Diesen weisen König, der in Lydien herrschte, stellt die Dichtung als einen Liebling der Götter dar. Er saß mit Jupiter selbst zu Tische, der an seinen Gesprächen, und an dem hohen Sinn sei- ner Rede sich ergötzte; allein
-- zum Knecht zu groß, und zum Gesellen des großen Donnrers nur ein Mensch, Göthens Iphigenie.
verging er sich einstens mit zu dreisten Worten ge- gen den Jupiter, der ihn so tief hinunterstürzte, als hoch er ihn erhoben hatte. -- Des Tantalus Strafe war, vor Durst verschmachtend stets die klare Fluth zu sehen, die bis ans Kinn vor ihm emporstieg, und schnell zurückwich, sobald er die Lippe benetzen wollte; -- und über sich stets mit Sehnsucht den niedergesenkten früchtebeladnen Zweig zu sehen, der schnell in die Höhe wich, so- bald er darnach seine Hand ausstreckte.
Diese Strafe selber war gleichsam nur eine Fortsetzung seines Lebens; ein Bild jener nie gestillten Begier, in das Wesen der Dinge, und in die Geheimnisse der Götter einzudringen, wel- che Begier ihn verleitete, selbst seinen Sohn zu schlachten, und ihn mit andern Speisen den Göt- tern vorzusetzen, um ihre Unterscheidungskraft zu prüfen. Wenn irgend etwas die furchtbare Neu-
Tantalus.
Dieſen weiſen Koͤnig, der in Lydien herrſchte, ſtellt die Dichtung als einen Liebling der Goͤtter dar. Er ſaß mit Jupiter ſelbſt zu Tiſche, der an ſeinen Geſpraͤchen, und an dem hohen Sinn ſei- ner Rede ſich ergoͤtzte; allein
— zum Knecht zu groß, und zum Geſellen des großen Donnrers nur ein Menſch, Goͤthens Iphigenie.
verging er ſich einſtens mit zu dreiſten Worten ge- gen den Jupiter, der ihn ſo tief hinunterſtuͤrzte, als hoch er ihn erhoben hatte. — Des Tantalus Strafe war, vor Durſt verſchmachtend ſtets die klare Fluth zu ſehen, die bis ans Kinn vor ihm emporſtieg, und ſchnell zuruͤckwich, ſobald er die Lippe benetzen wollte; — und uͤber ſich ſtets mit Sehnſucht den niedergeſenkten fruͤchtebeladnen Zweig zu ſehen, der ſchnell in die Hoͤhe wich, ſo- bald er darnach ſeine Hand ausſtreckte.
Dieſe Strafe ſelber war gleichſam nur eine Fortſetzung ſeines Lebens; ein Bild jener nie geſtillten Begier, in das Weſen der Dinge, und in die Geheimniſſe der Goͤtter einzudringen, wel- che Begier ihn verleitete, ſelbſt ſeinen Sohn zu ſchlachten, und ihn mit andern Speiſen den Goͤt- tern vorzuſetzen, um ihre Unterſcheidungskraft zu pruͤfen. Wenn irgend etwas die furchtbare Neu-
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Tantalus.
Dieſen weiſen Koͤnig, der in Lydien herrſchte,
ſtellt die Dichtung als einen Liebling der Goͤtter
dar. Er ſaß mit Jupiter ſelbſt zu Tiſche, der an
ſeinen Geſpraͤchen, und an dem hohen Sinn ſei-
ner Rede ſich ergoͤtzte; allein
— zum Knecht zu groß, und zum Geſellen
des großen Donnrers nur ein Menſch,
Goͤthens Iphigenie.
verging er ſich einſtens mit zu dreiſten Worten ge-
gen den Jupiter, der ihn ſo tief hinunterſtuͤrzte,
als hoch er ihn erhoben hatte. — Des Tantalus
Strafe war, vor Durſt verſchmachtend ſtets die
klare Fluth zu ſehen, die bis ans Kinn vor ihm
emporſtieg, und ſchnell zuruͤckwich, ſobald er die
Lippe benetzen wollte; — und uͤber ſich ſtets mit
Sehnſucht den niedergeſenkten fruͤchtebeladnen
Zweig zu ſehen, der ſchnell in die Hoͤhe wich, ſo-
bald er darnach ſeine Hand ausſtreckte.
Dieſe Strafe ſelber war gleichſam nur eine
Fortſetzung ſeines Lebens; ein Bild jener nie
geſtillten Begier, in das Weſen der Dinge, und
in die Geheimniſſe der Goͤtter einzudringen, wel-
che Begier ihn verleitete, ſelbſt ſeinen Sohn zu
ſchlachten, und ihn mit andern Speiſen den Goͤt-
tern vorzuſetzen, um ihre Unterſcheidungskraft zu
pruͤfen. Wenn irgend etwas die furchtbare Neu-
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Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791, S. 393. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791/469>, abgerufen am 30.12.2024.
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