Die heiligen Wohnplätze der Göt- ter unter den Menschen.
Die Phantasie der Alten ließ ihre Dichtungen, über der Wirklichkeit schwebend, allmälig sich vom Himmel zur Erde niedersenken. -- Sie heiligte die Plätze, wo, nach der Sage der Vorwelt, die junge Gottheit neugebohren, zuerst in jugendlichem Glanz hervortrat; oder wo ein Land oder eine Insel so glücklich war, in ihrem Schooße ein Götterkind zu pflegen. --
Sie weihte auch die Oerter, wo in Orakel- sprüchen die Gottheit ihre Gegenwart offenbarte; und jeder Platz, den irgend eine Gottheit, nach der alten Sage, zu ihrem Lieblingsaufenthalte sich wählte, ward in der Dichtersprache zu einem schönen Nahmen, an welchen sich der Begriff der Gottheit selber knüpfte, die unter irgend einer be- sondern bedeutenden Gestalt auf diesem Fleck ver- ehrt ward.
Nun fand die Einbildungskraft so viele Ruhe- punkte, worauf sie sich heften konnte, als Tempel waren, welche die Menschen den über den Wolken
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Die heiligen Wohnplaͤtze der Goͤt- ter unter den Menſchen.
Die Phantaſie der Alten ließ ihre Dichtungen, uͤber der Wirklichkeit ſchwebend, allmaͤlig ſich vom Himmel zur Erde niederſenken. — Sie heiligte die Plaͤtze, wo, nach der Sage der Vorwelt, die junge Gottheit neugebohren, zuerſt in jugendlichem Glanz hervortrat; oder wo ein Land oder eine Inſel ſo gluͤcklich war, in ihrem Schooße ein Goͤtterkind zu pflegen. —
Sie weihte auch die Oerter, wo in Orakel- ſpruͤchen die Gottheit ihre Gegenwart offenbarte; und jeder Platz, den irgend eine Gottheit, nach der alten Sage, zu ihrem Lieblingsaufenthalte ſich waͤhlte, ward in der Dichterſprache zu einem ſchoͤnen Nahmen, an welchen ſich der Begriff der Gottheit ſelber knuͤpfte, die unter irgend einer be- ſondern bedeutenden Geſtalt auf dieſem Fleck ver- ehrt ward.
Nun fand die Einbildungskraft ſo viele Ruhe- punkte, worauf ſie ſich heften konnte, als Tempel waren, welche die Menſchen den uͤber den Wolken
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Die heiligen Wohnplaͤtze der Goͤt-
ter unter den Menſchen.
Die Phantaſie der Alten ließ ihre Dichtungen,
uͤber der Wirklichkeit ſchwebend, allmaͤlig ſich vom
Himmel zur Erde niederſenken. — Sie heiligte
die Plaͤtze, wo, nach der Sage der Vorwelt, die
junge Gottheit neugebohren, zuerſt in jugendlichem
Glanz hervortrat; oder wo ein Land oder eine
Inſel ſo gluͤcklich war, in ihrem Schooße ein
Goͤtterkind zu pflegen. —
Sie weihte auch die Oerter, wo in Orakel-
ſpruͤchen die Gottheit ihre Gegenwart offenbarte;
und jeder Platz, den irgend eine Gottheit, nach
der alten Sage, zu ihrem Lieblingsaufenthalte
ſich waͤhlte, ward in der Dichterſprache zu einem
ſchoͤnen Nahmen, an welchen ſich der Begriff der
Gottheit ſelber knuͤpfte, die unter irgend einer be-
ſondern bedeutenden Geſtalt auf dieſem Fleck ver-
ehrt ward.
Nun fand die Einbildungskraft ſo viele Ruhe-
punkte, worauf ſie ſich heften konnte, als Tempel
waren, welche die Menſchen den uͤber den Wolken
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Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791/227>, abgerufen am 30.12.2024.
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