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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 3. Berlin, 1789.

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ten arbeitet, dieses Wohlgefallen auch künftig zu verdienen, und eben so funkeln ihm die Augen vor Freude, wenn er auf seiner Meritenliste ein- oder mehreremale optime bekommt. Hingegen, wenn er auch nur: mittelmäßig bekommt, so betrübt ihn dieses so sehr, daß er es gar nicht für möglich hält, daß es dabei bleiben sollte. Jch habe ihn über einem solchen mittelmäßig schon Stunden lang weinen sehen, selbst bei einem bene kann er weinen, besonders, wenn sein jüngerer Bruder optime bekommen hatte, und doch schämt er sich alsdann, wann das Weinen vorbei ist, mit den thränenrothen Augen unter die Leute zu gehen. -- Wenn man ihm aufgiebt, seinen jüngern Geschwistern ihre Lektionen aufsagen zu lassen, so schmeichelt ihm dies sehr, und er weiß sich dabei ein solches Ansehen zu geben, als nur immer ein Schulmonarch sich unter seinen Kindern geben kann, wo dann freilich die angenommene Ernsthaftigkeit im Kontrast mit dem Alter des Knaben lächerlich genug auffält. -- Was Strafen bei ihm bewürken, sieht man nun aus dem bisherigen schon, allein sie sind deswegen nicht fruchtlos, im Gegentheil wird er dadurch auf die Zukunft nur desto eifriger, sie zu vermeiden, weil sie ihm eine so gar unangenehme Sache sind. -- Gegen Schmerz und Vergnügen ist er sehr empfindlich. Wenn er in den kleinen Spielen mit seinen Geschwistern, wo um Bohnen etc. gespielt wird, verliert, so wird er so dadurch niedergeschlagen, daß


ten arbeitet, dieses Wohlgefallen auch kuͤnftig zu verdienen, und eben so funkeln ihm die Augen vor Freude, wenn er auf seiner Meritenliste ein- oder mehreremale optime bekommt. Hingegen, wenn er auch nur: mittelmaͤßig bekommt, so betruͤbt ihn dieses so sehr, daß er es gar nicht fuͤr moͤglich haͤlt, daß es dabei bleiben sollte. Jch habe ihn uͤber einem solchen mittelmaͤßig schon Stunden lang weinen sehen, selbst bei einem bene kann er weinen, besonders, wenn sein juͤngerer Bruder optime bekommen hatte, und doch schaͤmt er sich alsdann, wann das Weinen vorbei ist, mit den thraͤnenrothen Augen unter die Leute zu gehen. — Wenn man ihm aufgiebt, seinen juͤngern Geschwistern ihre Lektionen aufsagen zu lassen, so schmeichelt ihm dies sehr, und er weiß sich dabei ein solches Ansehen zu geben, als nur immer ein Schulmonarch sich unter seinen Kindern geben kann, wo dann freilich die angenommene Ernsthaftigkeit im Kontrast mit dem Alter des Knaben laͤcherlich genug auffaͤlt. — Was Strafen bei ihm bewuͤrken, sieht man nun aus dem bisherigen schon, allein sie sind deswegen nicht fruchtlos, im Gegentheil wird er dadurch auf die Zukunft nur desto eifriger, sie zu vermeiden, weil sie ihm eine so gar unangenehme Sache sind. — Gegen Schmerz und Vergnuͤgen ist er sehr empfindlich. Wenn er in den kleinen Spielen mit seinen Geschwistern, wo um Bohnen etc. gespielt wird, verliert, so wird er so dadurch niedergeschlagen, daß

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[98/0098] ten arbeitet, dieses Wohlgefallen auch kuͤnftig zu verdienen, und eben so funkeln ihm die Augen vor Freude, wenn er auf seiner Meritenliste ein- oder mehreremale optime bekommt. Hingegen, wenn er auch nur: mittelmaͤßig bekommt, so betruͤbt ihn dieses so sehr, daß er es gar nicht fuͤr moͤglich haͤlt, daß es dabei bleiben sollte. Jch habe ihn uͤber einem solchen mittelmaͤßig schon Stunden lang weinen sehen, selbst bei einem bene kann er weinen, besonders, wenn sein juͤngerer Bruder optime bekommen hatte, und doch schaͤmt er sich alsdann, wann das Weinen vorbei ist, mit den thraͤnenrothen Augen unter die Leute zu gehen. — Wenn man ihm aufgiebt, seinen juͤngern Geschwistern ihre Lektionen aufsagen zu lassen, so schmeichelt ihm dies sehr, und er weiß sich dabei ein solches Ansehen zu geben, als nur immer ein Schulmonarch sich unter seinen Kindern geben kann, wo dann freilich die angenommene Ernsthaftigkeit im Kontrast mit dem Alter des Knaben laͤcherlich genug auffaͤlt. — Was Strafen bei ihm bewuͤrken, sieht man nun aus dem bisherigen schon, allein sie sind deswegen nicht fruchtlos, im Gegentheil wird er dadurch auf die Zukunft nur desto eifriger, sie zu vermeiden, weil sie ihm eine so gar unangenehme Sache sind. — Gegen Schmerz und Vergnuͤgen ist er sehr empfindlich. Wenn er in den kleinen Spielen mit seinen Geschwistern, wo um Bohnen etc. gespielt wird, verliert, so wird er so dadurch niedergeschlagen, daß

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 3. Berlin, 1789, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0703_1789/98>, abgerufen am 26.04.2024.