Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859.

Bild:
<< vorherige Seite
tung eines diesseitigen Angehörigen unschuldige Bürger des fremden Staates
diesseits ebenfalls hingerichtet werden; wenn eine ungerechtfertigte Wegnahme
diesseitigen Eigenthums durch den fremden Staat das Eigenthum seiner
Bürger im diesseitigen Gebiete zerstört oder demselben definitiv entzogen
wird; wenn als Wiedervergeltung für eine in diplomatischen Verhältnissen
erzeugte Ungunst ein rechtsgültig bestehender und vom Gegner nicht ver-
letzter Vertrag einseitig gebrochen wird.
§ 66.
bb. Abbrechen der Verbindung.

Die beständige Verbindung zweier Staaten durch Gesandt-
schaften und sonstigen regelmäßigen Verkehr ist theils ein Zeichen
guten Vernehmens, theils gereicht es beiden Staaten zum Vor-
theile in mancherlei Beziehungen. Ein völliges Abbrechen dieser
Verbindung ist daher ein zulässiges Mittel, um einen ver-
letzenden Gegner, auf welchen andere geringere Maßregeln keinen
Eindruck machten, zur Besinnung zu bringen. Einerseits wird
dadurch ein starkes Gefühl der Verletzung und der Entschluß,
sich Unrecht nicht weiter gefallen zu lassen, ausgedrückt, dadurch
aber möglicherweise eine Verbesserung des gegnerischen Beneh-
mens hervorgerufen. Sodann aber kann der aus dem Auf-
hören jedes geordneten freundlichen Verkehres entstehende Nachtheil
eine Veranlassung zu einer Wiederannäherung geben, damit der
frühere vortheilhafte Zustand wieder zurückkehre 1).

Die Abbrechung des Verkehres darf, wenn sie nicht selbst
in Rechtsverletzung ausarten soll, nicht ausgedehnt werden
auf Verweigerung solcher Leistungen, welche entweder allgemeine
Rechtspflicht oder durch bestimmte Verträge festgestellt sind;
sondern es kann in diesen Beziehungen nur insoferne der
Gegner beeinträchtigt werden, als alle Erleichterungen wegfallen,
welche durch den regelmäßigen Verkehr dem zu einer Leistung
Berechtigten zugehen. Dagegen ist die Verweigerung jeder nicht
rechtlich zu fordernden Gefälligkeit, sei es für den Staat sei

tung eines dieſſeitigen Angehörigen unſchuldige Bürger des fremden Staates
dieſſeits ebenfalls hingerichtet werden; wenn eine ungerechtfertigte Wegnahme
dieſſeitigen Eigenthums durch den fremden Staat das Eigenthum ſeiner
Bürger im dieſſeitigen Gebiete zerſtört oder demſelben definitiv entzogen
wird; wenn als Wiedervergeltung für eine in diplomatiſchen Verhältniſſen
erzeugte Ungunſt ein rechtsgültig beſtehender und vom Gegner nicht ver-
letzter Vertrag einſeitig gebrochen wird.
§ 66.
bb. Abbrechen der Verbindung.

Die beſtändige Verbindung zweier Staaten durch Geſandt-
ſchaften und ſonſtigen regelmäßigen Verkehr iſt theils ein Zeichen
guten Vernehmens, theils gereicht es beiden Staaten zum Vor-
theile in mancherlei Beziehungen. Ein völliges Abbrechen dieſer
Verbindung iſt daher ein zuläſſiges Mittel, um einen ver-
letzenden Gegner, auf welchen andere geringere Maßregeln keinen
Eindruck machten, zur Beſinnung zu bringen. Einerſeits wird
dadurch ein ſtarkes Gefühl der Verletzung und der Entſchluß,
ſich Unrecht nicht weiter gefallen zu laſſen, ausgedrückt, dadurch
aber möglicherweiſe eine Verbeſſerung des gegneriſchen Beneh-
mens hervorgerufen. Sodann aber kann der aus dem Auf-
hören jedes geordneten freundlichen Verkehres entſtehende Nachtheil
eine Veranlaſſung zu einer Wiederannäherung geben, damit der
frühere vortheilhafte Zuſtand wieder zurückkehre 1).

Die Abbrechung des Verkehres darf, wenn ſie nicht ſelbſt
in Rechtsverletzung ausarten ſoll, nicht ausgedehnt werden
auf Verweigerung ſolcher Leiſtungen, welche entweder allgemeine
Rechtspflicht oder durch beſtimmte Verträge feſtgeſtellt ſind;
ſondern es kann in dieſen Beziehungen nur inſoferne der
Gegner beeinträchtigt werden, als alle Erleichterungen wegfallen,
welche durch den regelmäßigen Verkehr dem zu einer Leiſtung
Berechtigten zugehen. Dagegen iſt die Verweigerung jeder nicht
rechtlich zu fordernden Gefälligkeit, ſei es für den Staat ſei

