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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 2. Berlin, 1792.

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Jeder sinnliche Begrif wird jederzeit von der Vorstellung eines Bildes oder einer Anschauung begleitet. Man wird z.B. den Namen eines Menschen nicht aussprechen können, oder auch, man wird nicht an ihn denken, ohne daß uns in demselben Augenblicke sein Bild, und im Falle er uns unbekannt ist, ein Jdeal, das wir uns von ihm entworfen haben, vorschweben sollte. Eben so verhält es sich, wenn wir die Ausdrücke: Wasser, Feuer, Regen, Bewegung, Auf- und Niedergang, Hölle oder Paradies u.s.w. nennen hören, oder auch an diese Begriffe denken. Wir haben immer ihre Bilder oder die Jdeale, welche wir uns von ihnen machen, eine auffallende Würkung oder eine sinnliche Veränderung derselben, im Sinne.

Die Fortschritte der Vernunft, und die Aufhellungen, welche der Verstand verschaft, werden hierdurch theils befördert theils gehindert; befördert, weil die bloße Vorstellung des Bildes und der Anschauung, wenn sie nicht Jdeale sind, die Beweise von der Möglichkeit und Anwendbarkeit der Begriffe mit sich führt, und man also, wie dieses bei dem vollkommen unsinnlichen der Fall ist, zu erforschen nöthig hat, ob der Begrif auch vom Widerspruche frei sei, ob er auf irgend einen Stoff bezogen werden kann, und ob sich eine praktische Anwendung von demselben denken läßt.

Es werden hingegen die Operationen der Vernunft und des Verstandes dadurch gehindert, weil


Jeder sinnliche Begrif wird jederzeit von der Vorstellung eines Bildes oder einer Anschauung begleitet. Man wird z.B. den Namen eines Menschen nicht aussprechen koͤnnen, oder auch, man wird nicht an ihn denken, ohne daß uns in demselben Augenblicke sein Bild, und im Falle er uns unbekannt ist, ein Jdeal, das wir uns von ihm entworfen haben, vorschweben sollte. Eben so verhaͤlt es sich, wenn wir die Ausdruͤcke: Wasser, Feuer, Regen, Bewegung, Auf- und Niedergang, Hoͤlle oder Paradies u.s.w. nennen hoͤren, oder auch an diese Begriffe denken. Wir haben immer ihre Bilder oder die Jdeale, welche wir uns von ihnen machen, eine auffallende Wuͤrkung oder eine sinnliche Veraͤnderung derselben, im Sinne.

Die Fortschritte der Vernunft, und die Aufhellungen, welche der Verstand verschaft, werden hierdurch theils befoͤrdert theils gehindert; befoͤrdert, weil die bloße Vorstellung des Bildes und der Anschauung, wenn sie nicht Jdeale sind, die Beweise von der Moͤglichkeit und Anwendbarkeit der Begriffe mit sich fuͤhrt, und man also, wie dieses bei dem vollkommen unsinnlichen der Fall ist, zu erforschen noͤthig hat, ob der Begrif auch vom Widerspruche frei sei, ob er auf irgend einen Stoff bezogen werden kann, und ob sich eine praktische Anwendung von demselben denken laͤßt.

Es werden hingegen die Operationen der Vernunft und des Verstandes dadurch gehindert, weil

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[15/0015] Jeder sinnliche Begrif wird jederzeit von der Vorstellung eines Bildes oder einer Anschauung begleitet. Man wird z.B. den Namen eines Menschen nicht aussprechen koͤnnen, oder auch, man wird nicht an ihn denken, ohne daß uns in demselben Augenblicke sein Bild, und im Falle er uns unbekannt ist, ein Jdeal, das wir uns von ihm entworfen haben, vorschweben sollte. Eben so verhaͤlt es sich, wenn wir die Ausdruͤcke: Wasser, Feuer, Regen, Bewegung, Auf- und Niedergang, Hoͤlle oder Paradies u.s.w. nennen hoͤren, oder auch an diese Begriffe denken. Wir haben immer ihre Bilder oder die Jdeale, welche wir uns von ihnen machen, eine auffallende Wuͤrkung oder eine sinnliche Veraͤnderung derselben, im Sinne. Die Fortschritte der Vernunft, und die Aufhellungen, welche der Verstand verschaft, werden hierdurch theils befoͤrdert theils gehindert; befoͤrdert, weil die bloße Vorstellung des Bildes und der Anschauung, wenn sie nicht Jdeale sind, die Beweise von der Moͤglichkeit und Anwendbarkeit der Begriffe mit sich fuͤhrt, und man also, wie dieses bei dem vollkommen unsinnlichen der Fall ist, zu erforschen noͤthig hat, ob der Begrif auch vom Widerspruche frei sei, ob er auf irgend einen Stoff bezogen werden kann, und ob sich eine praktische Anwendung von demselben denken laͤßt. Es werden hingegen die Operationen der Vernunft und des Verstandes dadurch gehindert, weil

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 2. Berlin, 1792, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0902_1792/15>, abgerufen am 26.04.2024.