Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.

Bild:
<< vorherige Seite
KAPITEL III.


Die Ausgleichung der Stände.

Die tribunicischen Bewegungen scheinen vorzugsweise
aus den socialen, nicht aus den politischen Missverhältnissen
hervorgegangen zu sein und es ist guter Grund vorhanden
zu der Annahme, dass ein Theil der vermögenden in den
Senat aufgenommenen Plebejer denselben nicht minder ent-
gegen war als die Patricier; denn auch sie waren Privilegirte
und wenn sie auch wieder in anderer Beziehung sich zurück-
gesetzt fanden, so mochte es ihnen doch keineswegs an der
Zeit scheinen ihre Ansprüche auf Theilnahme an den Aemtern
geltend zu machen, während der ganze Senat in seiner finan-
ziellen Sondermacht bedroht war. So erklärt es sich, dass
während der ersten fünfzig Jahre der Republik kein Schritt
geschah, der direct auf politische Ausgleichung der Stände
hinzielte. -- Allein wie unhaltbar diese Allianz der Patricier
und der mit ihnen haltenden reichen Plebejer war, leuchtet
ein. Ohne Zweifel hat ein Theil der vornehmen plebejischen
Familien von Haus aus der Bewegungspartei sich angeschlos-
sen, theils aus Billigkeitsgefühl gegen ihre Standesgenossen,
theils in Folge des natürlichen Bundes aller Zurückgesetzten,
theils endlich weil sie begriffen, dass Concessionen an die
Menge unvermeidlich waren und dass sie, richtig benutzt, der
plebejischen Aristokratie das entscheidende Gewicht im Staate
geben und die politische Gleichheit zur Folge haben würden.
Wenn die vornehmen Plebejer an die Spitze ihres Standes
traten, so hielten sie in dem Tribunat den Bürgerkrieg ge-

KAPITEL III.


Die Ausgleichung der Stände.

