der leitenden Grundsätze das nächstliegende Bedürfniß. Ein zweiter und weit häufigerer Grund aber ist Unkenntniß und Bequemlichkeit. Um über Fragen der Verwaltung, sei es nun aus rechtlichem oder politischem Stand- punkte, irgend eine Ansicht zu haben und äußern zu können, sind positive Kenntnisse sowie Einsicht in das Leben und in die bestehenden Geschäfts- einrichtungen nothwendig. Diese zu erwerben ist aber mühseliger, als über allgemeine Grundsätze, betreffend die Freiheitsrechte, die Volksvertretung u. ogl., etwas leidlich Anhörbares vorzubringen.
§ 20. 10. Die Gesetze der Staaten.
Ein Gesetz ist eine befehlende Norm, welche von einer zuständigen Auctorität im Staate zur Nachachtung von Seiten der Betheiligten bekannt gemacht ist. -- Nicht alle Verhältnisse des Zusammenlebens, ja nicht einmal alle Rechtsverhältnisse, müssen gerade durch Gesetze geregelt werden. Es mag auch Vertrag, Autonomie, d. h. selbstständige Berechtigung Einzel- ner zu einer Gehorsamsforderung, oder endlich Gewohnheits- recht, d. h. freiwillige, aus gemeinschaftlicher Rechtsanschauung entstandene Anerkennung von Seiten der Betheiligten, menschliche Verhältnisse bindend ordnen. Aufgabe des Staates ist es: theils solche Verhältnisse, welche durch eigene Thätigkeit der Betheiligten entweder nicht verpflichtend für Dritte, oder nicht bestimmt und zweifelhaft genug festgestellt werden können, seiner- seits durch Gesetze zu regeln; theils aber seine eigenen Ein- richtungen und Vorschriften auf diese Weise bekannt zu machen und sicher zu stellen. Da in dem Begriffe des Gesetzes eine strenge Verbindlichkeit zur Befolgung liegt, so können selbstredend nur solche Forderungen durch ein Gesetz aufgestellt werden, deren Ausführung im Nothfalle mit Zwang durchgesetzt werden kann 1). Gegegenstand der Staatsgesetzgebung sind also: einer- seits Rechtsverhältnisse der Einzelnen und der verschiedenen in der Einheit des Staates begriffenen untergeordneten Lebens- kreise, soweit hier ein Bedürfniß nachhelfender Vorschriften vor-
der leitenden Grundſätze das nächſtliegende Bedürfniß. Ein zweiter und weit häufigerer Grund aber iſt Unkenntniß und Bequemlichkeit. Um über Fragen der Verwaltung, ſei es nun aus rechtlichem oder politiſchem Stand- punkte, irgend eine Anſicht zu haben und äußern zu können, ſind poſitive Kenntniſſe ſowie Einſicht in das Leben und in die beſtehenden Geſchäfts- einrichtungen nothwendig. Dieſe zu erwerben iſt aber mühſeliger, als über allgemeine Grundſätze, betreffend die Freiheitsrechte, die Volksvertretung u. ogl., etwas leidlich Anhörbares vorzubringen.
§ 20. 10. Die Geſetze der Staaten.
Ein Geſetz iſt eine befehlende Norm, welche von einer zuſtändigen Auctorität im Staate zur Nachachtung von Seiten der Betheiligten bekannt gemacht iſt. — Nicht alle Verhältniſſe des Zuſammenlebens, ja nicht einmal alle Rechtsverhältniſſe, müſſen gerade durch Geſetze geregelt werden. Es mag auch Vertrag, Autonomie, d. h. ſelbſtſtändige Berechtigung Einzel- ner zu einer Gehorſamsforderung, oder endlich Gewohnheits- recht, d. h. freiwillige, aus gemeinſchaftlicher Rechtsanſchauung entſtandene Anerkennung von Seiten der Betheiligten, menſchliche Verhältniſſe bindend ordnen. Aufgabe des Staates iſt es: theils ſolche Verhältniſſe, welche durch eigene Thätigkeit der Betheiligten entweder nicht verpflichtend für Dritte, oder nicht beſtimmt und zweifelhaft genug feſtgeſtellt werden können, ſeiner- ſeits durch Geſetze zu regeln; theils aber ſeine eigenen Ein- richtungen und Vorſchriften auf dieſe Weiſe bekannt zu machen und ſicher zu ſtellen. Da in dem Begriffe des Geſetzes eine ſtrenge Verbindlichkeit zur Befolgung liegt, ſo können ſelbſtredend nur ſolche Forderungen durch ein Geſetz aufgeſtellt werden, deren Ausführung im Nothfalle mit Zwang durchgeſetzt werden kann 1). Gegegenſtand der Staatsgeſetzgebung ſind alſo: einer- ſeits Rechtsverhältniſſe der Einzelnen und der verſchiedenen in der Einheit des Staates begriffenen untergeordneten Lebens- kreiſe, ſoweit hier ein Bedürfniß nachhelfender Vorſchriften vor-
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⁴⁾ der leitenden Grundſätze das nächſtliegende Bedürfniß. Ein zweiter und
weit häufigerer Grund aber iſt Unkenntniß und Bequemlichkeit. Um über
Fragen der Verwaltung, ſei es nun aus rechtlichem oder politiſchem Stand-
punkte, irgend eine Anſicht zu haben und äußern zu können, ſind poſitive
Kenntniſſe ſowie Einſicht in das Leben und in die beſtehenden Geſchäfts-
einrichtungen nothwendig. Dieſe zu erwerben iſt aber mühſeliger, als über
allgemeine Grundſätze, betreffend die Freiheitsrechte, die Volksvertretung
u. ogl., etwas leidlich Anhörbares vorzubringen.
§ 20.
10. Die Geſetze der Staaten.
Ein Geſetz iſt eine befehlende Norm, welche von einer
zuſtändigen Auctorität im Staate zur Nachachtung von Seiten
der Betheiligten bekannt gemacht iſt. — Nicht alle Verhältniſſe
des Zuſammenlebens, ja nicht einmal alle Rechtsverhältniſſe,
müſſen gerade durch Geſetze geregelt werden. Es mag auch
Vertrag, Autonomie, d. h. ſelbſtſtändige Berechtigung Einzel-
ner zu einer Gehorſamsforderung, oder endlich Gewohnheits-
recht, d. h. freiwillige, aus gemeinſchaftlicher Rechtsanſchauung
entſtandene Anerkennung von Seiten der Betheiligten, menſchliche
Verhältniſſe bindend ordnen. Aufgabe des Staates iſt es:
theils ſolche Verhältniſſe, welche durch eigene Thätigkeit der
Betheiligten entweder nicht verpflichtend für Dritte, oder nicht
beſtimmt und zweifelhaft genug feſtgeſtellt werden können, ſeiner-
ſeits durch Geſetze zu regeln; theils aber ſeine eigenen Ein-
richtungen und Vorſchriften auf dieſe Weiſe bekannt zu machen
und ſicher zu ſtellen. Da in dem Begriffe des Geſetzes eine
ſtrenge Verbindlichkeit zur Befolgung liegt, ſo können ſelbſtredend
nur ſolche Forderungen durch ein Geſetz aufgeſtellt werden,
deren Ausführung im Nothfalle mit Zwang durchgeſetzt werden
kann 1). Gegegenſtand der Staatsgeſetzgebung ſind alſo: einer-
ſeits Rechtsverhältniſſe der Einzelnen und der verſchiedenen in
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kreiſe, ſoweit hier ein Bedürfniß nachhelfender Vorſchriften vor-
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Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/151>, abgerufen am 21.11.2024.
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