gebahr sie erst, indem sie sich mit dem Himmel
vermählte den entfernten grundlosen Ocean.

Den Pontus oder das mittelländische be-
kannte befahrne Meer, trägt die Erde, so wie die
Berge, gleichsam in ihrem Schooße, das heißt in
dieser Dichtung, sie hat diese großen Erscheinungen
aus sich selbst erzeugt; und aus den aufsteigenden
Nebeldünsten hat sie den umwölbenden Luftkreis
um sich her gewebt.

Da aber, wo der Himmel sich gleichsam mit
ihr vermählt, indem seine Wölbung auf ihr zu
ruhen scheint, am äußersten westlichen Hori-
zonte,
wo die Sonne ins Meer sinkt, breitet
sich erst in weiten Kreisen der unbekannte unbe-
grenzte Ocean um sie her, der nach der alten Dich-
tung, aus der Berührung oder Begattung des Him-
mels und der Erde gebohren ward.

ſen Dichtungen zu ihrem Vortheil benutzt, und
ſich ihrer als einer hoͤhern Sprache bedient, um
das Erhabene anzudeuten, was oft vor den trun-
kenen Sinnen ſchwebt, und der Gedanke nicht faſ-
ſen kann.

Pontus.

Die Erde erzeugte aus ſich ſelber den Uranos
oder den Himmel, der ſie umwoͤlbet; die hohen
Berge mit ihren waldigten Gipfeln; und den
Pontus oder das unfruchtbare Meer; hierauf
gebahr ſie erſt, indem ſie ſich mit dem Himmel
vermaͤhlte den entfernten grundloſen Ocean.

Den Pontus oder das mittellaͤndiſche be-
kannte befahrne Meer, traͤgt die Erde, ſo wie die
Berge, gleichſam in ihrem Schooße, das heißt in
dieſer Dichtung, ſie hat dieſe großen Erſcheinungen
aus ſich ſelbſt erzeugt; und aus den aufſteigenden
Nebelduͤnſten hat ſie den umwoͤlbenden Luftkreis
um ſich her gewebt.

Da aber, wo der Himmel ſich gleichſam mit
ihr vermaͤhlt, indem ſeine Woͤlbung auf ihr zu
ruhen ſcheint, am aͤußerſten weſtlichen Hori-
zonte,
wo die Sonne ins Meer ſinkt, breitet
ſich erſt in weiten Kreiſen der unbekannte unbe-
grenzte Ocean um ſie her, der nach der alten Dich-
tung, aus der Beruͤhrung oder Begattung des Him-
mels und der Erde gebohren ward.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0095" n="69"/>
&#x017F;en Dichtungen zu ihrem Vortheil benutzt, und<lb/>
&#x017F;ich ihrer als einer <hi rendition="#fr">ho&#x0364;hern Sprache</hi> bedient, um<lb/>
das Erhabene anzudeuten, was oft vor den trun-<lb/>
kenen Sinnen &#x017F;chwebt, und der Gedanke nicht fa&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en kann.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Pontus</hi>.</hi> </head><lb/>
          <p>Die Erde erzeugte aus &#x017F;ich &#x017F;elber den Uranos<lb/>
oder den Himmel, der &#x017F;ie umwo&#x0364;lbet; die hohen<lb/>
Berge mit ihren waldigten Gipfeln; und den<lb/><hi rendition="#fr">Pontus</hi> oder das unfruchtbare Meer; hierauf<lb/>
gebahr &#x017F;ie er&#x017F;t, indem &#x017F;ie &#x017F;ich mit dem Himmel<lb/>
verma&#x0364;hlte den entfernten grundlo&#x017F;en <hi rendition="#fr">Ocean.</hi></p><lb/>
          <p>Den <hi rendition="#fr">Pontus</hi> oder das <hi rendition="#fr">mittella&#x0364;ndi&#x017F;che</hi> be-<lb/>
kannte befahrne Meer, tra&#x0364;gt die Erde, &#x017F;o wie die<lb/>
Berge, gleich&#x017F;am <hi rendition="#fr">in ihrem Schooße,</hi> das heißt in<lb/>
die&#x017F;er Dichtung, &#x017F;ie hat die&#x017F;e großen Er&#x017F;cheinungen<lb/>
aus &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t erzeugt; und aus den auf&#x017F;teigenden<lb/>
Nebeldu&#x0364;n&#x017F;ten hat &#x017F;ie den umwo&#x0364;lbenden Luftkreis<lb/>
um &#x017F;ich her gewebt.</p><lb/>
          <p>Da aber, wo der Himmel &#x017F;ich gleich&#x017F;am mit<lb/>
ihr verma&#x0364;hlt, indem &#x017F;eine Wo&#x0364;lbung auf ihr zu<lb/>
ruhen &#x017F;cheint, am <hi rendition="#fr">a&#x0364;ußer&#x017F;ten we&#x017F;tlichen Hori-<lb/>
zonte,</hi> wo die Sonne ins Meer &#x017F;inkt, breitet<lb/>
&#x017F;ich er&#x017F;t in weiten Krei&#x017F;en der unbekannte unbe-<lb/>
grenzte Ocean um &#x017F;ie her, der nach der alten Dich-<lb/>
tung, aus der Beru&#x0364;hrung oder Begattung des Him-<lb/>
mels und der Erde gebohren ward.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[69/0095] ſen Dichtungen zu ihrem Vortheil benutzt, und ſich ihrer als einer hoͤhern Sprache bedient, um das Erhabene anzudeuten, was oft vor den trun- kenen Sinnen ſchwebt, und der Gedanke nicht faſ- ſen kann. Pontus. Die Erde erzeugte aus ſich ſelber den Uranos oder den Himmel, der ſie umwoͤlbet; die hohen Berge mit ihren waldigten Gipfeln; und den Pontus oder das unfruchtbare Meer; hierauf gebahr ſie erſt, indem ſie ſich mit dem Himmel vermaͤhlte den entfernten grundloſen Ocean. Den Pontus oder das mittellaͤndiſche be- kannte befahrne Meer, traͤgt die Erde, ſo wie die Berge, gleichſam in ihrem Schooße, das heißt in dieſer Dichtung, ſie hat dieſe großen Erſcheinungen aus ſich ſelbſt erzeugt; und aus den aufſteigenden Nebelduͤnſten hat ſie den umwoͤlbenden Luftkreis um ſich her gewebt. Da aber, wo der Himmel ſich gleichſam mit ihr vermaͤhlt, indem ſeine Woͤlbung auf ihr zu ruhen ſcheint, am aͤußerſten weſtlichen Hori- zonte, wo die Sonne ins Meer ſinkt, breitet ſich erſt in weiten Kreiſen der unbekannte unbe- grenzte Ocean um ſie her, der nach der alten Dich- tung, aus der Beruͤhrung oder Begattung des Him- mels und der Erde gebohren ward.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791/95
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791/95>, abgerufen am 30.12.2024.