Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite
Die alten Götter.

Die Scheidung zwischen den alten und neuen
Göttern giebt den mythologischen Dichtungen ei-
nen vorzüglichen Reitz. Die alten Gottheiten
sind, wie wir schon bemerkt haben, gleichsam in
Nebel zurück getreten, woraus sie nur noch schwach
hervorschimmern, indeß die neuen Götter in dem
Gebiete der Phantasie ihren Platz behaupten, und
durch die bildende Kunst bestimmte Formen erhal-
ten, in welche sich die verkörperte Macht und Ho-
heit kleidet, und ein Gegenstand der Verehrung
der Sterblichen in Tempeln und heiligen Hainen
wird.

Durch die alten Gottheiten aber sind die
neuen gleichsam vorgebildet. -- Das Erhabene
und Göttliche, was immer schon da war,
lätzt die Phantasie in erneuerter und jugendlicher
Gestalt, von unsterblichen oder von sterblichen
Müttern, wieder gebohren werden, und giebt
ihm Geschlechtsfolge, Nahmen und Geburtsort,
um es näher mit den Begriffen der Sterblichen
zu vereinen, und mit ihren Schicksalen zu ver-
weben.

Die alten Goͤtter.

Die Scheidung zwiſchen den alten und neuen
Goͤttern giebt den mythologiſchen Dichtungen ei-
nen vorzuͤglichen Reitz. Die alten Gottheiten
ſind, wie wir ſchon bemerkt haben, gleichſam in
Nebel zuruͤck getreten, woraus ſie nur noch ſchwach
hervorſchimmern, indeß die neuen Goͤtter in dem
Gebiete der Phantaſie ihren Platz behaupten, und
durch die bildende Kunſt beſtimmte Formen erhal-
ten, in welche ſich die verkoͤrperte Macht und Ho-
heit kleidet, und ein Gegenſtand der Verehrung
der Sterblichen in Tempeln und heiligen Hainen
wird.

Durch die alten Gottheiten aber ſind die
neuen gleichſam vorgebildet. — Das Erhabene
und Goͤttliche, was immer ſchon da war,
laͤtzt die Phantaſie in erneuerter und jugendlicher
Geſtalt, von unſterblichen oder von ſterblichen
Muͤttern, wieder gebohren werden, und giebt
ihm Geſchlechtsfolge, Nahmen und Geburtsort,
um es naͤher mit den Begriffen der Sterblichen
zu vereinen, und mit ihren Schickſalen zu ver-
weben.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0079" n="53"/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Die alten Go&#x0364;tter.</hi> </head><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <p><hi rendition="#in">D</hi>ie Scheidung zwi&#x017F;chen den alten und neuen<lb/>
Go&#x0364;ttern giebt den mythologi&#x017F;chen Dichtungen ei-<lb/>
nen vorzu&#x0364;glichen Reitz. Die alten Gottheiten<lb/>
&#x017F;ind, wie wir &#x017F;chon bemerkt haben, gleich&#x017F;am in<lb/>
Nebel zuru&#x0364;ck getreten, woraus &#x017F;ie nur noch &#x017F;chwach<lb/>
hervor&#x017F;chimmern, indeß die neuen Go&#x0364;tter in dem<lb/>
Gebiete der Phanta&#x017F;ie ihren Platz behaupten, und<lb/>
durch die bildende Kun&#x017F;t be&#x017F;timmte Formen erhal-<lb/>
ten, in welche &#x017F;ich die verko&#x0364;rperte Macht und Ho-<lb/>
heit kleidet, und ein Gegen&#x017F;tand der Verehrung<lb/>
der Sterblichen in Tempeln und heiligen Hainen<lb/>
wird.</p><lb/>
        <p>Durch die alten Gottheiten aber &#x017F;ind die<lb/>
neuen gleich&#x017F;am <hi rendition="#fr">vorgebildet.</hi> &#x2014; Das Erhabene<lb/>
und Go&#x0364;ttliche, <hi rendition="#fr">was immer &#x017F;chon da war,</hi><lb/>
la&#x0364;tzt die Phanta&#x017F;ie in erneuerter und jugendlicher<lb/>
Ge&#x017F;talt, von un&#x017F;terblichen oder von &#x017F;terblichen<lb/>
Mu&#x0364;ttern, wieder gebohren werden, und giebt<lb/>
ihm Ge&#x017F;chlechtsfolge, Nahmen und Geburtsort,<lb/>
um es na&#x0364;her mit den Begriffen der Sterblichen<lb/>
zu vereinen, und mit ihren Schick&#x017F;alen zu ver-<lb/>
weben.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[53/0079] Die alten Goͤtter. Die Scheidung zwiſchen den alten und neuen Goͤttern giebt den mythologiſchen Dichtungen ei- nen vorzuͤglichen Reitz. Die alten Gottheiten ſind, wie wir ſchon bemerkt haben, gleichſam in Nebel zuruͤck getreten, woraus ſie nur noch ſchwach hervorſchimmern, indeß die neuen Goͤtter in dem Gebiete der Phantaſie ihren Platz behaupten, und durch die bildende Kunſt beſtimmte Formen erhal- ten, in welche ſich die verkoͤrperte Macht und Ho- heit kleidet, und ein Gegenſtand der Verehrung der Sterblichen in Tempeln und heiligen Hainen wird. Durch die alten Gottheiten aber ſind die neuen gleichſam vorgebildet. — Das Erhabene und Goͤttliche, was immer ſchon da war, laͤtzt die Phantaſie in erneuerter und jugendlicher Geſtalt, von unſterblichen oder von ſterblichen Muͤttern, wieder gebohren werden, und giebt ihm Geſchlechtsfolge, Nahmen und Geburtsort, um es naͤher mit den Begriffen der Sterblichen zu vereinen, und mit ihren Schickſalen zu ver- weben.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791/79
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791/79>, abgerufen am 20.11.2024.