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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 2. Berlin, 1792.

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sam ihren Lauf vollführt, ohne daß sie die höhern Seelenkräfte stören könnten. Sie ist demnach in Absicht derselben die herrschende.

Es werden aber die vorher gerügten Schwierigkeiten dennoch überwunden, Betrachtungen durchgesetzt, Wissenschaften erlernt und erfunden; es muß also in dem Menschen etwas vorhanden sein, womit er den höhern Seelenkräften aufhelfen, und die Einbildungskraft im Zaume halten kann; und dieses ist: die Macht des Vorsatzes. Wir haben eine Macht, unsre Vorstellungen nach eignem Belieben zu leiten, zu verstärken, und den stärkern wiederum einen Theil ihrer Kraft zu benehmen. Ohne diese Kraft würden wir in der That nichts als Bilder und Anschauungen und niemals Begriffe im Sinne haben, noch weniger würden wir zusammenhängend denken; blos mittelst dieser Macht ist es uns möglich dem Zwecke treu zu bleiben, und den Ausschweifungen der Einbildungskraft Einhalt zu thun; demnach ist die Einbildungskraft in Absicht der höhern Seelenkräfte zwar die herrschende, kann aber durch die Macht des Vorsatzes im Zaum gehalten werden.

Aber der Gebrauch, welchen wir von unserem Vermögen machen, unsre Vorstellungen nach eigenem Belieben zu leiten, zu stärken oder zu schwächen, hängt von der Kenntniß ab, die wir von diesem Vermögen haben; je mehr wir unser Jch fühlen, je mehr wir dieses Jch als eine Quelle unsrer Vor-


sam ihren Lauf vollfuͤhrt, ohne daß sie die hoͤhern Seelenkraͤfte stoͤren koͤnnten. Sie ist demnach in Absicht derselben die herrschende.

Es werden aber die vorher geruͤgten Schwierigkeiten dennoch uͤberwunden, Betrachtungen durchgesetzt, Wissenschaften erlernt und erfunden; es muß also in dem Menschen etwas vorhanden sein, womit er den hoͤhern Seelenkraͤften aufhelfen, und die Einbildungskraft im Zaume halten kann; und dieses ist: die Macht des Vorsatzes. Wir haben eine Macht, unsre Vorstellungen nach eignem Belieben zu leiten, zu verstaͤrken, und den staͤrkern wiederum einen Theil ihrer Kraft zu benehmen. Ohne diese Kraft wuͤrden wir in der That nichts als Bilder und Anschauungen und niemals Begriffe im Sinne haben, noch weniger wuͤrden wir zusammenhaͤngend denken; blos mittelst dieser Macht ist es uns moͤglich dem Zwecke treu zu bleiben, und den Ausschweifungen der Einbildungskraft Einhalt zu thun; demnach ist die Einbildungskraft in Absicht der hoͤhern Seelenkraͤfte zwar die herrschende, kann aber durch die Macht des Vorsatzes im Zaum gehalten werden.

Aber der Gebrauch, welchen wir von unserem Vermoͤgen machen, unsre Vorstellungen nach eigenem Belieben zu leiten, zu staͤrken oder zu schwaͤchen, haͤngt von der Kenntniß ab, die wir von diesem Vermoͤgen haben; je mehr wir unser Jch fuͤhlen, je mehr wir dieses Jch als eine Quelle unsrer Vor-

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[18/0018] sam ihren Lauf vollfuͤhrt, ohne daß sie die hoͤhern Seelenkraͤfte stoͤren koͤnnten. Sie ist demnach in Absicht derselben die herrschende. Es werden aber die vorher geruͤgten Schwierigkeiten dennoch uͤberwunden, Betrachtungen durchgesetzt, Wissenschaften erlernt und erfunden; es muß also in dem Menschen etwas vorhanden sein, womit er den hoͤhern Seelenkraͤften aufhelfen, und die Einbildungskraft im Zaume halten kann; und dieses ist: die Macht des Vorsatzes. Wir haben eine Macht, unsre Vorstellungen nach eignem Belieben zu leiten, zu verstaͤrken, und den staͤrkern wiederum einen Theil ihrer Kraft zu benehmen. Ohne diese Kraft wuͤrden wir in der That nichts als Bilder und Anschauungen und niemals Begriffe im Sinne haben, noch weniger wuͤrden wir zusammenhaͤngend denken; blos mittelst dieser Macht ist es uns moͤglich dem Zwecke treu zu bleiben, und den Ausschweifungen der Einbildungskraft Einhalt zu thun; demnach ist die Einbildungskraft in Absicht der hoͤhern Seelenkraͤfte zwar die herrschende, kann aber durch die Macht des Vorsatzes im Zaum gehalten werden. Aber der Gebrauch, welchen wir von unserem Vermoͤgen machen, unsre Vorstellungen nach eigenem Belieben zu leiten, zu staͤrken oder zu schwaͤchen, haͤngt von der Kenntniß ab, die wir von diesem Vermoͤgen haben; je mehr wir unser Jch fuͤhlen, je mehr wir dieses Jch als eine Quelle unsrer Vor-

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 2. Berlin, 1792, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0902_1792/18>, abgerufen am 26.04.2024.