wenn dich jemand frägt, wer diesen Sohn geboh- ren, so sollst du sagen: eine der Nymphen, die diese Berge bewohnen; -- rühmst du dich aber thöricht, daß du in Cytherens Arm geruht, so wird dich Jupiters Blitz zerschmettern! Dieß präge tief dir ein, und fürchte den Zorn der Götter!
Adonis.
Die Liebe der Venus zu dem schönen Jüng- ling Adonis ging bald in die Klage um seinen Tod hinüber. -- Adonis war ein Sohn der Myrrha, der Tochter des Cinyras, mit dem sie im nächtlichen Dunkel, ihm selber unbewußt, eine Zeitlang blutschändrischer Liebe pflog, bis einst zu- fällig die gräßliche Scene erleuchtet wurde, und der Vater unter tausend Verwünschungen und Flüchen, mit dem tödtenden Eisen seine Tochter verfolgte, die bis nach Arabien flohe, wo sie ihr Vergehen bereuend, so lange Thränen weinte, bis sie zuletzt in eine Myrrhe verwandelt, das Bewußtseyn von ihrer That verlohr.
Noch während ihrer Verwandlung ward Ado- nis von ihr gebohren, den die Nymphen des Wal- des erzogen, und welchen Venus, da er ein Jüng- ling war, vor allen zu ihrem Lieblinge wählte, und weil sie keinen Augenblick ihn verlassen wollte, sogar einen Theil ihrer Sanftheit ablegte, und auf der Jagd der Hirsche und Rehe ihn begleitete.
wenn dich jemand fraͤgt, wer dieſen Sohn geboh- ren, ſo ſollſt du ſagen: eine der Nymphen, die dieſe Berge bewohnen; — ruͤhmſt du dich aber thoͤricht, daß du in Cytherens Arm geruht, ſo wird dich Jupiters Blitz zerſchmettern! Dieß praͤge tief dir ein, und fuͤrchte den Zorn der Goͤtter!
Adonis.
Die Liebe der Venus zu dem ſchoͤnen Juͤng- ling Adonis ging bald in die Klage um ſeinen Tod hinuͤber. — Adonis war ein Sohn der Myrrha, der Tochter des Cinyras, mit dem ſie im naͤchtlichen Dunkel, ihm ſelber unbewußt, eine Zeitlang blutſchaͤndriſcher Liebe pflog, bis einſt zu- faͤllig die graͤßliche Scene erleuchtet wurde, und der Vater unter tauſend Verwuͤnſchungen und Fluͤchen, mit dem toͤdtenden Eiſen ſeine Tochter verfolgte, die bis nach Arabien flohe, wo ſie ihr Vergehen bereuend, ſo lange Thraͤnen weinte, bis ſie zuletzt in eine Myrrhe verwandelt, das Bewußtſeyn von ihrer That verlohr.
Noch waͤhrend ihrer Verwandlung ward Ado- nis von ihr gebohren, den die Nymphen des Wal- des erzogen, und welchen Venus, da er ein Juͤng- ling war, vor allen zu ihrem Lieblinge waͤhlte, und weil ſie keinen Augenblick ihn verlaſſen wollte, ſogar einen Theil ihrer Sanftheit ablegte, und auf der Jagd der Hirſche und Rehe ihn begleitete.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0404"n="336"/>
wenn dich jemand fraͤgt, wer dieſen Sohn geboh-<lb/>
ren, ſo ſollſt du ſagen: eine der Nymphen, die<lb/>
dieſe Berge bewohnen; — ruͤhmſt du dich aber<lb/>
thoͤricht, daß du in Cytherens Arm geruht, ſo<lb/>
wird dich Jupiters Blitz zerſchmettern! Dieß praͤge<lb/>
tief dir ein, und fuͤrchte den Zorn der Goͤtter!</p></div><lb/><divn="2"><head><hirendition="#b"><hirendition="#g">Adonis</hi>.</hi></head><lb/><p>Die Liebe der Venus zu dem ſchoͤnen Juͤng-<lb/>
ling Adonis ging bald <hirendition="#fr">in die Klage um ſeinen<lb/>
Tod</hi> hinuͤber. — Adonis war ein Sohn der<lb/><hirendition="#fr">Myrrha,</hi> der Tochter des <hirendition="#fr">Cinyras,</hi> mit dem ſie<lb/>
im naͤchtlichen Dunkel, ihm ſelber unbewußt, eine<lb/>
Zeitlang blutſchaͤndriſcher Liebe pflog, bis einſt zu-<lb/>
faͤllig die graͤßliche Scene erleuchtet wurde, und<lb/>
der Vater unter tauſend Verwuͤnſchungen und<lb/>
Fluͤchen, mit dem toͤdtenden Eiſen ſeine Tochter<lb/>
verfolgte, die bis nach Arabien flohe, wo ſie ihr<lb/>
Vergehen bereuend, ſo lange Thraͤnen weinte,<lb/>
bis ſie zuletzt in eine Myrrhe verwandelt, das<lb/>
Bewußtſeyn von ihrer That verlohr.</p><lb/><p>Noch waͤhrend ihrer Verwandlung ward Ado-<lb/>
nis von ihr gebohren, den die Nymphen des Wal-<lb/>
des erzogen, und welchen Venus, da er ein Juͤng-<lb/>
ling war, vor allen zu ihrem Lieblinge waͤhlte,<lb/>
und weil ſie keinen Augenblick ihn verlaſſen wollte,<lb/>ſogar einen Theil ihrer Sanftheit ablegte, und<lb/>
auf der Jagd der Hirſche und Rehe ihn begleitete.</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[336/0404]
wenn dich jemand fraͤgt, wer dieſen Sohn geboh-
ren, ſo ſollſt du ſagen: eine der Nymphen, die
dieſe Berge bewohnen; — ruͤhmſt du dich aber
thoͤricht, daß du in Cytherens Arm geruht, ſo
wird dich Jupiters Blitz zerſchmettern! Dieß praͤge
tief dir ein, und fuͤrchte den Zorn der Goͤtter!
Adonis.
Die Liebe der Venus zu dem ſchoͤnen Juͤng-
ling Adonis ging bald in die Klage um ſeinen
Tod hinuͤber. — Adonis war ein Sohn der
Myrrha, der Tochter des Cinyras, mit dem ſie
im naͤchtlichen Dunkel, ihm ſelber unbewußt, eine
Zeitlang blutſchaͤndriſcher Liebe pflog, bis einſt zu-
faͤllig die graͤßliche Scene erleuchtet wurde, und
der Vater unter tauſend Verwuͤnſchungen und
Fluͤchen, mit dem toͤdtenden Eiſen ſeine Tochter
verfolgte, die bis nach Arabien flohe, wo ſie ihr
Vergehen bereuend, ſo lange Thraͤnen weinte,
bis ſie zuletzt in eine Myrrhe verwandelt, das
Bewußtſeyn von ihrer That verlohr.
Noch waͤhrend ihrer Verwandlung ward Ado-
nis von ihr gebohren, den die Nymphen des Wal-
des erzogen, und welchen Venus, da er ein Juͤng-
ling war, vor allen zu ihrem Lieblinge waͤhlte,
und weil ſie keinen Augenblick ihn verlaſſen wollte,
ſogar einen Theil ihrer Sanftheit ablegte, und
auf der Jagd der Hirſche und Rehe ihn begleitete.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791, S. 336. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791/404>, abgerufen am 30.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.