Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

Kaum waren die frevelnden Worte über ihre
Lippen, so flogen schon die unsichtbaren Pfeile des
Apollo und der Diana in der Luft. -- Mit dem nie
verfehlenden Bogen tödtete Apollo ihre sieben Söh-
ne; und Diana mit furchtbarem Geschoß tödtete
ihre sieben Töchter. -- Auf einmal aller ihrer Kin-
der beraubt, ward Niobe in Thränen aufgelößt,
in einen Stein verwandelt, der auf dem Berge
Stpylon noch immer von Thränen träufelnd, ein
Zeuge ihres ewigen Kummers ward.

Cephalus und Prokris.

Cephalus, ein Sohn des Dejoneus, war
mit der Prokris des Erechtheus Tochter erst kurze
Zeit vermählt, als er einst am frühen Morgen
auf dem Hymettischen Gebürge jagte, wo Au-
rora ihn entführte. -- Da er zu seiner inniggelieb-
ten Prokris wiederzukehren wünschte, entließ ihn
Aurora mit dem Bedeuten, es werde mit seiner
Vermählten ihm nicht nach Wunsch ergehen. Diese
Worte fachten die Eifersucht in seinem Busen an;
unter einer Verkleidung suchte er die Liebe der
Prokris zu gewinnen; und als sie ihm kaum einen
Schein der Hoffnung blicken ließ, so gab er sich
zu erkennen, und klagte sie der Untreue an, wor-
auf sie unwillig ihn verließ.

Kaum waren die frevelnden Worte uͤber ihre
Lippen, ſo flogen ſchon die unſichtbaren Pfeile des
Apollo und der Diana in der Luft. — Mit dem nie
verfehlenden Bogen toͤdtete Apollo ihre ſieben Soͤh-
ne; und Diana mit furchtbarem Geſchoß toͤdtete
ihre ſieben Toͤchter. — Auf einmal aller ihrer Kin-
der beraubt, ward Niobe in Thraͤnen aufgeloͤßt,
in einen Stein verwandelt, der auf dem Berge
Stpylon noch immer von Thraͤnen traͤufelnd, ein
Zeuge ihres ewigen Kummers ward.

Cephalus und Prokris.

Cephalus, ein Sohn des Dejoneus, war
mit der Prokris des Erechtheus Tochter erſt kurze
Zeit vermaͤhlt, als er einſt am fruͤhen Morgen
auf dem Hymettiſchen Gebuͤrge jagte, wo Au-
rora ihn entfuͤhrte. — Da er zu ſeiner inniggelieb-
ten Prokris wiederzukehren wuͤnſchte, entließ ihn
Aurora mit dem Bedeuten, es werde mit ſeiner
Vermaͤhlten ihm nicht nach Wunſch ergehen. Dieſe
Worte fachten die Eiferſucht in ſeinem Buſen an;
unter einer Verkleidung ſuchte er die Liebe der
Prokris zu gewinnen; und als ſie ihm kaum einen
Schein der Hoffnung blicken ließ, ſo gab er ſich
zu erkennen, und klagte ſie der Untreue an, wor-
auf ſie unwillig ihn verließ.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0457" n="383"/>
          <p>Kaum waren die frevelnden Worte u&#x0364;ber ihre<lb/>
Lippen, &#x017F;o flogen &#x017F;chon die un&#x017F;ichtbaren Pfeile des<lb/>
Apollo und der Diana in der Luft. &#x2014; Mit dem nie<lb/>
verfehlenden Bogen to&#x0364;dtete Apollo ihre &#x017F;ieben So&#x0364;h-<lb/>
ne; und Diana mit furchtbarem Ge&#x017F;choß to&#x0364;dtete<lb/>
ihre &#x017F;ieben To&#x0364;chter. &#x2014; Auf einmal aller ihrer Kin-<lb/>
der beraubt, ward Niobe in Thra&#x0364;nen aufgelo&#x0364;ßt,<lb/>
in einen Stein verwandelt, der auf dem Berge<lb/><hi rendition="#fr">Stpylon</hi> noch immer von Thra&#x0364;nen tra&#x0364;ufelnd, ein<lb/>
Zeuge ihres ewigen Kummers ward.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Cephalus und Prokris</hi>.</hi> </head><lb/>
          <p>Cephalus, ein Sohn des <hi rendition="#fr">Dejoneus,</hi> war<lb/>
mit der Prokris des <hi rendition="#fr">Erechtheus</hi> Tochter er&#x017F;t kurze<lb/>
Zeit verma&#x0364;hlt, als er ein&#x017F;t am fru&#x0364;hen Morgen<lb/>
auf dem <hi rendition="#fr">Hymetti&#x017F;chen</hi> Gebu&#x0364;rge jagte, wo Au-<lb/>
rora ihn entfu&#x0364;hrte. &#x2014; Da er zu &#x017F;einer inniggelieb-<lb/>
ten Prokris wiederzukehren wu&#x0364;n&#x017F;chte, entließ ihn<lb/>
Aurora mit dem Bedeuten, es werde mit &#x017F;einer<lb/>
Verma&#x0364;hlten ihm nicht nach Wun&#x017F;ch ergehen. Die&#x017F;e<lb/>
Worte fachten die Eifer&#x017F;ucht in &#x017F;einem Bu&#x017F;en an;<lb/>
unter einer Verkleidung &#x017F;uchte er die Liebe der<lb/>
Prokris zu gewinnen; und als &#x017F;ie ihm kaum einen<lb/>
Schein der Hoffnung blicken ließ, &#x017F;o gab er &#x017F;ich<lb/>
zu erkennen, und klagte &#x017F;ie der Untreue an, wor-<lb/>
auf &#x017F;ie unwillig ihn verließ.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[383/0457] Kaum waren die frevelnden Worte uͤber ihre Lippen, ſo flogen ſchon die unſichtbaren Pfeile des Apollo und der Diana in der Luft. — Mit dem nie verfehlenden Bogen toͤdtete Apollo ihre ſieben Soͤh- ne; und Diana mit furchtbarem Geſchoß toͤdtete ihre ſieben Toͤchter. — Auf einmal aller ihrer Kin- der beraubt, ward Niobe in Thraͤnen aufgeloͤßt, in einen Stein verwandelt, der auf dem Berge Stpylon noch immer von Thraͤnen traͤufelnd, ein Zeuge ihres ewigen Kummers ward. Cephalus und Prokris. Cephalus, ein Sohn des Dejoneus, war mit der Prokris des Erechtheus Tochter erſt kurze Zeit vermaͤhlt, als er einſt am fruͤhen Morgen auf dem Hymettiſchen Gebuͤrge jagte, wo Au- rora ihn entfuͤhrte. — Da er zu ſeiner inniggelieb- ten Prokris wiederzukehren wuͤnſchte, entließ ihn Aurora mit dem Bedeuten, es werde mit ſeiner Vermaͤhlten ihm nicht nach Wunſch ergehen. Dieſe Worte fachten die Eiferſucht in ſeinem Buſen an; unter einer Verkleidung ſuchte er die Liebe der Prokris zu gewinnen; und als ſie ihm kaum einen Schein der Hoffnung blicken ließ, ſo gab er ſich zu erkennen, und klagte ſie der Untreue an, wor- auf ſie unwillig ihn verließ.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791/457
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791, S. 383. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791/457>, abgerufen am 20.11.2024.