Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859.

Bild:
<< vorherige Seite
Zachariä, Deutsches Staatsrecht, 2. Aufl., Bd. I, S. 353; beson-
ders aber: Kamptz, A. H. von, Erörterungen der Verbindlichkeit des
weltlichen Reichsfürsten aus den Handlungen seiner Vorfahren. Neustrelitz,
1800. -- Eberts, Versuch über die Verbindlichkeit der Handlungen eines
Regenten für seinen Regierungsnachfolger. Landshut, 1819. -- Reyscher,
in der Zeitschr. f. deutsch. R. Bd. II, S. 68 u. ff.
§ 29.
b. Von den Regierungs- (Hoheits-) Rechten.

Das Staatsoberhaupt hat die Aufgabe, den Staat in allen
einzelnen dazu geeigneten Fällen in Thätigkeit treten zu lassen,
das heißt zu regieren. Natürlich ist sowohl der Umfang als
die Richtung der Regierungsthätigkeit und der dazu erforder-
lichen Rechte je nach dem Zwecke der Staatsgattungen ver-
schieden; und folgerichtig müssen auch die einzelnen Einrich-
tungen und Formen hiernach verschieden bestimmt sein. Allein,
was innerhalb dieser Aufgabe liegt, darf und soll, mittelbar
oder unmittelbar, allein oder unter Theilnahme von Seiten der
Unterthanen 1), von dem Staatsoberhaupte geschehen; und was
außerhalb dieses Zweckes ist oder gar mit demselben im Wi-
derspruche steht, muß unterbleiben. Die Frage über die Be-
rechtigung und Verpflichtung im einzelnen Falle ist zunächst
nach den Gesetzen des bestimmten Staates zu entscheiden;
in Ermangelung solcher aber muß die Antwort aus dem
Wesen des Staates überhaupt und der besondern Gattung
und Art desselben im Einzelnen abgeleitet werden. Der blose
Mangel einer ausdrücklichen Hervorhebung eines Rechtes ist
noch kein Grund, dasselbe ganz in Abrede zu stellen; die Ent-
scheidung richtet sich darnach, ob dasselbe ein nothwendiges
Mittel zur Erreichung eines unzweifelhaften und verfassungs-
mäßigen Staatszweckes ist 2). Wenn es sich aber von der
Erhaltung und Rettung des Staates bei plötzlich einbrechender
Gefahr handelt, und keine Zeit oder Möglichkeit einer Abhülfe

v. Mohl, Encyclopädie. 14
Zachariä, Deutſches Staatsrecht, 2. Aufl., Bd. I, S. 353; beſon-
ders aber: Kamptz, A. H. von, Erörterungen der Verbindlichkeit des
weltlichen Reichsfürſten aus den Handlungen ſeiner Vorfahren. Neuſtrelitz,
1800. — Eberts, Verſuch über die Verbindlichkeit der Handlungen eines
Regenten für ſeinen Regierungsnachfolger. Landshut, 1819. — Reyſcher,
in der Zeitſchr. f. deutſch. R. Bd. II, S. 68 u. ff.
§ 29.
b. Von den Regierungs- (Hoheits-) Rechten.

