Um die Zeit, als die erste Feldschlacht zwischen Römern und Römern geschlagen ward, in der Nacht des 6. Juli 671 war der ehrwürdige Tempel, den die Könige errichtet, die junge Freiheit geweiht, die Stürme eines halben Jahrtausend verschont hatten, der Tempel des römischen Jupiter auf dem Capitol in Flammen aufgegangen. Es war kein Anzeichen, aber wohl ein Abbild des Zustandes der römischen Verfassung. Auch diese bedurfte eines Neubaues. Die Revolution zwar war besiegt, aber es fehlte doch viel, dass damit von selber das alte Regiment wieder sich herge- stellt hätte. Allerdings meinte die Masse der Aristokratie, dass jetzt nach dem Tode der beiden revolutionären Consuln es ge- nügen werde die gewöhnliche Ergänzungswahl zu veranstalten und es den neuen Consuln zu überlassen, was ihnen zur Beloh- nung der siegreichen Armee, zur Bestrafung der schuldigsten Revolutionäre, etwa auch zur Verhütung ähnlicher Ausbrüche weiter erforderlich erscheinen werde. Allein Sulla, in dessen Händen der Sieg für den Augenblick alle Macht vereinigt hatte, täuschte sich weder über die Oligarchie noch über die Oligar- chen. Die Aristokratie Roms war in ihrer besten Epoche nicht hinausgekommen über ein halb grossartiges halb bornirtes Fest- halten an den überlieferten Formen; wie sollte das schwerfällige collegialische Regiment dieser Zeit eine umfassende Staatsreform energisch und consequent durchzuführen vermögen? Und eben jetzt, nachdem die letzte Krise fast alle Spitzen des Senats weg- gerafft hatte, war die zu einem solchen Beginnen erforderliche
KAPITEL X. Die sullanische Verfassung.
Um die Zeit, als die erste Feldschlacht zwischen Römern und Römern geschlagen ward, in der Nacht des 6. Juli 671 war der ehrwürdige Tempel, den die Könige errichtet, die junge Freiheit geweiht, die Stürme eines halben Jahrtausend verschont hatten, der Tempel des römischen Jupiter auf dem Capitol in Flammen aufgegangen. Es war kein Anzeichen, aber wohl ein Abbild des Zustandes der römischen Verfassung. Auch diese bedurfte eines Neubaues. Die Revolution zwar war besiegt, aber es fehlte doch viel, daſs damit von selber das alte Regiment wieder sich herge- stellt hätte. Allerdings meinte die Masse der Aristokratie, daſs jetzt nach dem Tode der beiden revolutionären Consuln es ge- nügen werde die gewöhnliche Ergänzungswahl zu veranstalten und es den neuen Consuln zu überlassen, was ihnen zur Beloh- nung der siegreichen Armee, zur Bestrafung der schuldigsten Revolutionäre, etwa auch zur Verhütung ähnlicher Ausbrüche weiter erforderlich erscheinen werde. Allein Sulla, in dessen Händen der Sieg für den Augenblick alle Macht vereinigt hatte, täuschte sich weder über die Oligarchie noch über die Oligar- chen. Die Aristokratie Roms war in ihrer besten Epoche nicht hinausgekommen über ein halb groſsartiges halb bornirtes Fest- halten an den überlieferten Formen; wie sollte das schwerfällige collegialische Regiment dieser Zeit eine umfassende Staatsreform energisch und consequent durchzuführen vermögen? Und eben jetzt, nachdem die letzte Krise fast alle Spitzen des Senats weg- gerafft hatte, war die zu einem solchen Beginnen erforderliche
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KAPITEL X.
Die sullanische Verfassung.
Um die Zeit, als die erste Feldschlacht zwischen Römern und
Römern geschlagen ward, in der Nacht des 6. Juli 671 war der
ehrwürdige Tempel, den die Könige errichtet, die junge Freiheit
geweiht, die Stürme eines halben Jahrtausend verschont hatten,
der Tempel des römischen Jupiter auf dem Capitol in Flammen
aufgegangen. Es war kein Anzeichen, aber wohl ein Abbild des
Zustandes der römischen Verfassung. Auch diese bedurfte eines
Neubaues. Die Revolution zwar war besiegt, aber es fehlte doch
viel, daſs damit von selber das alte Regiment wieder sich herge-
stellt hätte. Allerdings meinte die Masse der Aristokratie, daſs
jetzt nach dem Tode der beiden revolutionären Consuln es ge-
nügen werde die gewöhnliche Ergänzungswahl zu veranstalten
und es den neuen Consuln zu überlassen, was ihnen zur Beloh-
nung der siegreichen Armee, zur Bestrafung der schuldigsten
Revolutionäre, etwa auch zur Verhütung ähnlicher Ausbrüche
weiter erforderlich erscheinen werde. Allein Sulla, in dessen
Händen der Sieg für den Augenblick alle Macht vereinigt hatte,
täuschte sich weder über die Oligarchie noch über die Oligar-
chen. Die Aristokratie Roms war in ihrer besten Epoche nicht
hinausgekommen über ein halb groſsartiges halb bornirtes Fest-
halten an den überlieferten Formen; wie sollte das schwerfällige
collegialische Regiment dieser Zeit eine umfassende Staatsreform
energisch und consequent durchzuführen vermögen? Und eben
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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855, S. [322]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische02_1855/332>, abgerufen am 22.12.2024.
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