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <div n="7">
                    <div n="8">
                      <note place="end" n="3)"><pb facs="#f0466" n="452"/>
tung eines die&#x017F;&#x017F;eitigen Angehörigen un&#x017F;chuldige Bürger des fremden Staates<lb/>
die&#x017F;&#x017F;eits ebenfalls hingerichtet werden; wenn eine ungerechtfertigte Wegnahme<lb/>
die&#x017F;&#x017F;eitigen Eigenthums durch den fremden Staat das Eigenthum &#x017F;einer<lb/>
Bürger im die&#x017F;&#x017F;eitigen Gebiete zer&#x017F;tört oder dem&#x017F;elben definitiv entzogen<lb/>
wird; wenn als Wiedervergeltung für eine in diplomati&#x017F;chen Verhältni&#x017F;&#x017F;en<lb/>
erzeugte Ungun&#x017F;t ein rechtsgültig be&#x017F;tehender und vom Gegner nicht ver-<lb/>
letzter Vertrag ein&#x017F;eitig gebrochen wird.</note>
                    </div><lb/>
                    <div n="8">
                      <head>§ 66.<lb/><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">bb.</hi> Abbrechen der Verbindung.</hi></head><lb/>
                      <p>Die be&#x017F;tändige Verbindung zweier Staaten durch Ge&#x017F;andt-<lb/>
&#x017F;chaften und &#x017F;on&#x017F;tigen regelmäßigen Verkehr i&#x017F;t theils ein Zeichen<lb/>
guten Vernehmens, theils gereicht es beiden Staaten zum Vor-<lb/>
theile in mancherlei Beziehungen. Ein völliges Abbrechen die&#x017F;er<lb/>
Verbindung i&#x017F;t daher ein zulä&#x017F;&#x017F;iges Mittel, um einen ver-<lb/>
letzenden Gegner, auf welchen andere geringere Maßregeln keinen<lb/>
Eindruck machten, zur Be&#x017F;innung zu bringen. Einer&#x017F;eits wird<lb/>
dadurch ein &#x017F;tarkes Gefühl der Verletzung und der Ent&#x017F;chluß,<lb/>
&#x017F;ich Unrecht nicht weiter gefallen zu la&#x017F;&#x017F;en, ausgedrückt, dadurch<lb/>
aber möglicherwei&#x017F;e eine Verbe&#x017F;&#x017F;erung des gegneri&#x017F;chen Beneh-<lb/>
mens hervorgerufen. Sodann aber kann der aus dem Auf-<lb/>
hören jedes geordneten freundlichen Verkehres ent&#x017F;tehende Nachtheil<lb/>
eine Veranla&#x017F;&#x017F;ung zu einer Wiederannäherung geben, damit der<lb/>
frühere vortheilhafte Zu&#x017F;tand wieder zurückkehre <hi rendition="#sup">1</hi>).</p><lb/>
                      <p>Die Abbrechung des Verkehres darf, wenn &#x017F;ie nicht &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
in Rechtsverletzung ausarten &#x017F;oll, nicht ausgedehnt werden<lb/>
auf Verweigerung &#x017F;olcher Lei&#x017F;tungen, welche entweder allgemeine<lb/>
Rechtspflicht oder durch be&#x017F;timmte Verträge fe&#x017F;tge&#x017F;tellt &#x017F;ind;<lb/>
&#x017F;ondern es kann in die&#x017F;en Beziehungen nur in&#x017F;oferne der<lb/>
Gegner beeinträchtigt werden, als alle Erleichterungen wegfallen,<lb/>
welche durch den regelmäßigen Verkehr dem zu einer Lei&#x017F;tung<lb/>
Berechtigten zugehen. Dagegen i&#x017F;t die Verweigerung jeder nicht<lb/>
rechtlich zu fordernden Gefälligkeit, &#x017F;ei es für den Staat &#x017F;ei<lb/></p>
                    </div>
                  </div>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[452/0466] ³⁾ tung eines dieſſeitigen Angehörigen unſchuldige Bürger des fremden Staates dieſſeits ebenfalls hingerichtet werden; wenn eine ungerechtfertigte Wegnahme dieſſeitigen Eigenthums durch den fremden Staat das Eigenthum ſeiner Bürger im dieſſeitigen Gebiete zerſtört oder demſelben definitiv entzogen wird; wenn als Wiedervergeltung für eine in diplomatiſchen Verhältniſſen erzeugte Ungunſt ein rechtsgültig beſtehender und vom Gegner nicht ver- letzter Vertrag einſeitig gebrochen wird. § 66. bb. Abbrechen der Verbindung. Die beſtändige Verbindung zweier Staaten durch Geſandt- ſchaften und ſonſtigen regelmäßigen Verkehr iſt theils ein Zeichen guten Vernehmens, theils gereicht es beiden Staaten zum Vor- theile in mancherlei Beziehungen. Ein völliges Abbrechen dieſer Verbindung iſt daher ein zuläſſiges Mittel, um einen ver- letzenden Gegner, auf welchen andere geringere Maßregeln keinen Eindruck machten, zur Beſinnung zu bringen. Einerſeits wird dadurch ein ſtarkes Gefühl der Verletzung und der Entſchluß, ſich Unrecht nicht weiter gefallen zu laſſen, ausgedrückt, dadurch aber möglicherweiſe eine Verbeſſerung des gegneriſchen Beneh- mens hervorgerufen. Sodann aber kann der aus dem Auf- hören jedes geordneten freundlichen Verkehres entſtehende Nachtheil eine Veranlaſſung zu einer Wiederannäherung geben, damit der frühere vortheilhafte Zuſtand wieder zurückkehre 1). Die Abbrechung des Verkehres darf, wenn ſie nicht ſelbſt in Rechtsverletzung ausarten ſoll, nicht ausgedehnt werden auf Verweigerung ſolcher Leiſtungen, welche entweder allgemeine Rechtspflicht oder durch beſtimmte Verträge feſtgeſtellt ſind; ſondern es kann in dieſen Beziehungen nur inſoferne der Gegner beeinträchtigt werden, als alle Erleichterungen wegfallen, welche durch den regelmäßigen Verkehr dem zu einer Leiſtung Berechtigten zugehen. Dagegen iſt die Verweigerung jeder nicht rechtlich zu fordernden Gefälligkeit, ſei es für den Staat ſei

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/466
Zitationshilfe: Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 452. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/466>, abgerufen am 21.11.2024.