Das Staatsoberhaupt hat die Aufgabe, den Staat in allen
einzelnen dazu geeigneten Fällen in Thätigkeit treten zu laſſen,
das heißt zu regieren. Natürlich iſt ſowohl der Umfang als
die Richtung der Regierungsthätigkeit und der dazu erforder-
lichen Rechte je nach dem Zwecke der Staatsgattungen ver-
ſchieden; und folgerichtig müſſen auch die einzelnen Einrich-
tungen und Formen hiernach verſchieden beſtimmt ſein. Allein,
was innerhalb dieſer Aufgabe liegt, darf und ſoll, mittelbar
oder unmittelbar, allein oder unter Theilnahme von Seiten der
Unterthanen 1), von dem Staatsoberhaupte geſchehen; und was
außerhalb dieſes Zweckes iſt oder gar mit demſelben im Wi-
derſpruche ſteht, muß unterbleiben. Die Frage über die Be-
rechtigung und Verpflichtung im einzelnen Falle iſt zunächſt
nach den Geſetzen des beſtimmten Staates zu entſcheiden;
in Ermangelung ſolcher aber muß die Antwort aus dem
Weſen des Staates überhaupt und der beſondern Gattung
und Art deſſelben im Einzelnen abgeleitet werden. Der bloſe
Mangel einer ausdrücklichen Hervorhebung eines Rechtes iſt
noch kein Grund, daſſelbe ganz in Abrede zu ſtellen; die Ent-
ſcheidung richtet ſich darnach, ob daſſelbe ein nothwendiges
Mittel zur Erreichung eines unzweifelhaften und verfaſſungs-
mäßigen Staatszweckes iſt 2). Wenn es ſich aber von der
Erhaltung und Rettung des Staates bei plötzlich einbrechender
Gefahr handelt, und keine Zeit oder Möglichkeit einer Abhülfe