Die tribunicischen Bewegungen scheinen vorzugsweise
aus den socialen, nicht aus den politischen Miſsverhältnissen
hervorgegangen zu sein und es ist guter Grund vorhanden
zu der Annahme, daſs ein Theil der vermögenden in den
Senat aufgenommenen Plebejer denselben nicht minder ent-
gegen war als die Patricier; denn auch sie waren Privilegirte
und wenn sie auch wieder in anderer Beziehung sich zurück-
gesetzt fanden, so mochte es ihnen doch keineswegs an der
Zeit scheinen ihre Ansprüche auf Theilnahme an den Aemtern
geltend zu machen, während der ganze Senat in seiner finan-
ziellen Sondermacht bedroht war. So erklärt es sich, daſs
während der ersten fünfzig Jahre der Republik kein Schritt
geschah, der direct auf politische Ausgleichung der Stände
hinzielte. — Allein wie unhaltbar diese Allianz der Patricier
und der mit ihnen haltenden reichen Plebejer war, leuchtet
ein. Ohne Zweifel hat ein Theil der vornehmen plebejischen
Familien von Haus aus der Bewegungspartei sich angeschlos-
sen, theils aus Billigkeitsgefühl gegen ihre Standesgenossen,
theils in Folge des natürlichen Bundes aller Zurückgesetzten,
theils endlich weil sie begriffen, daſs Concessionen an die
Menge unvermeidlich waren und daſs sie, richtig benutzt, der
plebejischen Aristokratie das entscheidende Gewicht im Staate
geben und die politische Gleichheit zur Folge haben würden.
Wenn die vornehmen Plebejer an die Spitze ihres Standes
traten, so hielten sie in dem Tribunat den Bürgerkrieg ge-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0201" n="[187]"/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#g">KAPITEL</hi> III.</head><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <argument>
            <p><hi rendition="#g">Die Ausgleichung der Stände</hi>.</p>
          </argument><lb/>
          <p>Die tribunicischen Bewegungen scheinen vorzugsweise<lb/>
aus den socialen, nicht aus den politischen Mi&#x017F;sverhältnissen<lb/>
hervorgegangen zu sein und es ist guter Grund vorhanden<lb/>
zu der Annahme, da&#x017F;s ein Theil der vermögenden in den<lb/>
Senat aufgenommenen Plebejer denselben nicht minder ent-<lb/>
gegen war als die Patricier; denn auch sie waren Privilegirte<lb/>
und wenn sie auch wieder in anderer Beziehung sich zurück-<lb/>
gesetzt fanden, so mochte es ihnen doch keineswegs an der<lb/>
Zeit scheinen ihre Ansprüche auf Theilnahme an den Aemtern<lb/>
geltend zu machen, während der ganze Senat in seiner finan-<lb/>
ziellen Sondermacht bedroht war. So erklärt es sich, da&#x017F;s<lb/>
während der ersten fünfzig Jahre der Republik kein Schritt<lb/>
geschah, der direct auf politische Ausgleichung der Stände<lb/>
hinzielte. &#x2014; Allein wie unhaltbar diese Allianz der Patricier<lb/>
und der mit ihnen haltenden reichen Plebejer war, leuchtet<lb/>
ein. Ohne Zweifel hat ein Theil der vornehmen plebejischen<lb/>
Familien von Haus aus der Bewegungspartei sich angeschlos-<lb/>
sen, theils aus Billigkeitsgefühl gegen ihre Standesgenossen,<lb/>
theils in Folge des natürlichen Bundes aller Zurückgesetzten,<lb/>
theils endlich weil sie begriffen, da&#x017F;s Concessionen an die<lb/>
Menge unvermeidlich waren und da&#x017F;s sie, richtig benutzt, der<lb/>
plebejischen Aristokratie das entscheidende Gewicht im Staate<lb/>
geben und die politische Gleichheit zur Folge haben würden.<lb/>
Wenn die vornehmen Plebejer an die Spitze ihres Standes<lb/>
traten, so hielten sie in dem Tribunat den Bürgerkrieg ge-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[187]/0201] KAPITEL III. Die Ausgleichung der Stände. Die tribunicischen Bewegungen scheinen vorzugsweise aus den socialen, nicht aus den politischen Miſsverhältnissen hervorgegangen zu sein und es ist guter Grund vorhanden zu der Annahme, daſs ein Theil der vermögenden in den Senat aufgenommenen Plebejer denselben nicht minder ent- gegen war als die Patricier; denn auch sie waren Privilegirte und wenn sie auch wieder in anderer Beziehung sich zurück- gesetzt fanden, so mochte es ihnen doch keineswegs an der Zeit scheinen ihre Ansprüche auf Theilnahme an den Aemtern geltend zu machen, während der ganze Senat in seiner finan- ziellen Sondermacht bedroht war. So erklärt es sich, daſs während der ersten fünfzig Jahre der Republik kein Schritt geschah, der direct auf politische Ausgleichung der Stände hinzielte. — Allein wie unhaltbar diese Allianz der Patricier und der mit ihnen haltenden reichen Plebejer war, leuchtet ein. Ohne Zweifel hat ein Theil der vornehmen plebejischen Familien von Haus aus der Bewegungspartei sich angeschlos- sen, theils aus Billigkeitsgefühl gegen ihre Standesgenossen, theils in Folge des natürlichen Bundes aller Zurückgesetzten, theils endlich weil sie begriffen, daſs Concessionen an die Menge unvermeidlich waren und daſs sie, richtig benutzt, der plebejischen Aristokratie das entscheidende Gewicht im Staate geben und die politische Gleichheit zur Folge haben würden. Wenn die vornehmen Plebejer an die Spitze ihres Standes traten, so hielten sie in dem Tribunat den Bürgerkrieg ge-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/201
Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. [187]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/201>, abgerufen am 21.11.2024.