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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 2. Berlin, 1785.

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chen Sachen die Rede ist, so wird sie blaß und kraftlos, und man sieht es augenscheinlich, daß dieß Wort ihren Ohren völlig unerträglich sey. Da sie sich doch des Gedankens an das Aderlassen durch ihr ganzes Leben hindurch ohnmöglich verwehren kann, so ist freilich merkwürdig, daß sie just alsdenn eine Anwandlung von einer Ohnmacht bekömmt, wenn sie es aussprechen hört. -- Es hat aber damit vielleicht eben die Bewandniß, die es in ähnlichen Fällen bei anderen Personen hat. So ist mir z.E. die Empfindung ganz unausstehlich, wenn jemand mit dem Messer Korke schneidet. Der Mund läuft mir dabei voll Wasser, und ich bekomme einen Frost am ganzen Leibe, ohnerachtet ich von dieser unangenehmen Empfindung reden hören, und selbst davon reden kann.


IV. Nachtrag zur Seelenkrankheitsgeschichte Johann Christoph Beckers.

Dieser Mann hat, so lange ich ihn kenne, immer einen etwas starren Blick gehabt. Wenn er eine Zeitlang auf etwas warten mußte, setzte er sich nieder, und war im Stande eine halbe Stunde, wohl noch länger immer starr auf einen Fleck an die Erde zu sehen. Er ist auch immer etwas leicht-


chen Sachen die Rede ist, so wird sie blaß und kraftlos, und man sieht es augenscheinlich, daß dieß Wort ihren Ohren voͤllig unertraͤglich sey. Da sie sich doch des Gedankens an das Aderlassen durch ihr ganzes Leben hindurch ohnmoͤglich verwehren kann, so ist freilich merkwuͤrdig, daß sie just alsdenn eine Anwandlung von einer Ohnmacht bekoͤmmt, wenn sie es aussprechen hoͤrt. — Es hat aber damit vielleicht eben die Bewandniß, die es in aͤhnlichen Faͤllen bei anderen Personen hat. So ist mir z.E. die Empfindung ganz unausstehlich, wenn jemand mit dem Messer Korke schneidet. Der Mund laͤuft mir dabei voll Wasser, und ich bekomme einen Frost am ganzen Leibe, ohnerachtet ich von dieser unangenehmen Empfindung reden hoͤren, und selbst davon reden kann.


IV. Nachtrag zur Seelenkrankheitsgeschichte Johann Christoph Beckers.

Dieser Mann hat, so lange ich ihn kenne, immer einen etwas starren Blick gehabt. Wenn er eine Zeitlang auf etwas warten mußte, setzte er sich nieder, und war im Stande eine halbe Stunde, wohl noch laͤnger immer starr auf einen Fleck an die Erde zu sehen. Er ist auch immer etwas leicht-

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[47/0047] chen Sachen die Rede ist, so wird sie blaß und kraftlos, und man sieht es augenscheinlich, daß dieß Wort ihren Ohren voͤllig unertraͤglich sey. Da sie sich doch des Gedankens an das Aderlassen durch ihr ganzes Leben hindurch ohnmoͤglich verwehren kann, so ist freilich merkwuͤrdig, daß sie just alsdenn eine Anwandlung von einer Ohnmacht bekoͤmmt, wenn sie es aussprechen hoͤrt. — Es hat aber damit vielleicht eben die Bewandniß, die es in aͤhnlichen Faͤllen bei anderen Personen hat. So ist mir z.E. die Empfindung ganz unausstehlich, wenn jemand mit dem Messer Korke schneidet. Der Mund laͤuft mir dabei voll Wasser, und ich bekomme einen Frost am ganzen Leibe, ohnerachtet ich von dieser unangenehmen Empfindung reden hoͤren, und selbst davon reden kann. IV. Nachtrag zur Seelenkrankheitsgeschichte Johann Christoph Beckers. Dieser Mann hat, so lange ich ihn kenne, immer einen etwas starren Blick gehabt. Wenn er eine Zeitlang auf etwas warten mußte, setzte er sich nieder, und war im Stande eine halbe Stunde, wohl noch laͤnger immer starr auf einen Fleck an die Erde zu sehen. Er ist auch immer etwas leicht-

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 2. Berlin, 1785, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0303_1785/47>, abgerufen am 26.04.2024.