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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 1. Berlin, 1792.

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hängen. Die Erschaffung der Welt konnte also nicht als eine Hervorbringung aus nichts, auch nicht eine Bildung von etwas, von ihm Unabhängigen, sondern nur als eine Hervorbringung aus sich selbst gedacht werden. Und da die Wesen von verschiedenen Graden der Vollkommenheit sind, so müssen wir zur Erklärung ihrer Entstehungsart, verschiedene Grade der Einschränkung des göttlichen Wesens annehmen. Und da diese Einschränkung grade vom unendlichen Wesen bis zu der Materie gedacht werden muß, so stellen wir uns den Anfang dieser Einschränkung figürlich als einen Mittelpunkt (den niedrigsten Punkt) des Unendlichen vor.

Unter den zehn Kreisen dachte sich B. J. die zehn Prädikamente des Aristoteles, die er aus gedachtem More Newochim kennen gelernt hatte, die allgemeinsten Prädikate der Dinge, ohne welche nichts gedacht werden kann u.s.w.

B. J. zog sich aber durch diese Erklärungsart manche Ungelegenheit zu. Die Kabalisten behaupten nehmlich, daß die Kabala keine menschliche, sondern eine göttliche Wissenschaft sey, und daß es folglich dieselbe herabwürdigen hieße, wenn man ihre Geheimnisse der Natur und Vernunft gemäß erklären wollte.

Je vernünftiger also B. J. Erklärungen herauskamen, desto mehr wurden sie gegen ihn aufgebracht, indem sie dasjenige blos für göttlich hielten, was keinen vernünftigen Sinn hatte.



haͤngen. Die Erschaffung der Welt konnte also nicht als eine Hervorbringung aus nichts, auch nicht eine Bildung von etwas, von ihm Unabhaͤngigen, sondern nur als eine Hervorbringung aus sich selbst gedacht werden. Und da die Wesen von verschiedenen Graden der Vollkommenheit sind, so muͤssen wir zur Erklaͤrung ihrer Entstehungsart, verschiedene Grade der Einschraͤnkung des goͤttlichen Wesens annehmen. Und da diese Einschraͤnkung grade vom unendlichen Wesen bis zu der Materie gedacht werden muß, so stellen wir uns den Anfang dieser Einschraͤnkung figuͤrlich als einen Mittelpunkt (den niedrigsten Punkt) des Unendlichen vor.

Unter den zehn Kreisen dachte sich B. J. die zehn Praͤdikamente des Aristoteles, die er aus gedachtem More Newochim kennen gelernt hatte, die allgemeinsten Praͤdikate der Dinge, ohne welche nichts gedacht werden kann u.s.w.

B. J. zog sich aber durch diese Erklaͤrungsart manche Ungelegenheit zu. Die Kabalisten behaupten nehmlich, daß die Kabala keine menschliche, sondern eine goͤttliche Wissenschaft sey, und daß es folglich dieselbe herabwuͤrdigen hieße, wenn man ihre Geheimnisse der Natur und Vernunft gemaͤß erklaͤren wollte.

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[40/0042] haͤngen. Die Erschaffung der Welt konnte also nicht als eine Hervorbringung aus nichts, auch nicht eine Bildung von etwas, von ihm Unabhaͤngigen, sondern nur als eine Hervorbringung aus sich selbst gedacht werden. Und da die Wesen von verschiedenen Graden der Vollkommenheit sind, so muͤssen wir zur Erklaͤrung ihrer Entstehungsart, verschiedene Grade der Einschraͤnkung des goͤttlichen Wesens annehmen. Und da diese Einschraͤnkung grade vom unendlichen Wesen bis zu der Materie gedacht werden muß, so stellen wir uns den Anfang dieser Einschraͤnkung figuͤrlich als einen Mittelpunkt (den niedrigsten Punkt) des Unendlichen vor. Unter den zehn Kreisen dachte sich B. J. die zehn Praͤdikamente des Aristoteles, die er aus gedachtem More Newochim kennen gelernt hatte, die allgemeinsten Praͤdikate der Dinge, ohne welche nichts gedacht werden kann u.s.w. B. J. zog sich aber durch diese Erklaͤrungsart manche Ungelegenheit zu. Die Kabalisten behaupten nehmlich, daß die Kabala keine menschliche, sondern eine goͤttliche Wissenschaft sey, und daß es folglich dieselbe herabwuͤrdigen hieße, wenn man ihre Geheimnisse der Natur und Vernunft gemaͤß erklaͤren wollte. Je vernuͤnftiger also B. J. Erklaͤrungen herauskamen, desto mehr wurden sie gegen ihn aufgebracht, indem sie dasjenige blos fuͤr goͤttlich hielten, was keinen vernuͤnftigen Sinn hatte.

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 1. Berlin, 1792, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0901_1792/42>, abgerufen am 26.04.2024.