v. Mohl, Encyclopädie. 14
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <div n="7">
                    <note place="end" n="5)"><pb facs="#f0223" n="209"/><hi rendition="#g">Zachariä</hi>, Deut&#x017F;ches Staatsrecht, 2. Aufl., Bd. <hi rendition="#aq">I,</hi> S. 353; be&#x017F;on-<lb/>
ders aber: <hi rendition="#g">Kamptz</hi>, A. H. von, Erörterungen der Verbindlichkeit des<lb/>
weltlichen Reichsfür&#x017F;ten aus den Handlungen &#x017F;einer Vorfahren. Neu&#x017F;trelitz,<lb/>
1800. &#x2014; <hi rendition="#g">Eberts</hi>, Ver&#x017F;uch über die Verbindlichkeit der Handlungen eines<lb/>
Regenten für &#x017F;einen Regierungsnachfolger. Landshut, 1819. &#x2014; <hi rendition="#g">Rey&#x017F;cher</hi>,<lb/>
in der Zeit&#x017F;chr. f. deut&#x017F;ch. R. Bd. <hi rendition="#aq">II,</hi> S. 68 u. ff.</note>
                  </div><lb/>
                  <div n="7">
                    <head>§ 29.<lb/><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">b.</hi> Von den Regierungs- (Hoheits-) Rechten.</hi></head><lb/>
                    <p>Das Staatsoberhaupt hat die Aufgabe, den Staat in allen<lb/>
einzelnen dazu geeigneten Fällen in Thätigkeit treten zu la&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
das heißt zu regieren. Natürlich i&#x017F;t &#x017F;owohl der Umfang als<lb/>
die Richtung der Regierungsthätigkeit und der dazu erforder-<lb/>
lichen Rechte je nach dem Zwecke der Staatsgattungen ver-<lb/>
&#x017F;chieden; und folgerichtig mü&#x017F;&#x017F;en auch die einzelnen Einrich-<lb/>
tungen und Formen hiernach ver&#x017F;chieden be&#x017F;timmt &#x017F;ein. Allein,<lb/>
was innerhalb die&#x017F;er Aufgabe liegt, darf und &#x017F;oll, mittelbar<lb/>
oder unmittelbar, allein oder unter Theilnahme von Seiten der<lb/>
Unterthanen <hi rendition="#sup">1</hi>), von dem Staatsoberhaupte ge&#x017F;chehen; und was<lb/>
außerhalb die&#x017F;es Zweckes i&#x017F;t oder gar mit dem&#x017F;elben im Wi-<lb/>
der&#x017F;pruche &#x017F;teht, muß unterbleiben. Die Frage über die Be-<lb/>
rechtigung und Verpflichtung im einzelnen Falle i&#x017F;t zunäch&#x017F;t<lb/>
nach den Ge&#x017F;etzen des be&#x017F;timmten Staates zu ent&#x017F;cheiden;<lb/>
in Ermangelung &#x017F;olcher aber muß die Antwort aus dem<lb/>
We&#x017F;en des Staates überhaupt und der be&#x017F;ondern Gattung<lb/>
und Art de&#x017F;&#x017F;elben im Einzelnen abgeleitet werden. Der blo&#x017F;e<lb/>
Mangel einer ausdrücklichen Hervorhebung eines Rechtes i&#x017F;t<lb/>
noch kein Grund, da&#x017F;&#x017F;elbe ganz in Abrede zu &#x017F;tellen; die Ent-<lb/>
&#x017F;cheidung richtet &#x017F;ich darnach, ob da&#x017F;&#x017F;elbe ein nothwendiges<lb/>
Mittel zur Erreichung eines unzweifelhaften und verfa&#x017F;&#x017F;ungs-<lb/>
mäßigen Staatszweckes i&#x017F;t <hi rendition="#sup">2</hi>). Wenn es &#x017F;ich aber von der<lb/>
Erhaltung und Rettung des Staates bei plötzlich einbrechender<lb/>
Gefahr handelt, und keine Zeit oder Möglichkeit einer Abhülfe<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">v. <hi rendition="#g">Mohl</hi>, Encyclopädie. 14</fw><lb/></p>
                  </div>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[209/0223] ⁵⁾ Zachariä, Deutſches Staatsrecht, 2. Aufl., Bd. I, S. 353; beſon- ders aber: Kamptz, A. H. von, Erörterungen der Verbindlichkeit des weltlichen Reichsfürſten aus den Handlungen ſeiner Vorfahren. Neuſtrelitz, 1800. — Eberts, Verſuch über die Verbindlichkeit der Handlungen eines Regenten für ſeinen Regierungsnachfolger. Landshut, 1819. — Reyſcher, in der Zeitſchr. f. deutſch. R. Bd. II, S. 68 u. ff. § 29. b. Von den Regierungs- (Hoheits-) Rechten. Das Staatsoberhaupt hat die Aufgabe, den Staat in allen einzelnen dazu geeigneten Fällen in Thätigkeit treten zu laſſen, das heißt zu regieren. Natürlich iſt ſowohl der Umfang als die Richtung der Regierungsthätigkeit und der dazu erforder- lichen Rechte je nach dem Zwecke der Staatsgattungen ver- ſchieden; und folgerichtig müſſen auch die einzelnen Einrich- tungen und Formen hiernach verſchieden beſtimmt ſein. Allein, was innerhalb dieſer Aufgabe liegt, darf und ſoll, mittelbar oder unmittelbar, allein oder unter Theilnahme von Seiten der Unterthanen 1), von dem Staatsoberhaupte geſchehen; und was außerhalb dieſes Zweckes iſt oder gar mit demſelben im Wi- derſpruche ſteht, muß unterbleiben. Die Frage über die Be- rechtigung und Verpflichtung im einzelnen Falle iſt zunächſt nach den Geſetzen des beſtimmten Staates zu entſcheiden; in Ermangelung ſolcher aber muß die Antwort aus dem Weſen des Staates überhaupt und der beſondern Gattung und Art deſſelben im Einzelnen abgeleitet werden. Der bloſe Mangel einer ausdrücklichen Hervorhebung eines Rechtes iſt noch kein Grund, daſſelbe ganz in Abrede zu ſtellen; die Ent- ſcheidung richtet ſich darnach, ob daſſelbe ein nothwendiges Mittel zur Erreichung eines unzweifelhaften und verfaſſungs- mäßigen Staatszweckes iſt 2). Wenn es ſich aber von der Erhaltung und Rettung des Staates bei plötzlich einbrechender Gefahr handelt, und keine Zeit oder Möglichkeit einer Abhülfe v. Mohl, Encyclopädie. 14

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/223
Zitationshilfe: Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/223>, abgerufen am 21.11.2024.