KAPITEL VIII. Pompeius und Caesars Gesammtherrschaft.
Unter den Demokratenchefs, die seit Caesars Consulat so zu sagen officiell als die gemeinschaftlichen Beherrscher des Ge- meinwesens, als die regierenden ,Dreimänner' anerkannt waren, nahm der öffentlichen Meinung zufolge durchaus die erste Stelle Pompeius ein. Er war es, der den Optimaten der ,Privatdictator' hiess; vor ihm that Cicero seinen vergeblichen Fussfall; ihm gal- ten die schärfsten Sarkasmen in den Mauerplacaten des Bibulus, die giftigsten Pfeile in den Salonreden der Opposition. Es war dies nur in der Ordnung. Nach den vorliegenden Thatsachen war Pompeius unbestritten der erste Feldherr seiner Zeit, Caesar ein gewandter Parteiführer und Parteiredner, von unleugbaren Talenten, aber ebenso notorisch von unkriegerischem, ja weibi- schem Naturell. Diese Urtheile waren seit langem geläufig; man konnte es von dem vornehmen Pöbel nicht erwarten, dass er um das Wesen der Dinge sich kümmere und einmal festgestellte Plattheiten wegen obscurer Heldenthaten am Tajo aufgebe. Offen- bar spielte Caesar in dem Bunde nur die Rolle des Adjutanten, der das für seinen Chef ausführte, was Flavius, Afranius und an- dere weniger fähige Werkzeuge versucht und nicht geleistet hat- ten. Selbst seine Statthalterschaft schien dies Verhältniss nicht zu ändern. Eine sehr ähnliche Stellung hatte erst kürzlich Afranius eingenommen, ohne darum etwas besonderes zu bedeuten; beide Gallien und vier Legionen waren oft in einer Hand vereinigt ge- wesen; da es jenseit der Alpen wieder ruhig und Fürst Ariovist von den Römern als Freund und Nachbar anerkannt war, so
KAPITEL VIII. Pompeius und Caesars Gesammtherrschaft.
Unter den Demokratenchefs, die seit Caesars Consulat so zu sagen officiell als die gemeinschaftlichen Beherrscher des Ge- meinwesens, als die regierenden ‚Dreimänner‘ anerkannt waren, nahm der öffentlichen Meinung zufolge durchaus die erste Stelle Pompeius ein. Er war es, der den Optimaten der ‚Privatdictator‘ hieſs; vor ihm that Cicero seinen vergeblichen Fuſsfall; ihm gal- ten die schärfsten Sarkasmen in den Mauerplacaten des Bibulus, die giftigsten Pfeile in den Salonreden der Opposition. Es war dies nur in der Ordnung. Nach den vorliegenden Thatsachen war Pompeius unbestritten der erste Feldherr seiner Zeit, Caesar ein gewandter Parteiführer und Parteiredner, von unleugbaren Talenten, aber ebenso notorisch von unkriegerischem, ja weibi- schem Naturell. Diese Urtheile waren seit langem geläufig; man konnte es von dem vornehmen Pöbel nicht erwarten, daſs er um das Wesen der Dinge sich kümmere und einmal festgestellte Plattheiten wegen obscurer Heldenthaten am Tajo aufgebe. Offen- bar spielte Caesar in dem Bunde nur die Rolle des Adjutanten, der das für seinen Chef ausführte, was Flavius, Afranius und an- dere weniger fähige Werkzeuge versucht und nicht geleistet hat- ten. Selbst seine Statthalterschaft schien dies Verhältniſs nicht zu ändern. Eine sehr ähnliche Stellung hatte erst kürzlich Afranius eingenommen, ohne darum etwas besonderes zu bedeuten; beide Gallien und vier Legionen waren oft in einer Hand vereinigt ge- wesen; da es jenseit der Alpen wieder ruhig und Fürst Ariovist von den Römern als Freund und Nachbar anerkannt war, so
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KAPITEL VIII.
Pompeius und Caesars Gesammtherrschaft.
Unter den Demokratenchefs, die seit Caesars Consulat so zu
sagen officiell als die gemeinschaftlichen Beherrscher des Ge-
meinwesens, als die regierenden ‚Dreimänner‘ anerkannt waren,
nahm der öffentlichen Meinung zufolge durchaus die erste Stelle
Pompeius ein. Er war es, der den Optimaten der ‚Privatdictator‘
hieſs; vor ihm that Cicero seinen vergeblichen Fuſsfall; ihm gal-
ten die schärfsten Sarkasmen in den Mauerplacaten des Bibulus,
die giftigsten Pfeile in den Salonreden der Opposition. Es war
dies nur in der Ordnung. Nach den vorliegenden Thatsachen
war Pompeius unbestritten der erste Feldherr seiner Zeit, Caesar
ein gewandter Parteiführer und Parteiredner, von unleugbaren
Talenten, aber ebenso notorisch von unkriegerischem, ja weibi-
schem Naturell. Diese Urtheile waren seit langem geläufig; man
konnte es von dem vornehmen Pöbel nicht erwarten, daſs er um
das Wesen der Dinge sich kümmere und einmal festgestellte
Plattheiten wegen obscurer Heldenthaten am Tajo aufgebe. Offen-
bar spielte Caesar in dem Bunde nur die Rolle des Adjutanten,
der das für seinen Chef ausführte, was Flavius, Afranius und an-
dere weniger fähige Werkzeuge versucht und nicht geleistet hat-
ten. Selbst seine Statthalterschaft schien dies Verhältniſs nicht zu
ändern. Eine sehr ähnliche Stellung hatte erst kürzlich Afranius
eingenommen, ohne darum etwas besonderes zu bedeuten; beide
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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. [278]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/288>, abgerufen am 21.11.2024.
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